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Hormonchaos Nonstop

Seit Mitte Dezember letzten Jahres ging es mir nicht sonderlich gut. Unter anderem deswegen habe ich hier auch recht wenig getippt. Gründe dafür, warum ich so durcheinander bin, gibt es mehrere. Aber einer der Hauptgründe ist hormonell, und das möchte ich hier gerne näher erläutern.


WICHTIG VORAB: ich bin kein Mediziner. Was ich hier erzähle, sind Vermutungen / Beobachtungen und keine in Stein gemeißelten Fakten eines Fachmannes. Mir ist bewusst, dass es für mich möglicherweise so aussieht, als wäre x verantwortlich für y - in Wahrheit kann es aber sein, dass x nur eine Kette von Dominosteinen angestoßen hat. Ich sage nicht "Hormone bewirken, dass" sondern "dies und jenes habe ich bei mir festgestellt". Diesen Unterschied bitte ich zu beachten!

Normalerweise halte ich mich bei medizinischem Zeug im Blog zurück, aber diesmal ist es mir wichtig zu tippen. Weil es mich seit Start der Transition sosehr beeinflusst hat, dass ich es nun doch einmal aufschreiben möchte. Ich tippe hier nicht alles ausführlich (meine Ergebnisse der Blutwerte und die Gespräche mit der Ärztin werde ich hier sicher nicht 1:1 wiedergeben). Von Sachen wie "hättest Du mal x gemacht" oder "na da muss doch y abgeklärt" oder "ganz sicher liegt es hieran und daran" bitte ich daher abzusehen, denn das habe ich sicher bereits getan, auch wenn ich es hier nicht breitgetreten habe ;-)

EBENFALLS WICHTIG: jeder Körper ist anders, und was bei mir diesen Effekt hat, kann bei einer anderen Person etwas ganz anderes bewirken. Ich gebe hier keine Anleitung, warum Testo so und so wirkt oder welches Präparat besser wäre als das andere und wie man dafür sorgen kann, schneller zu vermännlichen oder was auch immer! Der menschliche Körper ist verdammt komplex, "die eine" Lösung, am besten noch für alle Menschen gleich, gibt es leider nicht. 

**********

Ganz zu Beginn hatte ich Blocker ohne zusätzliche Gabe von Hormonen. Auf meinen Wunsch hin, weil ich mich damals nicht auskannte und der Arzt mir nicht erklärte, warum das eigentlich nicht gut ist. Die Nebenwirkungen das Blockers waren sehr heftig (logisch, wenn plötzlich Hormone fehlen und keine anderen zugeführt werden), Wechseljahresbeschwerden übelster Art. Am Ende so heftig, dass ich kaum aufrecht laufen konnte ohne Schmerzen. Als dann Testo kam, wurde es besser. Blocker wurde abgesetzt. Ab jetzt sollte Testo dafür sorgen, dass das Östrogen unterdrückt wird (funktioniert in den meisten Fällen, wenn man gut eingestellt ist: dann stellt die körpereigene weibliche Hormonfabrik ihren Dienst ein). 

Ich fing an mit einer sehr niedrigen Dosis Gel. Vom ersten Tag an spürte ich erste Veränderungen. Leider nur überall dort am Körper, wo man es von außen nicht sieht und hört (aber für mich ein tolles Gefühl: endlich geht´s los). Das zeigte mir, dass Testo schon wirkte. Trotzdem dauerte alles extrem lange. 

Mit der Zeit bat ich, die Dosis zu erhöhen, die Klinik fand das nicht gut und riet mir ab. Ich durfte nur extrem langsam steigern, mein Anliegen wurde beiseitegewischt. Fühlte mich mit niedriger Dosis permanent schlecht, hatte fiese Wechseljahresbeschwerden, mein Östrogen ließ sich nicht wirklich unterdrücken. Man riet mir eben zu Blocker (was ich meinem Körper auf Dauer nicht zumuten wollte).

