two hearted man
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Megamarsch #wirgehenweiter3

Nachdem ich begeistert am zweiten Megamarsch #wirgehenweiter teilgenommen hatte, meldete ich mich sofort für den dritten an. Und ich war begeistert, als das Datum direkt auf meinen Geburtstag fiel! 


MEINE MOTIVATION

Geburtstage sind bei mir immer ein sehr heikles Thema. Mag ich hier gar nicht näher ausführen, könnte es vermutlich auch nicht, ist einfach ´ne emotionale Sache, die ich nicht erklären kann. Es war damals einfach immer sehr traurig, hab einige unschönen Erinnerungen und möchte das nicht groß aufwärmen. In den letzten Jahren hatte ich einfach angefangen, mich zurückzuziehen. Sauna, Spaziergang, einfach weg von daheim und es mir irgendwo gutgehen lassen, wo niemand mich erreichen kann. Oder letztes Jahr nur zu Hause im Schaukelstuhl mit dem Buch einer Lieblingsautorin und möglichst nicht ans Telefon gehen. Was ich also dieses Jahr machen würde, war mir absolut klar: am Vortag loslaufen, in meinen Geburtstag reinwandern und einen neuen persönlichen Rekord aufstellen! 

Wenn DAS mal keine Motivation ist, auch alleine so weit als möglich zu laufen, dann kann mich vermutlich nichts mehr motivieren. Es war mir schon immer ein Anliegen, meinen Geburtstag zu einem Tag zu machen nur für mich, an dem ich mir selbst etwas Gutes tue. Mir zu beweisen, dass ich es kann, dass ich fit bin, dass ich gesund bin, dass ich Durchhaltevermögen habe, dass ich stark bin und meinen Schweinehund besiegen kann, das ist wohl eines der schönsten Geschenke, die ich mir selbst machen kann. 


MEINE VORERFAHRUNG,  ZIELE

Vorerfahrungen habe ich im >Beitrag zum vorherigen Megamarsch< ja schon genannt, muss ich nicht erneut ausbreiten.

Dieses Mal habe ich nicht komplett auf Sport verzichtet. Lag aber daran, dass ich der Hitze wegen schon länger recht unsportlich war und mein Körper einfach wieder etwas Arbeit benötigte. Ohne Sport werde ich träge und ungenießbar. Aber ich habe Maß gehalten, wollte nicht aus lauter Motivation gleich ins Übertraining geraten. Für den Marsch wollte ich absolut fit sein. 

Ich hatte mehrere Etappenziele: das niedrigste war es, erst einmal die 57 km vom letzten Marsch zu toppen. Dass ich das schaffen würde, daran hatte ich keinerlei Zweifel. Ich hätte damals mehr laufen können, habe aus Vernunftgründen des Wetters wegen abgebrochen. 

Das nächste Ziel, das ich mir gesetzt hatte, waren 75 km. Ich hatte wenig Respekt und wenig Bedenken, die 75 schienen mir einfach. Allerdings habe ich das noch nie gemacht. Wusste nicht, wie es sich anfühlen würde. Bevor ich also möglicherweise enttäuscht wäre, die 100 nicht zu schaffen, wollte ich mich auf 75 festlegen. Blasen an den Füßen, Muskelkrämpfe, Müdigkeit, Schweinehund. Keine Ahnung, was mich erwarten würde. Ich habe mir vorgenommen, die 75 zu knacken und nicht enttäuscht zu sein, falls es nicht mehr ist. 75 ist etwas, worauf ich stolz sein könnte, auch wenn andere mehr leisten. Es ging heute um mich, nicht um andere!

Das große Ziel waren die 100. Oder 24 Stunden. Falls ich die 100 nicht in 24 schaffe, würde ich abbrechen. Ich rechnete aber damit, die Zeit in 22 bis 23 h zu meistern.  Ich gebe aber zu, vor den 100 hatte ich gewaltigen Respekt. Habe mich schon mental damit auseinandergesetzt, wie ich damit umgehe, wenn ich es nicht schaffe. Wenn der Körper streikt oder der Kopf nicht mehr stark genug ist mich weiterzupeitschen. Es war der große Wunsch, es zu schaffen, aber auch etwas Sorge, ob ich mich da nicht selbst gewaltig überschätze. 

