two hearted man
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Ja, aber die Kleider und Heels?

Ganz typische Frage, die ich bei einem Outing zu hören bekam: "Ja, aber die Röcke, die Kleider? Du hast mir doch die tollen Stiefel und die Heels gezeigt". 

Jaaaaa, habe ich. Und ich war auch wirklich stolz drauf. Sehen ja immer noch toll aus, auch aus meiner jetzigen Perspektive. Obwohl ich sie heute nicht mehr tragen würde, sie nur aus einer gewissen Sentimentalität heraus behalte. 

Da gehen die Meinungen auch unter Transpersonen auseinander. Manche meinen, dass man sich als Transmann, der es schon immer wusste, niemals so etwas zulegen würde. Sehe ich anders. Denn gerade WEIL ich es von Kind an wusste, lernte ich seit ich denken kann mich zu verstellen und anzupassen. Nach außen das darzustellen, was andere wollten. 

Und je bewusster mir meine Männlichkeit wurde, desto mehr habe ich versucht, eine Frau zu sein. Muss immer alles erklärt werden? Muss immer alles rational sein? Außerdem glaube ich, dass ich mir die Antwort im Nachhinein zurechtbiegen würde. Also kann ich, wenn ich ehrlich bin, nur vermuten. 

Ich vermute, dass ich mir selbst beweisen wollte, dass ich "normal" bin. Ich war schon immer anders, nicht nur in dieser Hinsicht, und statt anders wäre ich einfach gerne normal gewesen. Je stärker der Drang wurde, desto heftiger wurden die Mittel ihn zu unterdrücken. Wenn ich so einen tollen Körper habe und in diesen Klamotten gut aussehe, ist das nicht der Beweis, dass ich mir nur etwas einbilde? Und vielleicht kann ich durch die Bestätigung der anderen, wie toll das aussieht, lernen mich selbst so zu akzeptieren, wie ich bin? Schließlich hatten mir bereits zwei Therapeuten und eine Hausärztin eingeredet, dass ich kein Mann sein kann sondern eine junge gesunde Frau sei. 

Geklappt hat dieser Selbstbetrug nicht. Ich habe einiges an Röcken, Heels, Kleidern gekauft. Keinen riesigen Kleiderschrank voll, aber schon ein paar besonders hübsche Exemplare. Getragen habe ich sie fast nie. Dafür umso stolzer herumgezeigt und erzählt, dass ich die nur auf Party trage, weil sie für den Alltag nicht passten. Aber auf Party bin ich sogut wie nie gegangen. Aber immerhin hätte ich Klamotten dafür gehabt. 

Mal ehrlich, was hätte es für Konsequenzen gehabt, hätte ich schon von Kindesbeinen an gesagt "ich bin ein Junge"? Bzw, ich habe es ja teilweise getan, und welche Konsequenzen hatte es nun? Mir wurde ein schlechtes Gewissen gemacht: Was sollen nur die Leute denken, Du bist so ein hübsches Mädchen, mach mir keine Schande, was habe ich nur falsch gemacht, Du bist krank, warum tust Du mir das an. Denk nicht immer nur an Dich, denk auch mal, was das für uns bedeutet. Du bildest Dir was ein. 

Ein Kind lernt, dass es "falsch" ist, dass es sich anpassen muss, dass es anderen Schande bereitet. Es hat keine Vorbilder, die diesen Weg vor ihm gegangen sind. Das Kind hat jetzt die Wahl zu kämpfen gegen die Familie, gegen die Schule, gegen die Nachbarn, gegen die Gesellschaft, gegen das System, ganz alleine ohne Hilfe. Oder es hat die Wahl zu versuchen ein gutes Kind zu sein und zu akzeptieren, dass es anders ist und niemand das verstehen kann. Heute gibt es Kinder, die das tun, denn es gibt immer mehr Eltern, die das verstehen und unterstützen. Ich bin dankbar, dass die Zeiten sich dahingehend geändert haben.

Ja, ich habe Röcke getragen (zu 99 Prozent tragen müssen, etwa 10 Mal im Leben ging ich freiwillig in diesem Look auf eine Hochzeit oder eine Party). Ja, ich bin mit einem Mann zusammen. Ja, ich trug lange Haare und besaß High Heels. Ja, ich kann gut kochen und backen. Ja, ich habe auch mit Puppen gespielt. Ja, ich habe im Chor Sopran gesungen. Ja, ich habe auch zeitweise versucht mich zu schminken. Ja, ich hatte auch mal - omG, grauenvolle Mode, sie wurde mir aufgezwungen gegen meinen Willen - Dauerwelle. Ja, mein Freundeskreis war damals auch weiblich (weil die Jungs mich nicht in ihrer Runde aufnahmen und mir die Freunde teils vorgegeben wurden durch Nachbarschaft und Kirchengemeinde). 

Manche Menschen scheinen zu erwarten, dass Transmenschen sich ihr Leben lang immer dem gefühlten Geschlecht entsprechend verhalten haben. Das Bedürfnis, "normal" zu sein und die Zweifel an sich selbst sind aber ein wichtiger Teil des Lebens vieler Trans*. Aber sie sind vorhanden. Sie sind häufiger Grund für Depressionen, Suizidversuche, lebenslanges Leid. 

2heartedman 18.01.2015, 13.56

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