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Thematischer Jahresrückblick 2020

Chronologischer Rückblick ist nett, aber manches geht dabei unter oder wird unübersichtlich über die Monate verteilt. Weil für mich 2020 ein recht wichtiges Jahr war, möchte ich das noch einmal thematisch ordnen, damit ich den Überblick behalte.


FAMILIE

Zu  meiner Familie habe ich ja generell eher sehr wenig Kontakt. Wir wohnen alle verstreut, und jeder will seine Rume vom Rest der Bagage. Wir halten zwar zusammen, aber keiner hat Lust auf große Zusammenkünfte oder irgendwelche ollen Rituale. Über WhatsApp habe ich tatsächlich inzwischen mehr und besseren Kontakt als früher ohne. Es ist für unsere Familie optimal: man hat Abstand, geht sich nicht auf den Keks, aber zwischendurch kann man mal Hallo sagen. Finde, inzwischen haben wir da eine recht gute Balance (naja, zu den Menschen, die mir wichtig sind. Die ganze riesige Mischpoke wäre zuviel und will eh keiner von uns).

Für Schatz hieß es eher Abstand zur Familie. Wir fahren ja gelegentlich hin, besuchen sie, war in diesem Jahr natürlich nur eingeschränkt möglich. Aber auch da gibt es WhatsApp, Fotos, Telefonate, die heutige Zeit bietet viele Möglichkeiten. Klar war die Familie etwas enttäuscht. Aber für uns beide war es recht entspannt, denn so schön es auch sein mag, ist es trotzdem immer ein gewisser Aufwand (und kostet ein ganzes kostbares Wochenende, das wir normalerweise nach der Arbeit zur Regeneration für uns benötigen).


NETZWERK, FREUNDE, BEKANNTE, NACHBARN

Obwohl es überall Einschränkungen gab, konnte ich mein Netzwerk gut pflegen. Hier und da waren zwischendrin mit Abstand und Maske kleinere Treffen in der Community möglich. Und ansonsten gab es halt Videokonferenzen (nicht mein Ding, daran habe ich mich fast nie beteiligt), Whatsapp, Rundmails. Es fand weniger statt, also war auch weniger zu besprechen bzw wurde jeweils vertagt. 

Besonders in der Nachbarschaft haben wir uns gegenseitig sehr gut unterstützt. Hier Hilfe bei Handwerkskram, bei Haushaltsarbeiten, beim Einkaufen, bei Erledigungen, das lief sehr gut. Ich spürte, dass ich mich auf die Leute verlassen kann, und im Gegenzug habe ich auch hier und da ausgeholfen. Meine Nachbarschaft mochte ich schon immer, aber dieses Jahr ist sie mir ganz besonders innig ans Herz gewachsen. 

Im Kollegenkreis habe ich einige Kontakte intensiviert. Waren zusammen Wandern, haben gemeinsam gekocht und gegessen, Nachrichten ausgetauscht. Wenn man sich kurz wegen etwas Dienstlichem telefonierte, wurde es oft ein langes privates Gespräch. Es ist für mich der erste Job, in dem ich tatsächlich mehrere Kollegen bewusst in mein Privatleben lasse, bisher war das immer ein absolutes Tabu für mich. Hier aber passt es wunderbar und ist eine große Bereicherung, für die ich sehr dankbar bin.

Schön finde ich, dass mein Ex und ich dieses Jahr einen wirklich sehr guten Kontakt hatten. Hatten wir nach der Trennung eigentlich beständig, aber es gab auch Zeiten mit längerer Pause, die waren wohl nötig zum Verarbeiten der gegenseitigen Verletzungen. Aber inzwischen schreiben wir recht oft, telefonieren mal, treffen uns zum Filmabend oder gehen gemeinsam spazieren. Und wir sehen uns häufig in der VR zum gemeinsamen Zocken oder eben dort für einen Filmabend. Meist planen wir nur eine kurze Zeit an und hängen doch dann stundenlang zusammen. Ich freue mich, dass dieser Kontakt so gut hält und bin sehr dankbar dafür. Denn wir teilen Dinge, die ich mit anderen Leuten nicht in diesem Ausmaß besprechen kann an Intimität oder gemeinsamen Interessen, und in der Zeit mit längeren Pausen hat mir das doch oft gefehlt. Schön, dass das wieder da ist :-)