Man soll zwar visualisieren, sich als Sieger sehen, Erfolg mental schon vorwegnehmen. Okay, das mag für andere gelten. Aber bei mir kann das gefährlich werden. Die vielen Jahre, in denen ich meinen Körper vor der Transition bewusst gequält, ignoriert, geschunden, auch selbst verletzt habe, die sind vorbei. Jetzt ist es an der Zeit, meinen Körper zu achten. Es gibt für mich Situationen, in denen "Mind over Matter" für die Tonne ist und ich dem Körper sehr genau zuhören muss.

Ich habe viele Wochen mir immer wieder bewusst gemacht, dass 100 nicht nötig sind und 75 großartig wären. Dass ich kein Verlierer bin, wenn ich die 100 nicht schaffe. Dass es darum geht, meine eigenen Grenzen zu überwinden und nicht die anderer Menschen. Das war harte Arbeit, die mir sehr schwer gefallen ist. 


START, GRUNDBEDINGUNGEN, TRACKING

Der Wetterbericht war schwankend. Die Tage davor wurde immer wieder Regen angekündigt. Und tatsächlich gab es Dauerregen. Die Frage war nur, ob er aufhören würde oder ich im Regen starten müsste. So heftig wie es davor regnete, habe ich überlegt, ob ich starten sollte. Notfalls würde ich halt alle paar km heimkommen und mich umziehen, na und? Ich willwillwill nachts in meinen Geburtstag reinlaufen, und kein Gewitter Regen Sturm der Welt kann mich davon abhalten! 

Aber tatsächlich waren es dann optimale Bedingungen. Um die 15 Grad tagsüber, bewölkt aber kein Regen. Sonnenuntergang gegen 19 Uhr, Sonnenaufgang gegen 7.15, also vermutlich über die Hälfte Nachtwanderung. Ich hatte keine besondere Strecke geplant, weil ich nachts nicht auf unbekannten Wegen navigieren wollte. Da ich zwischendurch nach Hause kommen würde, hatte ich auch nur sehr leichtes Gepäck. Keine nennenswerten Steigungen oder sonstigen Schwierigkeiten. Kurz gesagt, easy going.

Ich startete um 16 Uhr, ein spannendes Hörbuch auf den Ohren. Mein Thriller dauerte noch rund 5 Stunden, die ich auch recht zügig durchgehört habe. Dazwischen hier und da etwas gechattet (Audio), mich sonst aber wenig abgelenkt. Einfach nur gelaufen. 

Der Start war meine favorisierte Runde am Fluß entlang um den See, danach dann bewanderte ich den nördlichen Ring der Stadt und viele Straßen dazwischen. Habe mir in der Stadt noch unterwegs einen Falafel-Wrap gegönnt und diesen genüsslich gefuttert beim Laufen. Ach, wenn man Sport macht und richtig ausgehungert ist, dann schmeckt das Essen so viel besser als eh schon!

Es wurde immer frischer. Hatte zwischendurch um die drei bis vier grad. Ich trug keine Jacke, nur einen Pulli, aber kalt war mir nicht, dazu schwitzte ich zusehr. Dazu gab es gegen Morgen Taunässe, meine Klamotten wurden ziemlich feucht, war recht unangenehm. Aber dafür gibt es ja die Versorgungsstation zu Hause, wo ich die klatschnassen Klamotten wechseln konnte (vor allem Socken und Unterwäsche, oh mann, frische Wäsche, was für ein Traum!)

Getrackt habe ich wieder mit Caynax und Komoot. Dieses Mal lief es besser als beim letzten Marsch. Allerdings war es letztes Mal Caynax, das mich verlassen hatte. Dieses Mal war Komoot gemein zu mir: mehrfach hörte die App auf zu tracken und fragte mich dann, ob ich beenden oder weitermachen möchte. Natürlich weitermachen! Aber bis ich die Nachricht sah, waren ein gutes Stück Wegstrecke vergangen. Am Ende fehlten mir auf Komoot über 4 km, die auf diese Weise einfach unterschlagen wurden. 

Okay, was sind schon 4 km bei 100 km, mag man als Außenstehender denken. Aber wer das gelaufen ist, der weiß, 4 km können die Hölle sein! Aber mehr dazu später. Jedenfalls bin ich dankbar, mit zwei Geräten getrackt zu haben! 


