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Polyamorie

Seit Anfang des Jahres habe ich ziemlich wenig Zeit. Neben meinem Job und den alltäglichen Verpflichtungen gibt es einen guten Grund dafür. Einen sehr schönen sogar ;-)

Es gab da diese Kommilitonin aus dem Studium. Wir trafen uns fast täglich, gingen spazieren, lernten gemeinsam, kochten, redeten über Gott und die Welt. Das war um die Jahrtausendwende (ich liebe dieses Wort, das klingt so krass). Und dann blieben wir bis heute in Kontakt. Anfangs mit gelegentlichen Treffen, später vor allem über eine innige Brieffreundschaft. 

Und wie schon erwähnt: ich war damals als Frau unterwegs, und ich war mit einem Mann zusammen. Andere Beziehungskonzepte als Monogamie oder Heterosexualität kannte ich nicht. Sie geisterten mir immer wieder durch den Kopf, aber vor der Umsetzung hielt meine Umwelt mich sehr erfolgreich ab. 

Sie war einer der ersten Menschen, vor denen ich mich outete, und sie hatte kein Problem damit. Dass ich sie liebe, habe ich ihr auch schon häufiger gestanden. Aber "hören" und "hören" sind eben zwei Dinge, es war einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt. Und "beste Freundinnen" sagen sowas ja eh häufig zueinander, oder? 

An Weihnachten letzten Jahres war es dann wohl der richtige Zeitpunkt, und sie verstand, was ich damit meinte ;-)

Eine Freunschaft opfern, nur weil man zu weit geht? Ist dieses Risiko es wirklich wert? Wir haben viel darüber geredet. Und wir kannten uns gut genug um zu wissen, dass die Freunschaft vermutlich nicht darunter leiden würde. 

Ein vorsichtiges Annähern, Treffen. Wie wäre es, wenn meine Gedanken und Gefühle nach fast 18 Jahren real werden, ist das überhaupt reizvoll oder entpuppt sich das als Traum, der besser nie erfüllt werden sollte? Wie würde sie damit umgehen, dass sie mich mental als Mann empfindet, ihr Körper aber eventuell anderer Ansicht ist? 

Bevor ich jetzt mit rosa Blümchen und irgendwelchen albernen romantischen Sätzen nerve, hier die Kurzfassung: wir sind seit einigen Wochen zusammen. Und ja, ich bin mächtig verliebt!

Bevor Eure Augen immer größer werden und ganz viele Fragen kommen: nein, meine bisherige Beziehung ist nicht in die Brüche gegangen. Ich l(i)ebe polyamor. Meine beiden Partner wissen vom jeweils anderen, sie kenne sich und können sich gut leiden. 

Wenn ich zu ihr fahre, wünscht er mir ein schönes Wochenende und freut sich, dass ich diesen kitschigen Disney im Kino mit ihr ansehe (und er verschont bleibt) und er dafür sturmfreie Bude hat. Wenn ich mit ihm Essen gehe, wünscht sie mir einen schönen Abend und ermahnt mich, nicht so stoffelig zu sein sondern es ihm mal ein bisschen romantisch zu machen, weil er das gerne mag. 

Wenn sie bei uns zu Besuch ist, gehen wir zu dritt spazieren, sehen gemeinsam Filme an, unterhalten uns. Beim Übernachten gibt es keinen Streit, wer in welchem Bett übernachtet, warum auch? Wenn ich mal alleine etwas zu tun habe, unterhalten sich die beiden über verschiedene Themen, manchmal sitzen wir drei jeder für sich (einer liest, der andere zockt, der dritte guckt gerade einen Film). Wenn ich rufe "Schatz" antworten beide (witzigerweise tragen beide den gleichen Namen und haben fast zeitgleich Geburtstag), und manchmal verbünden sie sich und lästern gemeinsam über meine Macken ;-)

