two hearted man
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Mitpatienten und Mitarbeiter

Über die OP habe ich geschrieben, über die Heilung an den einzelnen Tagen, über den Alltag danach. Jetzt möchte ich erzählen, wie es so mit den Mitpatienten war ;-)

Man weiß ja nie, mit wem man auf ein Zimmer kommt. Gerade bei uns ist das schwierig. Mit Männern? Mit Frauen? Mit etwas Glück mit anderen Transmännern. Aber ob ein 15jähriger oder ein 80jähriger? Ob man Einzelzimmer hat oder Mehrbettzimmer? Für den Notfall habe ich 25 Filme auf mein Tablet geladen und mir tonnenweise Hörspiele und Hörbücher mitgenommen. Von der Flatrate für Ebooks ganz zu schweigen! 

Ich hatte das Glück, mit zwei anderen TM auf einem Zimmer zu liegen. Und wir verstanden uns sehr gut. Hatten haufenweise Gesprächsthemen der unterschiedlichen Art, kamen jeweils zu zweit aber auch gemeinsam zu dritt sehr gut klar. Wir hatten eine Menge Spaß. Es war wie im Schullandheim. Inclusive Lehrer / Pfleger, der irgendwann gegen Mitternacht an die Tür klopft und uns ermahnt, dass wir zu laut seien, andere Patienten hätten sich über uns beschwert ;-) 

Eigentlich waren wir nicht laut, aber das Fenster war nachts offen, und wir hatten leise einen Film gesehen, uns in Zimmerlautstärke unterhalten, vielleicht trug die Nachtluft das weiter ... 

Als der erste Patient ging (er hatte die OP zwei Tage vor uns), kam für einen Tag ein Biomann ins Zimmer, nur ein winziger Eingriff. Er kam genau in dem Moment, als die Schwester mir die Weste anpassen wollte. Ich saß also da, mit freigelegtem Oberkörper, klar erkennbar die Schnitte. Scheiße, ich bin ja offen und geoutet, aber direkt nach der OP mit den fetten Narben, das ist ein sehr verletzlicher Moment, und dann eine wildfremde Person mit freiem Blick auf meine Narben. Ich wusste nicht mal, ob er transphob oder aufgeschlossen ist. 

Es stellte sich heraus, dass er okay ist, hatte auch kein Problem mit uns Transmännern. Trotzdem, die Chemie fehlte. Hat nichts damit zu tun, dass er wegen einer anderen Thematik hier war. Sondern, naja, er war halt sehr normal. Arbeit, Familie, Verein. Wir plauderten über Kraftsport, Motorradfahren, Berufsalltag, Finanzplanung und Geschäftsideen, Herrenmode und ähnlich nette aber unverfängliche Dinge.

Mit den anderen Jungs verband mich (je nach Person) der gleiche Beruf, die gleichen Hobbies, die gleichen Neigungen, gemeinsame Interessen an Serien und Filmen und Computergames, der gleiche Nerdstuff. Wir hatten echt riesiges Glück!

Also, wie gesagt: tonnenweise Gesprächsthemen, viel gelacht, gemeinsam Filme gesehen, untereinander Essen ausgetauscht, sich mit verschiedenen Leckereien verwöhnt von Süßigkeiten über von Besuchern mitgebrachte Taboule, Rhabarberkuchen, Gemüse. Und in der kurzen Zeit Dinge voneinander erfahren, die man so im Alltag kaum hören würde, es ist ein sehr spezieller Mikrokosmos. Die Schwestern denken sich nichts mehr dabei, wenn sie eine Person bei der Visite nebenbei fragen "und, hatten Sie schon Stuhlgang", während die anderen Patienten danebensitzen und das gar nicht so genau wissen wollen ;-) 

Auch ansonsten sollte man irgendwann das Thema Scham fallenlassen. Wir haben uns gegenseitig auch bei der Körperpflege geholfen, in die Klamotten geholfen, uns auch mal nach der OP aufs Bad begleitet, haben die Visite der anderen miterlebt und auch die dort gestellten intimen Fragen. Wir wissen welche unserer OPs wie lange dauerte und wieviel Drüsengewebe entfernt wurde und wer warum den Schnitt hier etwas kürzer oder länger hat. Da einer der Jungs noch Probleme mit der deutschen Sprache hatte, haben wir für ihn auch einige wichtigen Gespräche übernommen (mit teils intimen Details bzgl Schmerzen, Unsicherheiten usw). Man hört sich nachts schnarchen, wachliegen, wälzen, die Toilette ist direkt nebendran. Man tauscht gegenseitig Erfahrungen bzgl der Reaktion des Körpers nach der OP, zeigt sich die Narben, vergleicht, fragt, beobachtet. 

Wie gesagt, ich hatte echt Glück. Einzig, es war auch etwas anstrengend. Brauche ja viel Zeit für mich, Ruhe, Regeneration, Zurückgezogenheit. Im Krankenhaus gab es so etwas wie Privatsphäre nicht. Mir wurde nach einigen Tagen bewusst, dass ich im Grunde keine Minute alleine gewesen war! Zusätzlich zu den Zimmernachbarn war immer mal jmd da vom Ärzteteam, den Schwestern, aus der Küche. Es kamen Besucher ins Zimmer. Und es gab auf der Abteilung noch zwei weitere Transmänner, man wollte auch hier mal Kontakt herstellen und sich kennenlernen. Im Aufenthaltsraum war immer irgend jemand, auf den Fluren und in der Cafeteria auch. 

Die Jungs waren klasse, es war eine schöne Zeit, und auch die Mitarbeiter waren sehr respektvoll, freundlich. Sie nahmen sich Zeit für die Anliegen, beantworteten die Fragen ausführlich, gingen auf individuelle Bedürfnisse ein. Vor allem die Mitarbeiter aus der Küche, wow! Die gaben einem das Gefühl, sie kämen ganz persönlich speziell nur zu uns. Freuten sich, lachten, machten Menuvorschläge, nahmem sogar Sonderwünsche an. Einer der Ärzte bei der Visite fotografierte sogar für uns das Ergebnis, als wir ihn darum baten. Das Wecken morgens war okay, sie gingen im Rahmen der ihnen möglichen Umstände sehr rücksichtsvoll damit um. Man spürte, dass sie alle ihren Job gerne tun :-)

Dafür, dass ich nonstop anderen Menschen ausgesetzt war, habe ich erstaunlich gut funktioniert. War auch nicht unangenehm. Erst am Montag oder Dienstag gab es einen Moment, wo ich kurz vor dem Overflow war und ohne Chance auf Rückzug völlig überfordert war. Bekam das aber sehr gut in den Griff. Ansonsten - top! Kam zwar nur dazu, drei Filme zu sehen (zwei gemeinsam mit den Jungs, einen im Hotel), und ich habe gerade einmal ein einziges Hörbuch gehört (auf der Hinfahrt und im Hotel). Aber das war es absolut wert! ;-)

2heartedman 21.06.2017, 12.50

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