GEBURTSTAGS-ANTEIL

Wie gesagt: meine Motivation war auch der Geburtstag. Mir die 75 oder 100 km selbst zu schenken. Ich feiere nie besonders, und auch für diesen Tag hatte ich nichts geplant. Allerdings war ich zwischendurch im Büro (liegt optimal in der Stadt für kurze Pause mit WC und Trinken). Und da fiel mir ein, dass eine Kollegin mir extra Muffins ins Gefrierfach gelegt hatte. Klasse! Also Muffins geholt, auftauen lassen (hat nicht geklappt, war zu kalt. Nagut, dann eben Eistorte) und um Mitternacht mitten auf der Straße einen Schokomuffin gefuttert, beste Geburtstagstorte ever! ;-)

Normalerweise verschließe ich mich der Kommunikation, freue mich zwar über Karten, Mails, Nachrichten auf dem AB, rufe das aber gerne erst später ab. Diesmal allerdings war mir klar, dass ich am Ende meiner Strecke verdammt viel Motivationssprüche brauchen würde. Ab dem Punkt, wo ich keine Konzentration mehr für Hörspiele hätte, brauchte ich Telefonate und Chats, um die Zeit irgendwie zu überbrücken, um den Schweinehund zu übertönen.

War ein Risiko: denn es könnte gut sein, dass ich es nicht schaffe und allen Freunden sagen muss "ich hab es nicht geschafft". Egal, siehe oben: selbst, wenn ich es nicht schaffe, ist es eine gewaltige Leistung, da muss ich mich nicht schämen. 

Also habe ich mich überwunden, auf Whatsapp von meinem Geburtstag und dem Marsch erzählt. Und tatsächlich bekam ich dann auch sehr viele lieben Grüße, sehr viel Motivation, Bilder, Glückwünsche, Anrufe. Ach, das war toll, ich fühlte mich richtig klasse und war sehr stolz. Und ich freue mich, wie viele Leute an mich gedacht haben und gedanklich bei mir waren. Es ist ungewohnt, ich stehe nicht gerne im Mittelpunkt, aber ich habe es geschafft, es trotzdem zu genießen und vor allem zu würdigen. Tolles Gefühl! Auch das ist etwas, wo ich an diesem Tag tatsächlich über mich hinausgewachsen bin und vorab hart mit mir gerungen habe.


PAUSEN

Dieses Mal habe ich die Pausen zum letzten Megamarsch stark reduziert. War ich letztes Mal etwa gefühlt alle 15 km, bin ich diesmal bis zu 25 oder gar 35 km gelaufen. Okay, dazu zähle ich nicht die Toilettenpausen, denn das war kein Rasten. Mit Pause meine ich die 20 min zu Hause, in denen ich Proviant nachgefüllt habe. Katze gefüttert, Klamotten gewechselt, Füße inspiziert (Versorgung war nicht nötig), Testo gegelt und Medikamente genommen (boah, das frisst Zeit. Aber hey, morgens ein Schub Testo gibt Power für den Tag, konnte ich gut brauchen). 

Bei einer solchen Strecke ist es nötig, kurz mal zu pausieren. Aber ich ärgerte mich schon über die verlorene Zeit. Und wirklich fit haben diese Pausen mich ja nicht gemacht. Im Gegenteil, wer rastet, der rostet. Das bekam ich leider heftig zu spüren, als ich bei km 75 morgens eine halbe Stunde benötigte (war schon etwas müde, Kater schrie nach Futter, Bewegungen mit Umziehen dauerten länger usw)

Bis km 75 war alles top, ich bin gechillt gelaufen. Spürte die Füße noch nicht so richtig und fühlte mich noch ziemlich fit. Aber als ich dann das Haus verließ und weiterlaufen wollte, hat es so richtig "reingekracht". Boah, war das fies! Auf einmal spürte ich jeden Schritt, die Beine waren schwer, die Sohlen brannten etwas, ich wollte nicht mehr. Genau DAS ist der fucking Grund, warum ich mich beim Wandern nie hinsetze sondern selbst bei der Rast stehenbleibe und auf der Stelle trete! 

Ich dachte, dass ich vielleicht mit ein paar hundert Metern wieder in den alten Schritt komme. Kam ich nicht. Na gut, dann vielleicht nach ein paar km. Kam ich auch nicht. Ich lief zwar später wieder gleichmäßiger, weniger stockend, aber ab hier wurde es wirklich anstrengend.


