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Ausgewählter Beitrag

Mein männliches Vorbild

Jetzt also doch mal zu diesem Thema. Habe es nie weiter erwähnt, weil ich mir nichts dabei dachte. Jeder hat so sein eigenes männliches Vorbild aus Film und Fernsehen. Und ich hielt meines eigentlich für völlig normal. Ein Mann halt, so what? Aber die Reaktionen meines Umfelds darauf sind dann doch eher irritiert. Also gut, hier mal ein bisschen mehr dazu ...


Auf einem Workshop der Trans*Tagung wurden wir in der Vorstellungsrunde zu Beginn nach unseren männlichen Vorbildern gefragt. Die meisten nannten je nach Altersgruppe die typischen Helden. He-Man, Knight Rider, James Bond, Indiana Jones, Mc Gyver, A-Team, Han Solo, Colt Seavers, Käptn Kirk und derlei männliche Männer mehr. Verständlich, schon als Bio-Mann sind das verlockende Helden, und als Trans*Mann umso mehr. Ich hoffte ständig, meinen Helden zu hören von anderen, aber er wurde nie genannt. Ist er so wenig Vorbild für andere Männer? Ist er so unmännlich? Oder woran lag es?

Zu realen Vorbildern habe ich hier schon geschrieben, aber die kennen andere nicht, daher ist das ein schlechtes Beispiel. Außerdem hatte ich die nicht wirklich in meinem Umfeld, könnte da keine reale Person benennen, der ich nacheiferte. Aber einen Filmhelden, DEN gab es, oh ja! 

Meine erste Gutachterin fragte mich, wie man ihn buchstabiert und wer das sei *snief*. Und der zweite Gutachter meinte "oh, äh, das ist ungewöhnlich, warum denn gerade er?" 

Oooookay?!? o.O 
Wirklich so ungewöhnlich? Really? 
Ich finde nicht, er ist für mich total männlich ... 
Der Mann, an dem ich mich eines Tages messen wollte, war  Jean-Luc Picard :-)

Zu den folgenden Sachen, die ich schildere, könnte ich jeweils konkrete Szenen aus der Serie und den Movies benennen, entsprechend einer Charakter-Analyse (wie man es im Deutschunterricht lernte). Aber das würde zu weit führen. Daher nur das, was ich aus diesen Szenen herauslese und was es für mich bedeutet.

In seiner Jugend ein Haudrauf und verwegen, aber er musste seine Lektion lernen. So kam er nicht weiter, und er wurde zum Umdenken gezwungen. Außerdem hätte er Winzer werden sollen, wie sein Vater, doch ihn zog es in die Ferne, zu den Sternen, er wollte Abenteuer. Er ging seinen eigenen Weg, wohlwissend, dass er dabei Menschen enttäuschen muss, um sich selbst treu zu bleiben. Er ist ein Abenteurer.

Ich denke nicht an Abenteuer im Sinne von "Action", sondern vielmehr intellektuelle Herausforderungen. Aufgaben, an denen er wachsen kann. Neues erfahren, Neues lernen, ein höheres Ziel verfolgen, das Unbekannte erforschen. 

Erforschen. Ein Wissenschaftler, ein Forscher auf gewisse Weise auch. Immer mit analytischem Blick und klarem Verstand. Und doch spontan, denn als Kapitän muss er schnell reagieren, er muss krisenfest sein, Verantwortung übernehmen und harte Entscheidungen fällen ohne Zeit darüber nachzudenken. 

Er tritt in vielen Folgen als Diplomat auf, hat bei Verhandlungen objektiv alle Parteien im Blick, ist gerecht und fair. Ein Mann des Gesetzes, der sich an die Regeln hält. Der weiß, dass Regeln notwendig zu befolgen sind, man aber dennoch darüber reflektieren muss und besondere Situationen manchmal besondere Mittel erfordern. Diese Regelbrüche passieren wohlüberlegt und nach genauem Abwägen, und er würde in der gleichen Situation exakt wieder gleich reagieren, denn er ist ein Mann, der zu seinem Wort steht.

Sportlich ist er auch, aber ihn sieht man vor allem beim Fechten, ein filigraner Sport. Schnell, wendig, taktisch, geschickt. Es ist nicht die Körperkraft, die zählt, sondern ein schneller Geist. Mens sana in corpore sano. Genauso wie alle ist er auch auf dem Holodeck. Aber wo andere sich tolle Partner zaubern oder sich zu Superhelden machen, ist er ein Detektiv im Stil Noir, löst spannende Fälle mit geheimnisvollen Ladies und schlüpft auch mal in die Rolle des verwegenen Helden. 

