two hearted man
Interne Seiten
RSS 2.0 RDF 1.0 Atom 0.3
2024
<<< April >>>
Mo Di Mi Do Fr Sa So
01020304050607
08091011121314
15161718192021
22232425262728
2930     
Statistik
Einträge ges.: 1238
ø pro Tag: 0,4
Kommentare: 263
ø pro Eintrag: 0,2
Online seit dem: 05.12.2014
in Tagen: 3430

Ausgewählter Beitrag

Trans Tagung in München 2016

Jetzt rede ich in einzelnen Beiträgen immer wieder von der Tagung in München. Aber wirklich davon erzählt habe ich noch nicht. Weil, zugegeben, ich finde es auch nicht leicht. Vier Tage fand sie statt, zwei Tage habe ich besucht. Viel erlebt, viel gesehen, zu komplex, es in einem einzigen Beitrag zusammenzufassen. Damit Ihr wenigstens erahnt, wovon ich rede, werde ich es zumindest einmal versuchen ;-)


Es war die 10te Trans*Tagung in München ihrer Art. Vier Tage voller Aktionen, Demonstrationen, Workshops, Unternehmungen, Gespräche, Begegnungen, Fachvorträge. Das ganze fand auf einem großen Gelände statt, und obwohl es sehr viele Teilnehmer waren, hat sich die Menge der Leute gut in den einzelnen Räumen (Caféteria, Rückzugsorte, Tagungsräume, Workshops, Verkaufsraum usw) verteilt, es blieb daher angenehm übersichtlich. 

Ich war nur am Samstag und Sonntag dort, aber das war auch ausreichend, denn es waren sehr viele Eindrücke und Erlebnisse und Erfahrungen und Begegnungen. 

Was mich sehr freute, waren einige der Begegnungen. Ich traf zwei Personen, die durch ihre Auftritte in der Öffentlichkeit für mich eine Art Vorbild sind, und ich freute mich über die Gespräche (witzig vor allem, dass ich es in einem der beiden Fälle erst zu Hause feststellte, als ich die Email-Adresse googelte. Das kommt davon, wenn man gesichtsblind ist - Du hockst jemandem gegenüber, den Du schon immer mal kennenlernen wolltest und merkst es nicht einmal. Auch die andere Person erkannte ich nicht am Gesicht sondern an einem markanten Tattoo *rofl*). Außerdem traf ich ein paar Leute aus dem Forum, die ich von Beginn an recht sympathisch fand. Es war schön, endlich einmal Stimme und Gesicht mit den Avataren zu verbinden. Die Begegnung mit Sofia (ich schrieb über sie bezgülich ihrer Epithesen) freute mich ebenfalls, sie ist sehr sympathisch, und ich hoffe, dass mir die Kasse das bewilligen wird. Und ich lernte neue Leute kennen, vielleicht bleibt man in Kontakt, das wäre nett. 

Vormittags und nachmittags gab es am Samstag zwei Workshops, am Sonntag gab es jeweils einen. Ein, zwei Workshops fand ich nicht so bereichernd für mich. Lag daran, dass es teilweise extrem voll war, und Diskussionsrunden und Gruppenarbeiten werden einfach unübersichtlich, wenn 50 Leute in nur zwei Stunden alle ihre Gedanken zu einem Thema teilen wollen und der Moderator noch ungeübt ist. Trotzdem waren sehr inspirierende Gedanken dabei. 

Ein anderer Workshop war sehr voll, doch der Leiter war Profi und hatte die Masse sehr gut im Griff, er behandelte Vorurteile, Klischees und Denkmuster rund um Männlichkeit, und ich konnte mich dabei immer wieder selbst sehr gut hinterfragen. 

Ich besuchte auch zwei Workshops zu Themen für schwule Trans*Männer. Gut, ich bin zwar pan, aber das zu erklären ist recht umständlich, also belasse ich es meist bei "schwul". Die schwule Community ist eine Welt für sich, in die ich durch Freunde hier und da bereits theoretisch Einblick erhalten habe, die ich aktiv aber noch nicht kennenlernen konnte. Auch aus Angst, abgewiesen zu werden und als "defekter Mann" oder "unvollständiger Mann" ausgelacht zu werden. Die Workshops wurden geleitet von einem Cis-Mann (geborenes und empfundenes Geschlecht stimmen überein), und er hat das großartig gemacht. Ich habe sehr viel Neues erfahren, konnte einige Vorurteile abbauen, Ängste überwinden. Und was zwar nicht Ziel des Workshops war, für mich aber ein sehr guter Nebeneffekt: ich konnte ein neues Selbstvertrauen aufbauen, wie ich als Mann ohne Penis-Aufbau dennoch anerkannt werden, sicher auftreten und sogar noch damit punkten kann vor anderen Männern. 