ENDSPURT, WITH A LITTLE HELP FROM MY FRIENDS

Bis zur 75 hatte es Spaß gemacht. Danach kostete es Überwindung aber war okay. Aber ab 80 dann fing die Zeit an sich zu ziehen, und ab 90 war es fast unerträglich. 

Anfangs dachte ich noch "wow, schon 20 km, wo ist die Zeit nur hin, ging ja schnell". Und gegen Ende dachte ich "meeeensch, das waren jetzt sicher zwei km, das dauerte ja ewig", nur um dann ernüchtert auf dem Display zu lesen, dass ich gerade ein mal ein paar min unterwegs war, seit ich das letzte Mal aufs Handy geguckt hatte. Die Zeit wollte nicht mehr vergehen, und ich trat gefühlt nur noch auf der Stelle.

Was sehr interessant ist, denn mein Tempo hat sich nur minimal verringert, ich konnte den Schritt also tatsächlich halten und auch gegen Ende noch fast 6 km/h marschieren. Also eine äußerst subjektive Wahrnehmung. 

Ab vier Uhr morgens hatte ich immer Freunde, die "noch wach" waren oder "gerade aufgestanden", sodass ich ab dieser Zeit ständig Begleitung hatte. Das war sehr angenehm, und ich danke allen für die indirekte Teilnahme an meinem Marsch. Es hat gewechselt, mal hatte dieser Zeit, mal jener, und die Abwechslung tat mir unglaublich gut. 

Intensive Gesprächsthemen gab es nicht wirklich, es waren Banalitäten. Für mehr war mein Hirn nicht mehr imstande. Alles Blut war in den Beinen, für das Hirn hatte ich kaum noch Ressourcen. Ich war inzwischen wieder auf meiner Lieblingsroute am Flussufer, aber davon bekam ich eher wenig mit. Tatsächlich beschränkte sich fast alle Energie auf die Beine. Hirn und Beine schienen getrennt, die Beine liefen einfach obwohl sie nicht mehr wollten. Gelegentlich lief ich ein bisschen wie ein Betrunkener. Klar, Erschöpfung und darüber hinaus, eine sehr spannende Erfahrung (von der ich aber wenig mitbekommen habe, weil ich mich nonstop abgelenkt habe in den Gesprächen). 

Während ich beim letzten Megamarsch bei Sonne und guter körperlicher Verfassung mitten im Wald auch noch verdammt viel Euphorie gefühlt habe, war ich dieses Mal recht ernüchtert. Nix mit Euphorie, nur "fuck, ich will das schaffen, auch wenn alles wehtut und keinen Spaß mehr macht". 

Ab 90 km war jeder Schritt pure Überwindung. Ich danke meinen Freunden, die sich mein Gemotze und Gejammer angehört haben. Sie nahmen es mit Humor und haben mich super motiviert!

Eigentlich fühlte ich mich gar nicht so motzig, war eigentlich noch immer motiviert und happy. Aber es war unglaublich entlastend, den körperlichen Druck auf diese Weise rauszulassen, denn inzwischen war ich wirklich unglaublich erschöpft. Kann mich nicht erinnern, ob ich jemals an diesem Punkt war, vermutlich nicht. Ich wollte ja immer einmal an diesen Punkt kommen. Wissen, wie es sich anfühlt. Dass ich dafür allerdings 90 km laufen muss, hätte ich nicht erwartet. 

Wenige km vor der Haustür machte ich einen kleinen Abstecher in den Drogeriemarkt, Muskel- und Gelenkbad kaufen. Habe auf dem Heimweg zigfach daran geschnuppert. Die Aussicht auf eine heiße Badewanne voller wohltuender Inhaltsstoffe für den Körper waren noch ein zusätzlicher Motivationsschub.

Die allergemeinste, fieseste, bösartigste Strecke der gesamten Tour: der letzte Kilometer. Mir war klar, dass ich nicht mehr als 100 km laufen wollen würde. Also lief ich so, dass ich zur hundert direkt zu Hause ankommen würde. Habe mich etwas verschätzt und stand bereits bei km 99 vor der Tür. KACK! Ich hätte nur zur Tür reingehen müssen und wäre fertig gewesen! Statt dessen ein weiterer Kilometer, auf den ich sowas von keine Lust mehr hatte!!! Ich bin um den Block. Zurück. Andere Richtung. Zu den Mülltonnen. Zum Spielplatz. Geradeaus und um das andere Haus, wieder zurück. Um die Blumenbeete. Hauptsache nicht weiter als nötig. Herrjeh, wie viele Schritte würde ich noch gehen müssen für diesen letzten Kilometer?!?