BERUF

Es lief wirklich prima. Klar gab es Startschwierigkeiten, weil niemand etwas Genaues wusste. Anfangs war es schon stressig: heute hü, morgen hott. Das werfe ich aber nicht dem Arbeitgeber oder der Leitung vor, denn die haben ihr Bestes getan und alles sehr transparent für die Mitarbeiter und Kunden gestaltet. Als dann endlich klar war, was erlaubt und was verboten ist, bekamen wir freie Hand, um in Eigenverantwortung zu entscheiden und die Kunden individuell zu betreuen. Das hat meine Arbeit sehr, sehr erleichtert. In manchen Fällen bin ich auf Telefonate ausgewichen, in einem Fall habe ich weiterhin Hausbesuch unter besonderen Auflagen gemacht, in den meisten Fällen war ich einfach ganz viel gemeinsam spazieren. 

Unser Team ist sehr bunt, wir haben Leute aus unterschiedlichsten Fachgebieten, sodass jeder seinen Teil beitragen konnte und wir dadurch ganz schnell ein Onlineteam auf die Beine gestellt haben, noch bevor andere Arbeitgeber überhaupt wussten, wie sowas funktioniert. Das ist für mich noch immer ungewohnt, ich mag es nicht wirklich, aber immerhin hat man Kontakt und kann sich austauschen. Obwohl ich Präsenzteam bevorzuge, genieße ich schon den Luxus, mir diesen zusätzlichen Arbeitsweg ins Büro zu sparen. 

Ich bin sehr dankbar, dass wir mit allem versorgt werden. OP- und FFP2-Masken, Desinfektionsmittel. Niemand muss Rechenschaft ablegen, wieviel wir benötigen, denn durch das individuelle Arbeiten hat jeder einen unterschiedlich hohen Bedarf, man vertraut uns, dass niemand betrügt oder abzweigt, und das läuft sehr gut. Auch sonst hatten wir Freiheiten: wir mussten uns nicht rechtfertigen, wenn wir Schnupfen hatten oder den Kunden für unsicher hielten (wir müssen ja auch uns schützen und sind nicht verpflichtet, uns in riskante Situationen zu begeben) oder jemand Kinder betreuen musste. Es wurde einfach erwartet und vorausgesetzt, dass jeder gibt, was möglich ist und dabei weder sich selbst übervorteilt noch sich selbst an den Burnout treibt. Unser Team ist klasse, und es hat hervorragend funktioniert, man hat auf sich geachtet, sich gegenseitig unterstützt. 

Schon von Beginn an war ich dankbar für meinen Arbeitgeber und das Team, aber gerade jetzt in Corona-Zeiten hat sich gezeigt, wie verdammt gut das alles funktioniert. Sollte ich wieder einmal in einer Situation sein, ein Bewerbungsgespräch führen zu müssen, werde ich eindeutig fragen, wie das alles während Corona gehandhabt wurde und was man getan hat, um die Mitarbeiter zu schützen und stärken.

Streetwork fiel leider weitgehend aus. Schon vor dem Lockdown war es in den Kneipen sehr still und einsam. Und bevor es dann offiziell wurde, haben wir uns bereits entschieden, das dichte Gedränke in den Locations zu meiden. Auch, als Kneipen und Bars wieder öffnen durften, war es sehr schwierig: die Wirte waren mit dem Hygienekonzept so beschäftigt, dass gar keine Zeit für unsere sonst üblichen Gespräche war. Und zu den Gästen an den Tisch ging ja auch nicht. Also alles sinnlos, wir ließen es bleiben.

