two hearted man
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Ausgewählter Beitrag

Ungeschönt

Ich habe das Gefühl, dass manche der Leser hier nur Positives im Blog herauslesen. Möchte das mal gerade rücken. Zumal ich es wichtig finde, auch das Negative zu zeigen.

Viele Blogs und Youtube-Channels schreiben immer von den positven Erfolgen, aber das Traurige, Negative wird nicht geteilt, weil es unangenehm ist. Weil es sich anfühlt wie ein persönliches Versagen. Ich hab keinen Bock auf Mitleid, dann fühl ich mich schwach und bedürftig, und das will ich nicht sein. Und ich habe auch keinen Lust auf motivierende Sprüche, denn  theoretisch weiß ich das selbst - und wenn es heute regnet und ich kurz vorm Absaufen bin, will ich einfach kein "morgen scheint wieder die Sonne" hören. 

Selbst habe ich das Gefühl, dass ich ständig nur am Jammern bin. Quengel hier, Jammer da. Aber als Rückmeldung bekomme ich von verschiedenen Seiten immer nur "Deine Motivation inspiriert mich" und "boah, soviel Disziplin habe ich nicht" und "super, wie alles bei Dir läuft". Lesen diese Leute falsch? Oder habe ich sosehr gelernt, mich als positiv und diszipliniert zu präsentieren, dass mein von mir vermeintliches "Gejammer" gar nicht durchkommt? 

Egal, hier also mal ein Jammer-Beitrag. In dem ich mir Mühe gebe, nicht irgendein "für irgendwas muss es ja gutsein" oder "bin trotzdem dankbar" hinterherzuschieben. Sondern klar auszusprechen, wie es mir grad geht. 

Ich habe das Gefühl, dass ich in der Depression stecke. Statt rumzuhängen und nichts mehr zu erledigen, stürze ich mich immer mehr in die Arbeit, werde gereizt und bin manchmal ziemlich unausstehlich. Ich will nicht einsehen, dass es zuviel ist und versuche alles so gut als möglich zu erledigen. Wenn ich entspannt bin, kann ich mir Fehler verzeihen. Da ich momentan aber gestresst bin, reagiere ich sehr empfindlich auf die kleinste Unzulänglichkeit und bin sehr streng zu mir. Das Selbstbild ist entsprechend ziemlich im Keller.

Seit zwei drei Monaten plagen mich Albträume. Teils wache ich erschöpfter auf, als ich ins Bett bin. Einige der Träume sind inhaltlich unklar und schwer in Worte zu fassen, emotional aber höchst belastend (ich wache auf, habe Angst oder fühle mich müde, habe aber nur verschwommene Bilder vor Augen). Andere Träume handeln klar von Dingen wie dem abgesagten Mastek-Termin, schlechtem Passing und ähnlichen Themen. 

Arbeit ist momentan extrem chaotisch. In den vier Jobs muss ich sehr viel jonglieren. Keine der vier Aufgaben will ich missen, überall tue ich Dinge, auf die ich stolz bin und die mir gefallen, und zeitlich ist es problemlos zu stemmen. Aber das ändert nichts daran, dass es einfach sehr kompliziert ist, das alles unter einen Hut zu kriegen und immer wieder umzuorganisieren, da ich keine festen Zeiten habe und ständig umplanen muss. Sehr anstrengend! Und, wie gesagt: ich gönne mir keine Fehler. Ich weiß, dass man Fehler machen darf und niemand perfekt ist, aber erwähnte ich schon Depression, Reinstürzen in die Arbeit und umso perfekter werden? Ganz fiese Kombi!

Einige Monate nach dem Tod meines Vaters (zum Trauern war einfach keine Zeit, weil ich einen Tag nach seinem Abschied den neuen Job anfing) habe ich mich langsam wieder aufgerafft und hatte das Gefühl, aus meinem Tief wieder raus zu sein. Und dann zack das nächste, der OP Termin wurde abgesagt. Anfangs habe ich versucht mir klarzumachen, dass es für irgendwas gut ist. Mich abzulenken. Geduldig zu sein. Das ist jetzt mehrere Wochen her, noch immer wurde keine neue Klinik gefunden, seine Patienten hängen in der Luft. Und je länger es dauert, desto mehr kreisen meine Gedanken und malen sich das Schlimmste aus. 

Inzwischen habe ich wirklich Angst. Ich bin überzeugt von diesem Arzt und will keinen anderen. Aber ich will auch nicht ewig warten und dann womöglich in einem halben Jahr nutzlosen Wartens erfahren, dass er zukünftig nur noch privat operieren wird. Wenn ich unter der Dusche stehe, mich umkleide, abends zu Bett gehe, ständig sehe ich meinen Körper und immer wieder denke ich an den Termin. Sobald ich meinen Gedanken auch nur eine Sekunde abzuschweifen erlaube, denke ich nur noch an die OP und habe Angst. Also stürze ich mich immer mehr in die Arbeit, um nicht nachdenken zu müssen. Entspannung ist fast nicht möglich, denn sobald ich mich auf ein Buch oder einen Film konzentriere, rutscht die OP wieder in mein Blickfeld ... diese OP war für mich der Punkt, an dem ich mir selbst gesagt habe "wenn das durch ist, hab ich geschafft was ich wollte, der Rest hat Zeit oder ergibt sich". Das ist, als würde die Oase in der Wüste sich als Fata Morgana herausstellen, alles verloren, ...

