two hearted man
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Ausgewählter Beitrag

Zaunfink

Ich lese ihm gelegentlich gerne über die Schulter. Er hat spannende Ansichten, legt den Finger in die Wunde und spricht auch die unangenehmen Themen der queeren Community an. Daher war es spannend, ihn >bei einem Vortrag< zu erleben.


Er hielt seinen Vortrag zügig, man konnte gut folgen, seine Botschaft war klar und auf den Punkt. Die Diskussion anschließend wurde recht angeregt geführt, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass sie manchmal etwas am Thema vorbei war (was nicht an ihm lag. Im Gegenteil, seine lässige Art zu reagieren war prima). Das liegt eben vor allem daran, dass Menschen mit abweichenden Anliegen, Meinungen und Erlebniswelten kommen und dem Vortrag aus unterschiedlichen Motiven folgen. Daher hört jeder das, was für ihn wichtig ist, legt den Fokus auf andere Themenschwerpunkte. Würde jemand anders über diesen Vortrag schreiben, sähe das also ganz anders aus. Einerseits also ganz schön schwierig in einer Diskussion mit so vielen Personen, andererseits aber ein Zeichen der Vielfalt, um die es hier ja gehen sollte ;-)

Mein Motiv, mein Hintergrund? Was ich mitgenommen habe? 

Nun ja, diese Fragebekomme ich SEHR oft gestellt:  "ja, aber wenn es um Gleichberechtigung gehen soll - warum macht Ihr dann immer so einen Wirbel? Wäre es nicht DANN Gleichberechtigung, wenn es einfach im Alltag ganz normal läuft und niemand ständig drüber redet?". Und immer wieder erkläre ich, dass das eine schöne Wunschvorstellung ist, dass aber noch immer täglich Diskriminierung gelebt wird.
Unbemerkt, weil die einen sich nicht getrauen darüber zu reden und die anderen es "im Zuge der Gleichberechtigung" nicht hören wollen. 

Meine Erwartung war also, lebendige Argumente zu bekommen, und die wurden auch geboten. Zwei prägnante Sätze, die sich gut einprägten und das Absurde der Situation darstellen: "Im Gleichschritt für die Vielfalt" und "Toleranz von Vielfalt ist nicht möglich, wenn alle gleich sind". 

Menschen SIND verschieden. Niemand würde diese obige Frage stellen, wenn Frauen, Juden, Behinderte oder andere für ihre Belange eintreten, das wäre Diskriminierung. Von queeren Menschen wird aber oft erwartet, dass sie schweigend so tun, als gäbe es sie nicht. Und ja, sogar innerhalb der Community wird dies von vielen gefordert.

Selbst, wenn "alle gleich sind" - die Erwartung der Diskriminierung beeinflusst das eigene Verhalten, auch ohne selbst negative Erfahrungen gemacht zu haben. Auch das konnte ich innerlich abnicken. Obwohl ich selbst offen lebe und (fast) noch keine schlimmen Erfahrungen gemacht habe, plagt mich oft die Angst vor dem Outing, jede neue Begegnung verursacht Unsicherheit, getraue ich mich nicht so frei zu leben wie ich gerne würde. 

Er erklärte auch kurz, wie es ist, einfach dazugehören zu wollen. Ja, es mag sein, dass queere Menschen dazugehören, akzeptiert werden und gesellschaftlich integriert sind. Ich darf mich glücklich schätzen, trotz meiner verqueren vielfältigen Andersartigkeit dazuzugehören. Aber "einfach dazugehören" ist beileibe nicht "einfach", es erfordert Vorarbeit. Denn: um gleich zu sein und integriert zu leben, muss man seine Ungleichheit erst einmal thematisieren, abklären, vor sich hertragen. Spätestens, wenn der Mann statt seiner Frau einen Mann auf die Feier mitbringt ... oder wenn beim Schwimmen mit dem besten Kumpel plötzlich auffällt, dass die Badehose nicht gefüllt ist - dann ist es nicht mehr "einfach" sondern erfordert sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Es wäre so schön, tatsächlich ohne Worte, ohne Erklärungen, ohne Blicke, ohne Rückfragen einfach zu sich selbst stehen zu dürfen. Doch leider ist Adornos Zitat "ohne Angst verschieden sein" ein wunderschöner Traum, der leider (noch?) nicht Realität ist.

Der Vortrag schlug ziemlich gut in die Kerbe, die mich seit einigen Wochen sehr beschäftigt, nämlich die "symbolische Diskriminierung". Was man nicht sieht, das existiert nicht. Heterosexuelle Menschen dürfen Händchenhalten, es gibt Filme über heterosexuelle Liebe, usw. Wenn homosexuelle Menschen dies tun oder in den Medien sind, wird ihnen unterstellt, allen ihre Sexualität plakativ zu demonstrieren. 

http://twoheartedman.designblog.de/kommentare/my-little-pony-friendship-is-magic....159/

Er selbst brachte zum Thema Gleichheit das Bild von Schlumpfhausen. Ich führe als bekennender >Bronie< statt dessen die Folge "The Cutie Map" der Reihe "My little Pony" an (Staffel 5, Episode 1-2). Alle Ponies wurden durch einen Zauber "gleichgemacht", statt der typischen Cutie Marks (ein Zeichen, welches ihre besonderen Fähigkeiten betont und sie gleich einem Fingerabdruck unterscheidet) haben sie alle ein Gleichheits-Zeichen. Damit wurden sie ihrer Besonderheiten, Hobbies, Interessen, Vorlieben, Fähigkeiten beraubt, sie alle sind gleich. Niemand ist besser, schlechter, anders. Friede, Freude, Gleichheitskuchen! Aber damit wurden ihnen auch ihre Träume beraubt: "you can´t have a nightmare, if you never dream!" (Du kannst keinen Albtraum haben, wenn Du keine Träume hast). Eine der stärksten Folgen der gesamten Reihe, die ich gerne als Vergleich heranziehe, dass eben NICHT alle Menschen gleich sind und es die Vielfalt ist, die unser Leben so lebenswert macht.
 
Und dann hat mich sein Vortrag noch in Sachen Transmännlichkeit bewegt. Denn das Thema "Gleichheit" ist gerade unter Transmenschen ein verdammt wichtiges Thema, schließlich wollen wir am liebsten "unter dem Radar" fliegen und nicht ständig auffallen. Aber damit dieser Beitrag nicht ausartet, schreibe ich hierzu dann einen eigenen Artikel.

Kurz gesagt und zusammengefasst: es war also ein lohnender Abend mit einem sehr sympathischen Referenten. Ich habe viel für mich mitnehmen dürfen und bin dankbar, dass ich mich trotz der Hitze und trotz "ich will im Urlaub nur daheim rumsitzen" aufgerafft habe.

2heartedman 02.08.2018, 16.44

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