Wir hatten ein paarmal Austausch via Mail und einmal im Arbeitskreis, anderen Streetworkern ging es genauso. Die Probleme wurden immer größer, Anlaufstellen waren beschränkt oder geschlossen. Gerade in niedrigschwelligen Angebote war es wirklich schwierig: die Pflicht zur Angabe von Daten erschwerte es zusätzlich: Obdachlose ohne Wohnort und Handy, polizeilich gesuchte Junkies, die können oder wollen sicher alle nicht ihre echten Daten hinterlassen. Hungernde und Frierende abweisen zu müssen wegen "wir sind voll, wegen Abstand darf keiner mehr rein" ist verdammt hart. Viele behaupten ja, Corona mache alle gleich, aber das ist absoluter Bullshit, und die Armen, Schwachen, Kranken, Süchtigen, Obdachlosen, Behinderten, sonstigen Randgruppen litten umso mehr. Wer in seinem großen Haus sitzt, die Vorräte voll hat und über digitale Kontaktmöglichkeiten verfügt, körperlich und psychisch gesund ist, der darf sich gerne einbilden, er litte unter den "Beschränkungen" genauso wie diejenigen, die es wirklich richtig hart getroffen hat. First World Problems! 

Tja, und das Ehrenamt an Schulen konnte man total knicken. Nix mit Gruppenarbeit, Workshops und großen Veranstaltungen. Schade. Klar kann man das Konzept überdenken und überarbeiten, aber das war nicht meine Aufgabe und stand in der Priorität auch hinter anderen Dingen zurück vorerst. 


QUEERE SZENE

Arbeitskreise, Workshops in Schulen und Streetwork gehören auch zur queeren Szene, darüber habe ich im Bereich Beruf ja bereits geschrieben. 

Der CSD fiel dieses Jahr anders aus als gewohnt, aber ich fand die neue kreative Idee sehr schön. Überhaupt mag ich den Zusammenhalt der Szene in unserer Region und bin dankbar dafür, dass alles so reibungslos läuft. 

Ich bin kein Mensch für Gruppen, Veranstaltungen, Treffen. Dachte ich. Und so oft und so viel brauche ich auch nicht. Aber ein paar queere Abende haben mir schon gefehlt. Das ist einfach ein Safe Space, wo ich ganz offen reden kann, wo ich mich nicht verstecken oder verstellen muss, wo man mich kennt und wo ich für meine Bemerkungen nicht schräg ansehen werde sondern Verständnis ernte. Wo ich anderen Neulingen helfen kann auf ihrem Weg, wo andere mir ihre Erfahrungen mitteilen und mich unterstützen. 

Gut, ich bin für mich selbst inzwischen stabil und komme gut ohne Unterstützung klar. Aber gerade für die, die noch auf der Suche sind oder diesen Safe Space brauchen als Ausgleich für ein queerfeindliches Umfeld, war es ein harter Schlag. Gerade im Lockdown, wenn womöglich ein frisch geouteter junger Transmann mit seiner Familie zusammensitzt, die seinen neuen Weg und ihn ablehnt. 

Ich freue mich, wenn ich endlich wieder auf queere Lesungen kann, wenn Vernetzungstreffen stattfinden, wenn Filmabende organisiert werden, wenn ich auf ein Picknick gehen kann und wenn ich auf eine Party gehen werde und mit Freunden abends in meiner Lieblingskneipe sitze. Hätte nie gedacht, dass ich sowas mal sagen würde, aber fast ein Jahr ist schon ganz schön lang, und voraussichtlich wird es noch länger. 

Ich werde, wenn es wieder erlaubt ist, sicher nicht rausstürmen und alles nachholen und eine Megaparty feiern, das wäre mir zu stressig. Mir graut schon davor, wenn all meine Freunde, Bekannten, Vereine und Gruppen dann schreien "jaaa, endlich, jetzt sofort am besten noch heute", das wird mich überfordern. Schön eines nach dem anderen, nach und nach. Aber ich freue mich, endlich wieder queere Szene zu erleben und Gemeinschaft zu fühlen.


SPORT

Sportlich hat sich dieses Jahr viel getan. Im Studio war ich schon vor Corona länger nicht mehr: das Hinfahren, der Aufwand. Ich bin weniger Kunde als vielmehr Sponsor, könnte man sagen. Als ich dort anfing, war es verdammt wertvoll und wichtig für mich, weil ich unter fachlicher Aufsicht und mit kompetenter Anleitung meinen Körper schrittweise von den Zehen bis zur Haarspitze kennenlernte. Sie haben mich während der Transition begleitet, wofür ich sehr dankbar bin. Aber seit ich weitgehend mit meinem Körper im Reinen bin, wurde ich recht studiomüde. 