Einen Vortrag rund um Mastektomie (weibliche Brust entfernen, männliche Brust aufbauen) habe ich auch besucht. Das war sehr aufschlussreich und interessant, und zum Glück war ich auf Bilder in Kinogröße mit blutigen Details vorbereitet, sodass ich mich danach zwar etwas bleich fühlte und gierig einen Kaffee trank, aber dennoch nicht allzu aufgewühlt war. Es hat mich bestätigt, dass ich in dieser Klinik meine OP nicht machen werde. Ich hatte den Eindruck, dass manches schöngeredet wurde, und einige Antworten auf Fragen wirkten auf mich ausweichend oder unangennehm. Wobei natürlich jeder Trans*Mann andere Voraussetzungen hat und es für andere eine sehr gute Möglichkeit dort ist. Für mich allerdings konnte ich es ausschließen. Dafür habe ich aber einige Anregungen erhalten, was ich beim nächsten Vorgespräch in der Klinik mit dem Arzt besprechen sollte, also perfekt als Vorbereitung! 

Zwischen den Workshops gab es immer kleinere Pausen, in denen man einiges erledigen oder sich verabreden konnte. Und bei der Anmeldung erhielt man auch Essensmarken. Anfangs dachte ich ja "prima, da zahl ich für etwas, das mir eh nix bringt". Aber dann sah ich, dass die FoodTrucks alle vegetarisch waren, und fast alles davon war sogar vegan! Ich wusste mittags gar nicht, was ich zuerst kosten sollte! Chili, Daal, Lassi, Süßkartoffelchips, Gemüse-Wraps, Crepes, Pfannkuchen, viele weitere Leckereien. Finde ich toll, dass sie darauf geachtet haben, so musste sich niemand ausgeschlossen fühlen, sei es Veganer, Allergiker oder Moslem. Überhaupt war das gesamte Umfeld sehr aufgeschlossen, auch bezüglich Herkunft, Nationalität, das Thema Flüchtlinge war am Freitag auch Thema gewesen, denn auch da gibt es ja eine bunte Regenbogencommunity. 

Es gab auch einen Shop von TransToys. Dort gibt es Binder, Packer, Pinkelhilfen, DVDs, Fachliteratur und sonstige Hilfsmittel für Trans*Männer. Fand ich klasse, die Sachen mal nicht nur online zu sehen sondern auch real anfassen zu können bzw die Größenverhältnisse und Materialien zu sehen. Man durfte Klamotten anprobieren, und Fragen zu verschiedenen Anliegen wurden kompetent beantwortet. Naja, ich habe alles, was ich brauche, daher habe ich nichts gekauft, trotzdem fand ich es spannend, mir das Sortiment einmal live anzusehen :-)

Die Toiletten waren getrennt in "mit Urinal" und "ohne Urinal", und es war simpel. Es war also völlig egal, wer welche Tür wählte. Eine sehr schöne Variante, mit der ich mich sehr wohl fühlte. Und ich muss auch sagen, dass dafür, dass es so viele Leute waren, alles auch insgesamt sehr sauber wirkte. Angenehm :-)

Ich war mit einem Kumpel dort. Wir fuhren Samstag früh los und Sonntag Nachmittag heim. Tagsüber zwischen den Vorträgen (wir besuchten die Veranstaltung mit unterschiedlicher Zielsetzung) trafen wir uns manchmal, tauschten uns aus. Am Samstag nach der Veranstaltung spazierten wir noch durch München, waren Pizza essen und gingen dann in unser Hotel. Es war cool, wie damals im Schullandheim: man liegt im Bett, will schlafen, aber am Ende quatscht man im Dunkeln noch stundenlang, bis die Augen zufallen. Und, weil wir ja ein gemeinsames Thema teilen und fast zeitgleich angefangen haben, war es auch richtig spannend, mal ein bisschen zu vergleichen, ganz ohne Scheu, ein bisschen Muskelvergleich, gegenseitig "Bartstoppeln" begutachten, mal face to face über ein paar Dinge austauschen, wo man sonst nicht so gerne mailt und was direkt einfach angenehmer ist. Tat gut, danke :-)

Alles in allem war ich sehr zufrieden und habe mich wohlgefühlt an diesen beiden Tagen. Ich hatte anfangs die Befürchtung, dass die vielen Menschen zu einer Überreizung führen und ich das Gelände gelegentlich verlassen muss. Hatte Sorge, dass ich einen Workshop mittendrin abbrechen muss oder es nicht ertrage und mich nur noch im Hotel verkrieche. Oder dass ich gar mitten zwischen den Leuten einen meiner Panikanfälle bekomme und völlig austicke, omg! Aber ich habe super durchgehalten. Meine Filter haben prima mitgemacht, ich konnte mich gut vor ungewollten Eindrücken schützen und habe sehr viele positive Dinge in mich aufgenommen. 

Auf der Heimfahrt fühlte ich mich gelassen, satt und zufrieden. Alle Befürchtungen waren umsonst. Und ich habe weit mehr erfahren dürfen, als ich zu hoffen gewagt hatte. Nach dem letzten abschließenden Workshop fühlte ich mich selbstsicher und ruhig, konnte mich auf eine neue Weise selbst annehmen. Das war ein perfekter Abschluss, und ich bin gestärkt nach Hause zurückgekehrt. 

2heartedman 15.05.2016, 14.30

Kommentare hinzufügen

Die Kommentare werden redaktionell verwaltet und erscheinen erst nach Freischalten durch den Bloginhaber.



Kein Kommentar zu diesem Beitrag vorhanden