Dass ich ein Jahr lang unterdosiert war mit Testo, ist auch nicht schön. Ich hatte ein Jahr lang Hormonchaos, denn unabhängig von der Dosis bedeutet das natürlich eine Umstellung für den Körper, sodass ich Rückenschmerzen, Kreislaufbeschwerden, Hitzewallungen und sonstige unschönen Nebenwirkungen hatte. Ja, ich habe Veränderungen gespürt, und ich war happy über jede Einzelne. Aber trotzdem könnte ich jetzt vielleicht schon sehr viel weiter sein. Könnte vielleicht meine Stimme schon männlich klingen, könnte ich mehr Haare im Gesicht haben. Ob Fakt oder Hoffnung wird sich bald zeigen, und ich will mich nicht verrückt machen mit "was wäre gewesen wenn", trotzdem ist dieser Gedanke schwer aus dem Hirn zu verbannen und nagt. 

Tja, und jetzt geht das wieder los, Präparat gewechselt, ich vertrage es super, aber die Umstellung ist trotzdem eine Belastung für den Körper und führt zu einigen lästigen Nebenwirkungen. Ich hoffe inständig, dass endlich DIE Veränderungen geschehen, die mich sicht- und hörbar für andere vermännlichen lassen. 

Denn immer noch als Frau gelesen zu werden kostet Kraft. Und ich schwanke zwischen Heulen und Aggression. Niemand kann etwas dafür, ich kann einfach nicht wütend sein auf andere. Aber inzwischen beiße ich mir bitterböse auf die Zunge, wenn jemand mich als Frau anspricht. Muss mich beherrschen, nicht mit einem fiesen Spruch zu kontern, patzig zu reagieren und aggressiv zu werden. Oder wegzurennen und mich heulend hinter der nächsten Ecke zu verkriechen. Manchmal hab ich das Gefühl, ich schaff das nicht länger. Durch meine Jobs und meine Hobbies bin ich ständig auf Achse, jeden Tag zigfach unterwegs, habe täglich unzählige Kontakte mit anderen Menschen und bin ständig dem kritischen Blick von Passanten, Verkäufern, Kunden, Mitfahrern, Sportlern usw ausgesetzt ... 

Training ist auch so ein Ding. Ich gehe momentan eher unregelmässig. Teils aufgrund mangelnder Motivation, teils aufgrund von Zeitproblemen. Meine Arbeit hat Priorität, ebenso das Ärztegerenne, logisch. Aufgrund von unzuverlässigen Kunden oder notwendigen Arztterminen kann ich leider nicht alle Termine für das Training freihalten. Aber ohne festen Rhythmus kann ich mich nicht aufraffen. "8 Uhr geht nicht, also gehe ich nach der Arbeit um 16 Uhr" schaffe ich nicht, da blockiert mein Hirn. Klingt für manche seltsam, aber ich brauche fixe Termine, sonst schaff ich mein Training nicht. 

Und die Motivation fürs Training - puh, leider sehr gering. Momentan ist es eine Notwendigkeit (um die ich mich manchmal auch drücke). Weil ich weiß, dass es meinem Körper gut tut und ihn in die gewünschte Richtung formt. Und weil ich weiß, dass wenn ich eines Tages wann auch immer operiert werde die Muskeln gut brauchen kann für eine gute Wundheilung und ein schönes Ergebnis. Aber dass die OP gestrichen wude fühlt sich an wie "scheiße, alles worauf ich hingearbeitet habe ist weg, also was solls, ich hör auf, ich quäl mich doch nicht dreimal die Woche für nichts". Ich fühl mich wie Sisyphos, dem kurz vor dem Berghügel der Stein wieder nach unten rollt.

Außerdem erwähnte ich bereits die Hormon-Umstellung. Es macht keinen Spaß zu trainieren, wenn der Rücken so weh tut, dass ich kaum aufrecht gehen kann. Und wenn ich schon nach der ersten harmlosen Übung (die eigentlich Spaß macht) so durchgeschwitzt bin, dass mein Shirt klebt. Mein Kreislauf jammert schon bei geringer körperlicher Belastung, selbst das Fahrradfahren heute war echt anstrengend (eine kurze easy Strecke ohne jegliche Herausforderung). Dank Binder wird das körperliche Engegefühl und Unwohlsein so richtig omnipräsent, sobald ich die Muskeln anspanne. Die Brust zu ignorieren wenn es ständig drückt ist auch nicht leicht.