Kraft ist wichtig und nötig, das vernachlässige ich gerne. Es lag also nicht nur an Corona, dass ich anfing, auch zu Hause ein bisschen mehr in diese Richtung zu machen. Bodyweight ist das Zauberwort. Ich mache es nicht professionell, auch nicht regelmässig, sollte wohl mehr und zuverlässiger tun. Aber besser zu Hause unregelmässig ein bisschen als im Studio gar nichts. 

Die VR Brille hat all dem noch einen gewissen Kick gegeben: ich bin Wanderer mit Leib und Seele, von Kind an, noch nie ein Auto besessen und alles zu Fuß. Den Oberkörper dagegen vernachlässige ich schon sehr. Seit ich aber die Brille habe, spiele ich voller Begeisterung die Sportspiele:

Da hacke ich Würfelchen mit einem Lichtschwer in alle Richtungen, das trainiert die Oberarme und ist vor allem verdammt gut für meine damals durch den Unfall geschwächte Schulter. Ich kämpfe mit Stöcken und Schwertern gegen Ninjas und wende ordentlich Kraft dabei an, die Bewegungen und Wucht ähneln manchmal sogar schon fast dem Holzhacken. Ich weiche Mauern aus und bewege meine Arme, slide von links nach rechts und muss mich ducken, aufspringen. Ich folge der Bewegung von Bällen und schwinge im Rhythmus der Musik den Körper und die Arme. Ich imitiere Tanzbewegungen und bewege den gesamten Körper. Kurz gesagt: ich verbringe haufenweise Stunden, in denen ich entweder meine Arme, oft auch den gesamten Oberkörper oder meinen kompletten Body so richtig auspowere und an die Grenzen bringe. 

Seit ich den Fitness-Tracker habe, kann ich auch den Pulsbereich recht gut überwachen und bin baff, dass ich mit so einem Training ("Game" wäre untertrieben) tatsächlich oft bessere Erfolge habe, als wenn ich mich notgedrungen mit irgend etwas abrackere, das mir keinen Spaß macht und ich nur aus Pflichtgefühl absolviere. Ich gebe vor allem bei Beat Saber Expert+ Modus wirklich alles, und nach eineinhalb Stunden (die sich anfühlen wie 10 min) habe ich ziemlich viel geleistet.

Während ich einen Film ansehe oder eine Folge Simpsons genieße, begebe ich mich auf den Trampolin. Mal gemütliches Schwingen zum Ausklang des Tages und um meinen Rücken und die belasteten Gelenke etwas zu verwöhnen. Manchmal auch richtig hartes Ausdauertraining mit Puls im Höchstbereich oder forderndes HIIT mit schnellerem und langsamerem Tempo im Wechsel. Gelegentlich kommt es auch vor, dass ich eineinhalb bis zwei Stunden vor mich hinjogge. Auch hier im Wechsel, sodass ich vom Puls her einige Male in den Bereich von 90 bis 100 Prozent komme und sogar Freude daran habe. Seit der Uhr sehe ich die Erfolge und bin noch motivierter als eh schon.

Joggen habe ich einige Male versucht. Ich war baff, dass ich ohne Training von 0 auf 7 km bin in einer für Anfänger nicht schlechten Zeit. Früher war ich nach 300 m so platt, dass nichts mehr ging. Und jetzt bin ich einfach losgelaufen, um den See und noch weiter, fast ohne Pause, ohne Atembeschwerden, ohne Muskelkater. Das hat mich sehr gefreut und ein bisschen stolz gemacht. Wenn ich die Jogger unter meinem Fenster laufen sehe, packt mich nämlich immer das schlechte Gewissen und ich fühle mich faul und träge, wenn ich nur ein bisschen auf den Trampolin gehe. 