Nix mit Gehmeditation. Die Mantras, die ich auf diesem letzten Kilometer ein ums andere Mal wiederholt habe, gebe ich besser nicht wieder, die waren wenig produktiv und glichen eher Flüchen. Aber immerhin war der Gedanke "ich schaff das" und "ich bin dankbar, dass ich das schaffe" und "danke für diesen starken Körper" im Hinterkopf noch präsent ;-)

Und dann: GESCHAFFT! 100 km. Fertig. Ich hatte es nicht zu hoffen gewagt. Und ich hatte es geschafft!


NACH DEM MARSCH

Ich habe auf die Minute 20 Stunden gebraucht (Dabei etwa 1.5 h Rast für die notwendigen Erledigungen dazwischen). War also weit schneller, als ich es mir vorgenommen hatte. Keine Ahnung, ob das gut ist und welche Zeit andere laufen, ist auch egal. Ich bin mega zufrieden und sehr stolz, dass ich es geschafft habe. 

Zu Hause passierte, was ich erwartet hatte: alle Systeme runtergefahren. Vorher hatten die Beine mechanisch gearbeitet, die Schmerzen waren irgendwie noch unterdrückt. Und jetzt kam alles hoch. Ich konnte kaum ein Bein vor das andere setzen, jeder Schritt tat weh und war ein Kraftakt. 

Trotzdem habe ich erst noch meine Sachen aufgeräumt, die Daten auf den Computer übertragen. Den Freunden Bescheid gesagt, dass ich angekommen bin. Ein bisschen gegessen. Und dann erst bin ich in die Badewanne. 

Normalerweise lese ich dazu immer einen Manga. Habe es versucht. Das Heft fiel mir nach drei vier Seiten fast ins Wasser. Konnte es gerade noch auffangen. Daran, wie ich es weggelegt habe, erinnere ich mich kaum noch, bin dann sofort eingeschlafen. Lange schlief ich nicht, das Wasser war noch warm (hat allerdings bei mir nichts zu sagen, da ich immer extrem heiß bade). Ich ließ das Wasser ab. Aber ich hatte keine Lust, die Wanne zu verlassen. Bäh, schon wieder die Füße hochheben? Mich hinstellen und Abtrocknen? Määäääh, ich will nicht! Es gibt kein Gesetz, das vorschreibt, dass man nach dem Ablassen des Wassers die Wanne zu verlassen hat. Also blieb ich einfach liegen. Und schlief direkt wieder ein. 

Danach ab aufs Sofa. Ausgeklappt, langgestreckt. Ein bisschen gedöst. Nicht lange, ich wollte mir das Schlafen für die Nacht aufheben. Tagsüber Schlafen mag ich gar nicht. 

Habe dann Geburtstagsgeschenke ausgepackt, mich über die Karten und Grüße gefreut. Es war toll! Und Schatz hat mich sehr lieb versorgt, mir alles ans Sofa gebracht, damit ich nicht extra aufstehen muss. Ich mag es gar nicht, mich bedienen zu lassen, so etwas ist mir unangenehm. Aber nach 100 km und am Geburtstag konnte ich das dann tatsächlich ausnahmsweise einmal ohne schlechtes Gewissen genießen ;-)

Abends Pizza bestellen, Dr Who ansehen. Aaaah, was für ein Tag! Ich würde mal sagen, das war best birthday ever!

Was mich sehr erstaunte: ich fühlte mich fiebrig. Also alle Symptome einer Erkältung. Das Fieberthermometer zeigte aber nichts an. Im Gegenteil, meine Temperatur war optimal, und auch Puls und sonstige Funktionen alle top, theoretisch ging es mir blendend. Aber mir war eiskalt, ich schwitzte, dazu das typische Gliederreißen, eine triefende Nase. Tja, ich wollte immer mal wissen, wie mein Körper auf so eine heftige Belastung reagiert, jetzt weiß ich es. Höchst faszinierend! Mit Phantom-Fieber ;-)


DIE TAGE DANACH

Ich hatte ja wirklich erwartet, dass ich einige Tage ausgeknockt wäre. Den Muskelkater meines Lebens haben würde. Nie wieder einen einzigen Schritt gehen will. Auf dem Sofa vor mich hinverwese und jede Bewegung eine Qual wäre. Pustekuchen, nix da!