Er hat eine klare Meinung, aber er hört auch zu und ist bereit, seine Meinung zu ändern, wenn der Gegenüber die besseren Argumente hat. Weil er weiß, dass er nicht die einzige Wahrheit gepachtet hat. Er versucht zu verstehen. Ein guter Zuhörer, der einen ernst nimmt und der weiterhilft, wenn er kann, der auch Partei für andere ergreift und sich für sie einsetzt. Der aber auch klar stop sagt, sich nicht ausnutzen lässt und Grenzen ziehen kann, wenn es erforderlich ist. 

Wenn er einen Fehler gemacht hat, gibt er diesen auch zu, denn er ist nicht perfekt. Er steht dazu, er lernt daraus, er gibt seine Erfahrung an andere weiter. Kritik kann er annehmen und umsetzen, wenn sie gerechtfertigt ist. 

Er IST ein Kämpfer, aber vor allem im Geiste. Charakterstark selbst unter Folter, ein ungebrochener Geist (der aber zugibt, dass er kurz davor war zu brechen, und der den Rest seines Lebens darunter leidet, auch wenn er weiterhin nach außen stark ist). Er kämpft gegen eine Entität, er vertritt die gesamte Menschheit und setzt sich für diese ein, und wenn von ihm alles abhängt, dann wird er ruhig, konzentriert und agiert wohlüberlegt. Er hat eine straffe Ethik, die er immer wieder vertritt und hinterfragt.

Mit Geld, Reichtum, Sex, Macht kann man ihn nicht locken. Wo andere die Helden suchen und es wild lieben, ist er ein Feingeist. Ein Earl Grey, dazu Shakespeare oder Moby Dick. Er zitiert je nach Situation immer einen passenden Klassiker und vermag es, fiktive Szenen in die Realität zu übertragen und auf Metaebene Vergleiche zu ziehen, um aus diesen Büchern zu lernen. 

Mal ehrlich - wenn DAS kein Mann ist, wer dann? 

Auch Professor Xavier von den X-Men ist eine interessante Figur. Überhaupt finde ich viele Rollen, die Patrick Stewart verkörpert, recht interessant (nicht alle, aber viele). 

Und, ja, mir ist bewusst, dass der Text da oben vermutlich arg pathetisch klingt. Aber mal ehrlich, wenn ich sage "Vorbild", dann will ich etwas, an dem ich wachsen kann, etwas, das mich antreibt, etwas das ich bewundere. Also ist das ja nur verständlich, bei Helden muss eben ein gewisser Pathos mitschwingen, sonst wäre es ja alltäglich ;-)

Und, nochmal ja, mir ist bewusst, dass diese Eigenschaften nicht männlich sind, sondern menschlich. All dies könnte auch auf eine Frau zutreffen. Warum auch nicht? Auch als Frau könnte ich dies verkörpern. Also, mit anderen Worten: ich habe ein Vorbild. Es ist ein Mann, weil ich mir immer männliche Vorbilder suchte. Aber die Gründe, warum er für mich als Vorbild fungiert, sind charakterlich, es sind keine Äußerlichkeiten. Es zählt nicht die Zahl der Abenteuer, die Zahl der aufgerissenen Frauen, die Zahl der Narben, die Zahl der besiegten Feinde. Es zählt sich selbst zu besiegen, an sich selbst zu wachsen.

Von daher kann ich die Frage meines Gutachters "was muss ich tun, um männlicher zu sein" gar nicht beantworten. Ich lasse Testo wirken und warte ab, was passiert. Ich trainiere meinen Körper. Und arbeite am Geist, an der Willensstärke, dem Charakter, dem Gefühl. Etwas, das JEDER Mensch tun sollte, nicht nur ein Mann ... 

**************

An alle: was waren / sind Eure Vorbilder aus Buch, TV, Kino?

2heartedman 08.06.2016, 16.49

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Sonja

Wie cool, ich musste sofort an ihn denken! Mir war recht klar, dass er dein Vorbild ist, weil du hohe Erwartungen an dich stellst, an das, was du sein möchtest, welche Charakterzüge dich als Mensch prägen - und das nur, weil ich schon seit Ewigkeiten deine/n Blog/s lese :-D
LG
Sonja

vom 09.06.2016, 16.49
Antwort von 2heartedman:

ui, jetzt machst Du mich verlegen *rotwerd* :-) 

jau, von etwa 2003 bis jetzt, 13 oder mehr Jahre, das ist tatsächlich eine gefühlte Ewigkeit *nick* ... 

ja, er war sehr prägend für mich in meiner Jugend, mit ihm bin ich aufgewachsen ... denke, das klang hier und da in meinen Beiträgen immer mal wieder durch, ich kann nicht anders ...