Aber, seit dem Tracker weiß ich ja, dass ich alles andere als faul bin und das, was ich als Freizeit, Game und Entspannung bezeichne tatsächlich ein effektes Training ist. Deswegen quäle ich mich auch nicht weiter. Ab und zu, wenn mir aus irgendeinem masochistischen Grund danach ist, laufe ich ein paar km. Aber meistens finde ich den Gedanken daran viel zu gruselig, und dann setze ich meine Brille auf oder mache den Fernseher an und powere mich richtigi aus.

Auf dem Trampolin kann ich auch einige Kraftübungen machen, außerdem nutze ich gelegentlich auch die Therabänder. Wobei "kann ich machen" und "nutze gelegentlich" ehrlicherweise so viel bedeutet wie "ich könnte und weiß, dass ich sollte, und manchmal tue ich sogar so, als ob". Also, kurz gesagt: in Sachen Kraft muss ich einfach etwas mehr Disziplin aufbringen. Wobei ich mich bzgl Kosten und Nutzen frage, ob ich das aus falschem Ehrgeiz will, oder ob es eigentlich unnötig ist und ich eh fit genug bin. Das wird mir wohl niemand beantworten, das muss ich mit mir selbst klären. Aber nicht heute ;-)

Und ja, das Wandern. Oft um die 30 bis 40 km alleine oder mit Bekannten, einmal 57 und einmal exakt 100. Das war eine verdammt spannende Erfahrung, und ich will und werde diese Erfahrung noch oft machen. Dazu habe ich ja hier im Blog schon ausführlich geschrieben. Es wird vom Veranstalter beworben als "die Challenge Deines Lebens". Nun ja, so würde ich es nicht nennen. Ja, ich war danach müde und platt. Aber das bin ich, wenn ich 24 h nicht geschlafen habe, auch ganz ohne Sport. Und ja, ich hatte keine Lust mehr zu laufen, aber das passiert mir auch bei weniger km. Dieses "laufen und ganz alleine mit mir selbst" war anstrengender als die Tätigkeit an sich, und DAS habe ich tatsächlich als interessante Erfahrung erlebt. Die Wanderung selbst verursachte mir keinen Muskelkater, und ich habe es genossen, endlich mal zu laufen, laufen, laufen. Vielleicht ist was dran an den "Roboterbeinen". 

Alleine oder in Gesellschaft, ich genieße das Wandern und erkunde meine Umgebung auf diese Weise neu. Auch, dass ich während Corona mit den Kunden vor allem draußen unterwegs war, hat dazu geführt, dass ich viel laufe tagsüber. Ich laufe hin zum Kunden, gehe mit ihm spazieren, laufe zum nächsten, spaziere wieder, gehe danach einkaufen, mache heimwärts noch einen Schlenker, und daheim gehe ich mit Schatz eine Runde spazieren. Und abends noch auf den Trampolin oder in die Brille. Ich habe auf diese Weise tatsächlich an manchen Tagen ohne bewusst Sport zu treiben an die 40.000 oder mehr Schritte beziehungsweise bin an einem Arbeitstag auch schon mal 30 km nebenbei gelaufen. Mir ist bewusst, dass das nicht alltäglich ist, und ich bin dankbar, in meinem Job diese Chance zu haben (tatsächlich wollte ich mich nach der transitionsbedingten Kündigung meines alten Jobs sogar bei der Post bewerben, weil ich einen Job wollte, in dem ich viel an der frischen Luft bin und viel laufe).

Damit wäre ich wohl gleich beim nächsten Thema: 


FITNESSTRACKER

Ich wollte mir nie so ein Ding holen. Klar war ich neugierig, wieviel ich laufe, aber alles, was ich getestet hatte, waren billige Geräte, und die waren nie zuverlässig. Aber dann hat es sich ergeben, dass ich einen geschenkt bekam, der wirklich zuverlässig arbeitete aber leider nicht auf Dauer ausgelegt war. Tscha, also fing ich an mich zu informieren, und voilá, ich hatte mich aus den aberdutzenden Angeboten für eines entschieden. 