Ich finde es schön, dass das überhaupt möglich ist! Als ich meinen Schatz kennenlernte, war das von beiden Seiten aus gewünscht und in Ordnung. Für mich war das neu, denn ich wollte zwar offen / polyamor leben, hatte aber keine Erfahrung (mein Herz wusste, dass Liebe teilbar ist, aber jahrelange Indoktrination durch die Gesellschaft hinterlässt eben Spuren). Es gab einige Fallstricke, manchmal auf meiner Seite, manchmal bei den Partnern. Schatz und ich haben uns damals gemeinsam an das Thema herangetastet, Grenzen ausgelotet, Vereinbarungen getroffen, langsam geübt, bis Herz und Hirn im Gleichklang waren.

Unsere Erfahrung bisher: sehr viele Menschen sagen, dass sie so leben wollen und das gut finden. Aber die Realität zeigte leider, dass Theorie und Praxis zwei paar Schuhe sind. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft man versuchte, einen Keil zwischen uns beide zu treiben. Eifersüchtig auf meinen Schatz oder mich war. Grenzen übertreten wollte. Besitzansprüche erhob als würde ein Mensch jemandem gehören *facepalm*. Oder gar verlangte es geheim zu halten. Das zieht nicht, das wollen wir nicht!

Umso schöner finde ich es, dass es für meine Partnerin / Freundin kein Problem ist. Ich bin erstaunt, wie locker sie damit umgeht und wie leicht es ihr fällt. Derzeit lebe ich das, was ich mir schon so oft gewünscht habe. Und es ist weit schöner als ich mir je hätte träumen lassen. 

Falls Fragen sind, werde ich die gerne beantworten (denn ich weiß, dass das ein spannendes Thema ist, bei dem viele neugierig sind. Kaum jemand redet darüber, aber fast jeder hat sich schon Gedanken dazu gemacht). Ansonsten belasse ich es einfach dabei, das hier mal erwähnt zu haben und zukünftig ganz offen von den beiden zu schreiben ohne etwas zu verheimlichen. 

Jedenfalls, zurück zum Anfang: Polyamorie bedeutet doppelten Spaß. Aber vor allem auch doppelten Zeitaufwand und doppelte Verantwortung. Sie ist kein Spielzeug, das ich nur aus der Ecke hole, wenn mir danach ist. Und der Reiz des Neuen bedeutet nicht, dass ich den "Alten" unter Bergen von Arbeit und Haushalt begraben kann, bis ich ihn mal wieder für irgend etwas brauche.

Die beiden haben hohe Priorität für mich, die Zeit ist es mir wert, auch wenn dafür viele anderen Dinge manchmal etwas zu kurz kommen. Meine drei Jobs (Teilzeit, Honorartätigkeit und Minijob), seine Selbständigkeit (die mich ebenso betrifft) darf ich ebenfalls nicht vernachlässigen. Naja, und wie gesagt noch Haushalt und Alltag. Da stehen Hobbies manchmal hinten an. Und wenn ich dann die Wahl habe "Bloggen" oder "einfach nur alleine im Zimmer sitzen und ein Buch lesen" - dann gönne ich mir die Auszeit mit dem Buch ;-)

Manche wünschen sich, dass der Tag mehr als 24 h hätte. Ich bin dankbar, dass es nur 24 h sind. Sonst würde ich mich ja noch mehr verausgaben ;-)

2heartedman 05.03.2017, 15.55

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Kommentare zu diesem Beitrag

3. von Dominik

So sehe ich es auch, dass das (mit-)Teilen von guten Erlebnissen auch dem Daheimgebliebenen eine Bereicherung sein kann. Die Gewissheit, dass man dem Partner auch dann wichtig bleibt, wenn man mit anderen Menschen unterwegs ist laesst einen beruhigt die Zeit alleine verbringen.
Ich wuensche mir fuer Euch, dass es sehr lange eine bereichernde Erfahrung fuer Alle sein wird.
Erst, wenn ein Ungleichgewicht auftritt, und auch das Ansprechen des Mangels and Zuwendung keinen Kurswechsel bewirkt, koennte man vermuten, dass man auf der Prioliste des Partners nach unten gerutscht ist, oder sogar ganz runtergefallen.