Weil in der Klinik ständig der Arzt wechselte, und weil ich mich nicht ernstgenommen fühlte (man fuhr Standardprogramm 0815, statt einzeln auf den Patienten einzugehen), habe ich in eine andere Praxis gewechselt. Die Ärztin hörte mir zu. Schlug mir Spritze vor, akzeptierte aber meinen Wunsch nach weiterhin Gel (dafür in höherer Dosis als bisher, auch einen Präparatswechsel haben wir durchgeführt, weil ich einfach nicht vorwärts kam). Ich fühlte mich mit der höheren Dosis sehr viel wohler. Trotzdem ließen sich die weiblichen Hormone nicht komplett unterdrücken. 

Ich bekam zwischendurch immer wieder einmal Blocker. Blocker haben ziemlich fiese Nebenwirkungen (hier höre ich die Meinungen auseinandergehen. Ich kann nur von mir reden und sagen "immer, wenn ich Blocker bekam, ging es mir wochenlang danach richtig schlecht"). Ich hatte einfach die Hoffnung und ging davon aus, dass ich mit dem passenden Präparat oder mit der richtigen Dosis es schaffen könnte, das Östrogen zu unterdrücken, wenn es kurzfristig geblockt war und dann die passende Dosis nachkäme. 

Habe dann also nach einiger Zeit gewechselt auf die Spritze. Ich spürte, dass mein Körper einfach eine höhere Dosis braucht. Bin kein Junkie und wäre dankbar, wenn ich mit weniger zurechtkäme, aber mein Körper kommt mit höherer Dosis besser klar. Das sahen wir auch bei der Auswertung meiner Blutwerte, das spürte ich nach der Steigerung.

Als ich die Spritze bekam, fühlte ich noch einmal einen richtigen Schub an Vermännlichung. Es hat sich einiges getan, und tatsächlich wurde bald darauf mein Passing besser. Endlich wurde ich von Fremden als Mann gelesen und wurde nicht mehr misgendert. Trotzdem macht mir das Östrogen noch immer einen Strich durch die Rechnung: 

Ich bekomme einen Blocker, das Östrogen sinkt auf Null. Gegen Ende des Spritzenzyklus (drei Monate ist der Zyklus für Testo-Depot und für das Depot des Blockers) spüre ich, wie das Östrogen wieder durchkommt. Gründe dafür kann es viele geben, und es wurde soweit als möglich alles ausgeschlossen. 

Immer, wenn das Östrogen stieg, fühlte ich mich hundeelend! Je höher mein Ö-Spiegel steigt, desto elender fühle ich mich (Siehe oben: meine persönliche Beobachtung. Keine medizinische Aussage). Und je höher das Zeug war, desto mehr Testo war nötig, damit ich ohne Nebenwirkungen im Alltag klarkam. Ich hatte aber keine Lust, immer höheres Testo zu bekommen, das ist auf Dauer auch nicht gesund.

Von Testo-Spritze zu Spritze wurde das Östrogen immer höher. Bis er irgendwann nach einigen Monaten immer wieder so hoch war wie bei einer biologischen Frau in den höchsten Zeiten ihres Hormonspiegels. Ich kann mein Gesicht im Spiegel nicht mehr leiden (auf Fotos erkenne ich klar den Unterschied), mein Passing sinkt drastisch und immer öfter werde ich dann wieder als Frau angesprochen, meine Stimme wird höher (trotz Stimmtherapie kann ich sie kaum noch steuern, sie rutscht hoch wie damals vor Testostart), meine Körperbehaarung verringert sich, ich bekomme Verspannungen und Gelenkschmerzen, ich bin ständig gereizt, habe Albträume, leide unter Schlafstörungen, bekomme Fressanfälle, fühle mich schlapp und wie erschlagen, bekomme wechselweise Hitzewallungen und Kältegefühl, habe Wassereinlagerungen, meine Konzentration lässt nach, ich werde innerlich unruhig und nervös, neige zu Panikanfällen, mir wird schneller übel, ich reagiere empfindlicher auf Gerüche und andere Sinnesreize. 

Vor einiger Zeit habe ich angefangen, die Schilddrüse zu behandeln. Inzwischen habe ich sehr gute Werte. Fühle mich damit wesentlich stabiler. Allerdings habe ich den Eindruck, dass dadurch die Hormone etwas verändert wirken (was nachvollziehbar ist, denn: siehe oben, der Körper ist ein komplexes zusammenhängendes System, nur an einem einzelnen Rädchen schrauben ohne andere zu verstellen geht leider nicht). Dadurch kam gefühlt wieder alles komplett durcheinander, das Chaos fing wieder von vorne an.