War viel Arbeit, mich reinzufrickeln mit der App, ich habe tagelang alles mögliche getestet, haufenweise Funktionen ausprobiert, aber das war es absolut wert: ich denke, ich nutze inzwischen das volle Potential an Funktionen, Möglichkeiten, Einstellungen und hole das für mich Beste aus dem Gerät heraus. Die Funktionen, die mir beim Kauf am unwichtigsten waren, haben sich als großer Segen für mich entpuppt. Ausfürhlicher dazu werde ich mal in einem extra Beitrag schreiben. 

Ich hatte unglaublich viele AHA-Effekte, als ich sah, wann ich was wie viel mache und welche Kalorien das verbrennt, wieviel Energie mich etwas kostet oder womit ich Kraft auftanken kann. Ich habe gesehen, was mich belastet und wie stark dieser Stress sich tatsächlich im Alltag und auf meine Fitness, meine Müdigkeit, meine Gereiztheit oder Entspannung auswirkt. 

Ich war erstaunt, wie viele blinde Flecken ich diesbezüglich hatte und wie logisch sich diese Dinge im Nachhinein für mich dargestellt haben (nachdem ich erst einmal bereit war, hinzusehen). Ich bin sehr hart zu mir selbst und gönne mir keine Rast, körperlich wie mental. Seit ich begriffen habe, was ich tatsächlich leiste, wieviel Energie ich verbrauche und wie aktiv ich bin, hat sich zum ersten Mal im Leben mein Gewissen beruhigt, ich kann mich seitdem entspannt zurücklehnen. "Neeee, hatte heute genug, jetzt nicht mehr", das hätte ich davor nicht zu sagen gewagt. Es fällt mir noch immer schwer, aber so langsam lerne ich es.

Man kann sich natürlich immer fragen, wie zuverlässig so ein Tracker ist. Ich stelle aber fest, dass es relativ zuverlässig ist und sich sehr gut mit meinem Empfinden deckt, wann ich erschöpft oder fit bin und wieviel Energie ich auf- und abgebaut habe. Schrittzahl habe ich schon oft gezählt und später mit der Uhr verglichen, auch hier absolut exakt. Km kann ich auch in Schrittzahl auf meine Länge hin umrechnen, das deckt sich 1:1. Auch den Puls kann ich selbst kontrollieren, war bisher immer identisch. Fitnessalter deckt sich mit dem der Profiwaage aus dem Fitness-Studio, also auch hier vertraue ich. Mir ist klar, dass das kein teures medizinisches Gerät ist, aber für ein Wearable dieser Preisklasse ist es wirklich erstaunlich exakt.

Ich habe die Uhr eigentlich gekauft, um meine Fitness zu tracken. Aber ich stellte fest, dass ich davon mehr als genug habe. Also wurde die Uhr eher zu einem Relax-Tracker. Sie erinnert mich bei zuviel Stress und Aktivität an Ruhepausen, Atemübungen, ans Innehalten. Sie zeigt mir die Sinnhaftigkeit von Schlaf (ja, das war nötig, weil ich den gerne vernachlässigt habe vor lauter Aktivität). Und wenn ich entspannen will, sehe ich mir meine bisherigen Aktivitäten an, sage dem schlechten Gewissen Good Bye und lehne mich zurück. Also in jeder Hinsicht ein absoluter Segen für mich!


NERDKRAM

In Sachen Nerdkram kam ich dieses Jahr voll auf meine Kosten. Bin ja seit meiner Jugend Trekkie mit Leib und Seele. Discovery 1 und 2 konnte mich nicht wirklich abholen, seit dem Ende der Movies um die Next Generation musste ich darben. Dieses Jahr nun gab es Picard, Lower Decks, und die dritte Staffel Discovery gefiel mir um Längen besser (zwei Folgen erwarten mich noch, ich will die Serie nicht vor dem Staffelende loben, abwarten). Außerdem habe ich auf Netflix Archers Crew begleitet. Und ich habe die Orville kennengelernt, die für mich teilweise sogar mehr Star Trek ist, als Discovery es je sein wird. Außerdem habe ich auf Skoobe und Spotify ein paar Bücher rund um Picard gehört. Habe über Humble Bundle mehrere Comics zu einem tollen Schnäppchenpreis rund ums Star-Trek-Universum ergattert. Und natürlich begeistert den Comic und die Vorgeschichte zur Serie um meinen Lieblingscaptain verschlungen. Alles in allem wirklich toll, so viel Stuff hatte ich seit Ewigkeiten nicht mehr. Und weil Star Trek langsam im Mainstream ankommt, gibt es auch Merchandise, mit dem ich an Geburtstag und Weihnachten reich beschenkt wurde und mir zwischendurch selbst mal etwas gönne. Herrlich!