vom 06.03.2017, 20.36
Antwort von 2heartedman:

Die Zeit alleine zu verbringen ist inzwischen überhaupt kein Problem, wir genießen das sogar jeweils. Anfangs ist das für den, der daheimbleibt, ungewohnt und schwer, und die Gedanken kreisen ganz schön. Aber, wie Du sagst: wenn das Gleichgewicht erhalten bleibt, man nicht zurückgesetzt wird, davon profitiert und miteinander redet, dann kann das sehr, sehr schön sein und für alle eine wundervolle Zeit :-)

Danke für Deine lieben Wünsche :-)
2. von Dominik

Gratulation, dass das bei euch so harmonisch klappt. Doppelter Beziehungsarbeitsaufwand fuer zwei Leute, die einem gleich wichtig sind, will gewuppt werden, und ich finde es gut, dass Du erwaehnt hast, dass nur, weil da jetzt jemand Neues im Leben ist, es nicht heisst, dass der vorher da gewesene Mensch in der Versenkung verschwindet.
Wenn Du es nicht geschrieben haettest, waere das meine Frage gewesen, wie es vereinbar ist, dass nicht bei einem der Beiden Partner das Gefuehl aufkommt, dass er/sie vernachlaessigt wuerde.

vom 05.03.2017, 18.14
Antwort von 2heartedman:

Es führt sogar dazu, dass man sich manche Dinge etwas bewusster macht. Nach acht Jahren wird eine Beziehung irgendwann zum Alltag. Einige schaffen es, dass das nicht passiert, aber es ist nur menschlich (auch, wenn es schade ist), und ich nehme mich davon leider nicht aus. 

Durch die neue Beziehung wird man sich bewusst, dass die alte Beziehung eigentlich auch gepflegt werden muss. Und wenn ich mir etwas Schönes für sie ausdenke, dann denke ich zugleich auch "womit könnte ich ihm denn auch eine Freude machen". Durch die schöne Zeit mit ihr wird mir klar, wie lange ich schon mit ihm nichts unternommen habe und dass wir doch wieder einmal dies oder jenes tun könnten.

Wenn ich dann glücklich vom Treffen mit ihr nach Hause komme, überträgt sich diese Freude oft auch auf ihn. Anders, als wenn ich die ganze Zeit alltagsmufflig zu Hause sitze und vor mich hingrummle. Dadurch profitiert auch die routinierte Beziehung und wird wieder ein wenig aufpoliert ;-)

1. von Hiltrud

Ja dann herzlichen Glückwunsch! Wenn alle damit glücklich sind, ist das doch schön. Ja, da kannst Du ein gewisses Befremden draus lesen, ja, aber auch ein großes Verständnis. Wie gut, dass solche Beziehungen hier und heute möglich sind. Wobei es hier auf dem Land wohl doch nicht ganz so einfach wäre.

vom 05.03.2017, 16.37
Antwort von 2heartedman:

Dankedanke :-) 

Und ja, das Befremden ist okay. Ich weiß, dass viele sich das nicht vorstellen können. Aber das ist okay. Das Leben wäre langweilig, wenn alle das gleiche denken, sagen, fühlen, tun würden, und diese Vielfalt liebe und feiere ich. 

Ich bin tatsächlich dankbar, dass das möglich ist, denn damals wäre das unvorstellbar gewesen für mich. Mein Umfeld hat mich auf eine Weise geprägt, die es mir unmöglich machte. Und ich weiß, dass sich zwar die Zeiten geändert haben, aber nicht die Menschen und Ansichten. Es gibt noch immer Orte / Menschen, wo ein solches Outing katastrophale Folgen hätte. Was ich sehr traurig finde :(