two hearted man
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Stealth vs Out and Proud

Stealth leben bedeutet, dass andere nichts von meiner Vergangenheit wissen. Dass ich als Mann auftrete und niemand weiß, dass ich als Frau geboren wurde. Das klingt sehr, sehr verlockend. Und viele Trans*männer leben das. Es ist möglich, denn einem Trans*Mann sieht man es idR nicht mehr an. Was auch der Grund ist, dass sie in den Medien erst jetzt so langsam präsent werden, im Grunde aber noch eine Art Schattendasein führen in der Gesellschaft. Stealth - kann ich das? Will ich das?


Ja, der Gedanke ist verlockend. Aber, ehrlich gesagt, mir ist das viel zu anstrengend! 

Ich habe nicht vor umzuziehen. Sollte ich irgendwann einmal im Leben umziehen, in eine Großstadt weit weg von hier, dann wäre das vielleicht eine Option. Oder Auswandern, England wäre toll. Aber sonst? 

Ich habe den alten Job ungeoutet verlassen. Trotzdem werde ich bald ein neues Zeugnis anfordern, und vermutlich wird es dann die Runde machen, das sind alles Klatschtanten. Ich besuche weiterhin die gleichen Läden hier im Umfeld (Bäcker, Drogerie, Supermarkt, Wochenmarkt, Buchladen, Friseur, Asiashop usw). Meine Nachbarn bleiben mir auch erhalten. 

Was werden die Nachbarn sagen, wenn die nette junge Dame, der man morgens am Briefkasten begegnet, auf einmal ein Herr ist? Wie reagiert man in der Drogerie, wenn die Frau Tampons kauft aber plötzlich einen Bart hat (was mir hoffentlich nie passieren wird, aber wer weiß, wie mein Körper langfristig reagiert). Im Comicladen bin ich seit 2002 Stammkunde und monatlich anzutreffen, auch die werden das mitbekommen - wie werden die gucken, wenn ich plötzlich optisch zum Mann werde, und sie an all die Yaoi (männlich homosexuelle Mangas) denken, die ich bisher gekauft habe (eigentlich typisch weibliche Zielgruppe, aber ich steh auch als Mann dazu). 

Klar könnte ich im neuen Job als Mann auftreten und niemandem etwas davon erzählen. Aber dann treffe ich einen ehemaligen Arbeitskollegen. Eine Freundin. Begegne beim Einkaufen einem Verkäufer, der mich kennt. Ein Nachbar läuft mir über den Weg. Und schwups erzählt er es dem Kollegen. Oder jmd rutscht versehentlich ein falsches Pronomen raus, und ich schwitze Blut und Wasser, ob das Zufall war oder die Person womöglich von irgendwoher etwas über meine Vergangenheit erfahren hat.

Ich hätte ständig Angst "was, wenn der / die mich jetzt verrät". Ich dürfte alte Freunde, denen ich begegne, nicht mehr Hallo sagen, denn ich würde mich dadurch zwangsläufig outen, und ich müsste liebgewonnene Menschen aus meinem Leben ausschließen. 

Manchmal bewundere ich Leute, die stealth leben. Das ist ein harter Cut, der sehr viel Konsequenz erfordert. Oder man macht es in sehr jungen Jahren und hat eh keinen Kontakt mehr zu den alten Leuten aus der Schule. 

Aber irgendwie bedauere ich sie auch, denn ich stelle mir das extrem anstrengend und angstbesetzt vor. Zumindest diejenigen, die bereits älter sind und sich ein Leben, eine Beziehung, eine Familie, eine Nachbarschaft, eine stabile feste Lebensgrundlage aufgebaut haben und dies alles aufgeben müssten dafür. Jede falsche Bemerkung könnte sie verraten. Eine unbedachte Bemerkung einer befreundeten eingeweihten Person könnte zu Problemen führen. Fragen nach der Kindheit geraten schnell zur Bedrängnis. Ich war weder Zivi noch beim Bund aber bin zu gesund um ausgemustert zu werden. Ich war 13 Jahre mit einem heterosexuellen Mann verheiratet und trug seinen Namen, soll ich das wirklich verschweigen und ihn komplett aus meinem Leben verbannen? Meine Kinderfotos, sind die verbrannt oder verloren oder haben die nie existiert? In der Sauna ständig die Angst, dass das Handtuch runterfällt, womöglich Sauna komplett meiden. Meine weibliche Sozialisation, die hier und da immer wieder durchsickert und das Fehlen der männlichen Sozialisation, wo ich manchmal einfach richtig ins Fettnäpfchen trete. Meine komplette Vergangenheit ist gender-geprägt, und ich müsste sie komplett umschreiben! 

Nein, stealth könnte ich mir für mich nicht vorstellen. Meine Vergangenheit war nicht immer toll, und ich hätte mir vieles gerne anders gewünscht. Trotzdem ist sie ein Teil von mir. Ich habe mich zeit meines Lebens verstellen müssen. Ich will endlich frei zu sein. Ja, ich bin ein Mann. ABER ich bin ein Trans*Mann. Ich respektiere, wenn (Trans*Männer) sich als Mann bezeichnen, aber das Trans* ist Teil meines Lebens ... und ich stehe dazu ... 

*******************

Außenstehende: Viele fühlen sich betrogen, wenn sie erst nach Monaten / Jahren zufällig davon erfahren, dass der Gegenüber eine Trans*Person ist. Ist es Dir wichtig, das zu wissen? Wenn ja, warum ist Dir das wichtig?

Betroffene: möchtest Du künftig stealth oder out leben? Lebst Du aktuell stealth oder out? Was sindn Deine Gründe dafür?

2heartedman 26.03.2016, 17.22

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