Ich habe jetzt nicht nachgezählt. Aber ich glaube, so viel Sci-Fi wie dieses Jahr habe ich noch nie zuvor konsumiert. Ich bin begeistert.

Und auch die VR-Brille war ein Traum. So viele Games, immersive Videos, gemeinsame Kinoabende, Dokumentationen (ich bin virtuell durch das Haus von Anne Frank gelaufen, ich kann den kompletten Körper anatomisch von der Haut bis auf die Knochen über jede einzelne Sehne und jeden Muskel zerlegen, nicht als Schaubild sondern wortwörtlich zum Greifen). Ich saß im Captain-Sessel der Enterprise, bin mit dem Shuttle der Enterprise aus der Werft um das Schiff geflogen, es war atemberaubend! Und ich habe mit dem Doktor gegen Daleks gekämpft, bin durchs All geflogen!

Ich habe Dinosaurier beobachtet, stand in der Nähe von Elefanten und Giraffen in der Steppe, bin durch ein Korallenriff getaucht! Auf einer einsamen Insel unter Palmen kann ich zur Ruhe kommen, in einem dunklen Wald finde ich inneren Frieden und kann meditativ meine Atemübungen machen. Und gemeinsam mit meinem Ex war ich auf einem Ausflug in Cardiff, wo wir erst durch die Einkaufspassage spazierten, alle Schaufenster betrachteten und danach den Innenhof des Schlosses sowie einige Besucherräume besichtigten. Ich bin den Mount Fuji hinaufgestiegen und stand auch schon in Hawaii. 

Ich bin ein abenteuerlustiger Introvertierter. Das heißt, rausgehen unter Menschen, mich ins pralle Leben zu stürzen, das fällt mir schwer. Aber zugleich will ich ständig neue Erfahrungen, Abenteuer, Erlebnisse, will Adrenalin, brauche ständig neuen Input (da fühle ich mich wie Nr 5: "mehr Input, mehr Input"). Ich habe inzwischen einen guten Mittelweg für mich gefunden, beides zu bedienen. Die Brille aber ist ein zusätzliches Goodie, sie bringt mich an ferne Orte überall auf der Welt, unter Wasser, im All, durch Raum und Zeit und hilft mir, jede Menge Adrenalin zu verballern und trotzdem in einem geschützten Rahmen zu bleiben. Perfekt!

Der Fitnesstracker ist auch eine Smartwatch, auch hier also einiges an Technokram, der mich begeistert und mir den Alltag erleichtert. Ein herrliches Spielzeug. Wie sagt man: Männer werden sieben Jahre alt, danach wachsen sie nur noch. Der Nerd in mir feiert!


TESTOZEUG

Eigentlich fühle ich mich "fertig" und angekommen. Trotzdem hatte ich die letzten Monate das Gefühl, dass ich irgendwie unterdosiert bin. War ein Hin und Her mit der Ärztin und am Ende ein Ärztewechsel. Lange Geschichte, von der ich unklar bin, ob ich sie hier erzählen werde. Meine Meinung und meine Schilderung der Sache ist das eine. Das andere ist, dass das hier ein öffentlicher Blog ist und Gedanken und Meinungen schnell falsch aufgefasst werden könnten als Tatsache (und ich möchte andere nicht beeinflussen. Das überlasse ich lieber den Profis, den Ärzten und all denen, die sich wirklich auskennen). 