Und dann steh ich bei ´ner Übung, drücke den Rücken durch, präsentiere meine Brust, die trotz Binder für alle gut sichtbar ist in diesem Moment. Und dann denke ich sofort wieder an die abgesagte OP, fühl mich von allen beobachtet (ja, das ist nur im Kopf, aber es ist mein Kopf, und der ist in dem Moment sehr präsent), fange an meinen Körper mal wieder zu hassen und würde am liebsten alles hinschmeißen und heulend aus dem Studio rausrennen. 

Etwas anderes noch: ich habe fast nur positive Rückmeldungen auf mein Outing erlebt. Dennoch gibt es eine Person, die mir den Rücken gekehrt hat. Eine Person, die in meinem Leben eine sehr wichtige Rolle spielt(e). Und obwohl ich mir immer wieder sage, dass ich froh sein kann dieses Kapitel endlich abzuschließen - es tut weh. Es tut einfach weh, wenn ein geliebter Mensch nicht anerkennt, dass Tochter / beste Freundin / Schwester nicht  gestorben ist sondern einfach zu Sohn / Freund / Bruder wurde. 

Und dann wäre da noch die Sache mit der Epithese. Dieser Kampf mit der Krankenkasse zieht sich jetzt schon seit September hin. Ein halbes Jahr. Das ist sehr zermürbend. Und genau das ist es, worauf man vermutlich hofft: dass ich einfach aufgebe, weil ich keine Kraft mehr habe. Aber ich weigere mich aufzugeben! Ich werde nicht zulassen, dass die Bürokratie mich aufreibt, aber das könnte ein Pyrrhus -Sieg werden ...

Ja, es geht viel voran. Im Job, privat und überhaupt. Und ich halte mir genau das immer wieder vor Augen. Denn man zieht das an, worauf man sich fokussiert. Wie beim Autofahren, wenn man auf die Gegenfahrbahn oder den Baum am Straßenrand guckt, dann driftet das Auto wie von selbst ab und man landet im Graben. Das ist kein hohles Gerede, wenn ich sage "ich bin dankbar" oder "es läuft gut". Ich meine das wirklich ernst. Die andere Seite (beschissenes Passing, Angst wegen der abgesagten OP, Nebenwirkungen Hormontherapie, fehlende Motivation usw) sehe ich sehr wohl. Rede mit Freunden darüber und habe Leute, bei denen ich mich auskotzen darf. Habe meinen Therapeuten. 

Wenn ich Zeit habe, dann ergehe ich mich auch mal in düsteren Gedanken. Oder rede mit jemandem darüber. Aber ich will mich nicht darauf fokussieren. Sondern ich möchte den Blick auf meine Ziele richten und das, was ich erreichen möchte und bereits erreicht habe. 

Vielleicht ist das der Grund, warum manche Menschen denken, dass alles positiv läuft? Hoffe, ich habe hier mal genug gejammert, damit Außenstehende sehen, dass nicht alles so rosig ist, wie es scheinen mag, nur weil ich mich bewusst auf Erfolg, Dankbarkeit und Zufriedenheit konzentriere ... 

2heartedman 20.03.2017, 18.40

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Hiltrud

Hi Sascha... ja das hört sich alles sehr anstrengend an. Kein Wunder dass Dir das an die Substanz geht. Du stehst stark unter Druck, von außen, aber auch durch Dich selbst. (((Druck rausnehmen, Prioritäten setzen, Dinge weglassen - jaaa, weißt Du selbst, und ich nerve Dich vermutlich)))) Kein Wunder, dass sich das körperlich und seelisch bemerkbar macht. Kann Dir überhaupt jemand helfen? Oder kannst Du das nur selbst (s.o. ((())))? Doch ja, wenn sich die Umstände änderten. Hm. Schwierig. Das lässt auch mich als Leser ratlos zurück. Mir fällt jetzt auch gar kein guter Schluss ein. Na gut vielleicht der: Lebe lang und in Frieden.

vom 20.03.2017, 21.05
Antwort von 2heartedman:

Gut erkannt, da kann mir keiner helfen. Weil, ich mag mein Leben und will es gar nicht anders und würde es exakt wieder so tun. Aber es strengt halt an, da muss ich durch. Und für die anderen Dinge kann keiner was, also kann auch keiner was ändern. 

Gibt ´nen Spruch, der hart aber wahr ist: "wenn Du endlich die Antwort hast, ändert das Leben die Frage". Momentan brauch ich halt ein bisschen länger für die Antwort. Aber wenn ich mit diesem Kack hier alles durch bin, kommt danach wieder das nächste. Also was soll´s ... 

Live long and proser / lebe lang und in Frieden ist für nen Trekkie immer gut ... das motiviert ein bisschen, danke *smile*