Am nächsten Tag bin ich aufgestanden, habe ordentlich gestaubsaugt, Müll rausgetragen, einiges an Hausarbeiten erledigt. Ein klein wenig Muskelkater, aber das war zu vernachlässigen. Keine Phantom-Fieber-Symptome und auch sonst keine Beschwerden. Nix! Irgendwie fast enttäuschend. Hatte gehofft, länger etwas von diesem Marsch zu haben.

Ehrlich, da hatte ich bei kürzeren Wanderungen schon schlimmere Nachwirkungen. Scheint, das Training in den letzten Monaten hat zu einer deutlichen Leistungssteigerung geführt (logisch, dafür trainiert man ja. Aber ich hätte nicht mit solch enormen Auswirkungen gerechnet). 

Am Nachmittag war ich mit Schatz sogar wieder spazieren, ein paar km. Kam problemlos in die Schuhe, und mein Schritt war ordentlich flott wie immer. Ich spürte die Füße, das will ich gar nicht leugnen, die Fußsohlen brannten etwas. Aber nichts, was mich irgendwie eingeschränkt hätte. 

Und zwei Tage später gar nichts mehr. Kein Muskelkater, nicht das geringste bisschen. Keine brennenden Fußsohlen. Absolut nichts. So, als wäre ich am Wochenende faul auf dem Sofa gelegen statt einfach mal 100 km zu marschieren. 

Einzig mein Magnesiumspiegel war noch bedürftiger als sonst. Ich muss im Alltag eine relativ hohe Dosis nehmen, und die war in den Tagen nach dem Marsch nun NOCH höher, bis ich wieder aufgefüllt hatte. Aber gut, das ist verständlich und habe ich dem Körper gerne gegeben. 

Naja, eine kleine Nachwirkung habe ich doch: 100 km in Schuhen hinterlässt Spuren. Zwei drei kleine Blasen. Keine schlimmen, aber sie sind da, kaum merklich. Habe inzwischen gelernt, wie ich das verhindern kann und habe gute Schuhe, sodass ich auch auf langen Strecke meist verschont bleibe.

Und ein "subunguales Hämatom" (kleiner Bluterguss unter dem Zehnagel). Aber kenn ich schon von anderen Langstrecken, kommt vor, tut mir nicht weh, ist halt so. Liegt am Schuhwerk, wobei ich mit meinen Schuhen tatsächlich extrem zufrieden bin und laufe wie auf Watte. Wenn ich überlege, wie oft ich schon 30 oder 40 oder mehr km gewandert bin ohne Hämatom, dann kann ich es jetzt bei den 100 nicht plötzlich auf die Schuhe schieben, das wird eher die Strecke gewesen sein und all die vielen kleinen Erschütterungen. Ich bemerke es auch nicht während des Laufens, war zu Hause dann sehr überrascht davon.

Ich pflege meine Füße sehr gewissenhaft, man sieht ihnen die harte Belastung im Alltag und zu gelegentlichen Gewaltmärschen nicht an, das ist mir sehr wichtig. Ich bin unglaublich dankbar, wie weit sie mich schon getragen haben und sicher auch noch weitertragen werden!

Ansonsten: ich hätte diese Woche wieder voll Sport machen können. Aber ich habe Urlaub. Und ich gönne es mir, diesmal so richtig faul sein zu dürfen. Ich habe Netflix und Prime geguckt, Bücher gelesen, auf dem Handy gedaddelt, stundenlang gechattet, leckeres Essen gefuttert. Außer zwei Spaziergängen habe ich Küche und Sofa nicht verlassen. Das ist Urlaub. Und ich finde, nach den anstrengenden vorausgegangenen Monaten und nach dem letzten 100er Megamarsch habe ich mir das mehr als verdient :-)


NACH DEM MARSCH IST VOR DEM MARSCH

Im November steht ein weiteres Event an, für das ich angemeldet bin. Das werden nur 50 km sein, aber ich freue mich schon sehr darauf. Ob es stattfinden wird, ist wegen Corona noch unsicher. Also abwarten. Aber falls nicht - ich kann auch alleine wandern. Und ich habe Freunde, mit denen ich längere Strecken gehen kann. Das wird sicher nicht mein letzter Langstreckenmarsch gewesen sein ;-)

2heartedman 04.10.2020, 13.52

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