Jedenfalls bekomme ich jetzt ein neues Testopräparat, das ich bisher noch nicht hatte. Und als die bisherige Ärztin mich runterdosierte (was ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte), hat der neue Arzt mich direkt danach aufgrund meiner Blutwerte sofort hochdosiert. Seitdem fühle ich mich wieder besser. 

Aber das ist jetzt gerade erst einmal der Anfang. Wir werden die Werte beobachten, er wird das richtige Intervall und das richtige Präparat für mich finden, da bin ich mir sicher, und darauf freue ich mich. 

Ansonsten war 2020 ein Jahr, das ich als Mann in vollen Zügen genossen habe. Trans ist immer Thema bei mir und wird es immer bleiben, stealth ist nicht mein Ding, damit würde ich mich eingeschränkt und als Person nicht vollständig fühlen. Es ist ein Teil von mir, und den habe ich inzwischen sehr gut in meinem Leben und in meinem Alltag integriert. 


INNERE ENTWICKLUNG

Bis 2014 hatte ich eine Menge Mist, den ich nie tragen wollte. Danach kam das Outing, und seitdem ging es auf und ab. Ich fühlte mich frei, hatte aber verdammt viel zu erledigen. Therapie, Arztgerenne, mich ständig erklären und rechtfertigen müssen. Und das Wichtigste: zu mir selbst finden, mich selbst kennenlernen.

Es ist schwer, zu sich selbst zu finden, wenn so viele äußeren Umstände ständig ablenken und Aufmerksamkeit erfordern. Bisher war es also immer schwierig.

Dieses Jahr hatte ich sehr viel Möglichkeit dafür: zum einen hat Corona dafür gesorgt, dass ich viel Zeit für mich selbst hatte und endlich Ruhe in mir finden konnte. Und zum anderen habe ich die äußeren Umstände der Transition endlich hinter mir gelassen, stehe fest im Job, habe einen geregelten Alltag und bin glücklich ohne mich ständig erklären und rechtfertigen zu müssen. Ich konnte mich zeitlich und mental also ganz auf mich selbst konzentrieren.

Das heißt, so langsam kann ich anfangen, an ein paar Baustellen zu feilen, die mich schon lange drücken und die ich für mich als zur inneren Reife notwendig erachte. Ich werde von Monat zu Monat ruhiger, gelassener. Werde weicher zu mir selbst, ohne meine Disziplin zu vernachlässigen. Achte immer besser auf meinen Geist, meinen Körper, vertraue meiner Intuition. 

Es ist schwer zu greifen und kaum zu erklären, auch weil es teils sehr intim ist. Aber ich denke, dass ich dieses Jahr sehr gewachsen bin. Ich fühle mich bereit für einige Aufgaben, die wohl bald anstehen. Klar bin ich nicht perfekt, es gibt noch viel zu tun und ich habe noch sehr viele Ecken, Kanten, Makel. Aber ich kann sie inzwischen annehmen und mich trotzdem lieben. Klar mache ich unglaublich viele Fehler - aber irgendwie macht das sogar Spaß, denn gerade diese Umwege empfinde ich als sehr bereichernd.

Ich würde meine Geisteshaltung inzwischen als recht stoisch bezeichnen. Früher habe ich schon oft nach dieser Philosophie zu leben versucht ohne einen Namen dafür zu haben, ließ mich aber durch das Gerede der anderen davon abbringen. Inzwischen vertraue ich mir selbst, lasse mich durch das Außen nicht mehr beirren. Das führt dazu, dass ich tatsächlich in schwierigen Situationen ruhig bleiben kann, in denen ich früher Panik bekommen hätte, in denen mein Selbstwert geschrumpft wäre und ich an mir selbst gezweifelt hätte. Wie gesagt: nicht perfekt, natürlich kann man mich noch immer aus der Ruhe bringen, aber inzwischen ist es nicht mehr so leicht. 

Und, hey - ich habe noch unglaublich viele Jahre Leben vor mir. Wäre doch langweilig, wenn ich heute schon alles weiß und kann. Ich will mich ja weiterentwickeln. Es gibt noch viel, das ich lernen muss, und ich kann es nicht erwarten!

2heartedman 05.01.2021, 17.49

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