Früher stieg mit dem Ö-Spiegel immer meine Tendenz zu Rückenschmerzen. Je höher das Ö, desto schlimmer die Schmerzen (teilweise so heftig, dass ich kaum gehen / sitzen konnte). Vom Blocker wurden die Rückenschmerzen immer noch mal richtig übel angekurbelt, und dann sackte es wieder ab, wurde besser. Als der Blocker dann nachließ, kamen die Schmerzen nach und nach wieder. Ich schob es auf Ö, aber seit der besser eingestellten Schilddrüse sind nun auch die Rückenschmerzen besser geworden bzw weggefallen. Ich kann also nicht sagen, woran es lag, aber es hat mich sehr geplagt und trat ebenfalls regelmässig zyklisch im Zusammenhang mit meinen erhöhten Östrogenwerten auf. Nach dem letzten Blocker kam es nun wieder, aber deutlich schwächer.

In den letzten Wochen, ab Mitte Dezember 2018 ging es mir verdammt dreckig. Schon vor der üblichen Zeit (drei Monate) spürte ich sehr heftig die Auswirkungen des steigenden weiblichen Hormones, ich strich wie ein Tiger im Käfig unruhig in der Wohnung auf und ab. Dann die Weihnachtsferien. Von Urlaub konnte keine Rede sein, ich habe innerlich und äußerlich nur noch "am Rad gedreht", fand keine Ruhe, keine Entspannung, mein Körper war unter Dauerstrom und signalisierte nonstop Stress. Blutwerte haben mich dann bestätigt in dem, was ich vermutet hatte. Und bekam also auch meine Spritze, diesmal vorzeitig. Und einen Blocker, weil meine weiblichen Werte (mal wieder) jenseits von Gut und Böse waren. 

Und dieses Mal hat der Blocker all die typischen Nebenwirkungen gezeigt wie davor auch, nur in so heftiger Form, dass ich eine Woche regelrecht flachlag. SO krass war es noch nie. Übelkeit, Durchfall, Schwindelgefühle, Hitze- und Kältewellen. Und zwar stundenweise wechselnd. Morgens Übelkeit und Erbrechen, danach ein paar Stunden top als wäre nie etwas gewesen und fit und stabil. Dann plötzlich kurz darauf am Nachmittag Durchfall, der nach ein paar Stunden wieder weg war. Nur um dann in der völlig überheizten Wohnung zu frieren. Und dann abends wieder mit Übelkeit zu kämpfen (mitsamt Kotzeimer neben dem Bett) und anschließend trotz Minusgraden mit offenem Fenster zu schwitzen wie in der Sauna. Ich  musste wichtige Termine auf Arbeit absagen, konnte nichts mehr essen. Als hätte jmd in meinem Körper wild auf irgendwelchen Knöpfen herumgedrückt und nicht gewusst, welche Steuerelemente er bedienen muss. Es war das reinste Chaos. 

Ich kann und will meinem Körper dieses Chaos auf Dauer nicht zumuten. Nonstop Blocker ist ebenfalls eine ziemliche Belastung. Eine so extrem hohe Dosis Testosteron, die bei mir nötig wäre zur Unterdrückung von Östrogen, die will ich ebenfalls vermeiden. Auch psychisch tut mir das einfach nicht gut, es ist jedes Mal eine große Belastung, dieses Auf und Ab kostet jedes Mal unglaublich viele Nerven, es zieht mir Energie. Ich will mich auf meine Arbeit konzentrieren, auf meine Beziehung, auf meine Hobbies. Ich will leben. Und nicht ständig Blutwerte testen und immer im Kalender auf die nächste Spritze schielen. Habe mich nun also für die OP (Hormonfabrik) entschieden und hoffe, das danach endlich einmal Ruhe in meinem Körper einkehren wird. Mehr dazu in einem anderen Beitrag.

Und immer, wenn ich höre "Trans ist nur ´ne Modeerscheinung" oder ähnlich blöde Sprüche, dann muss ich innerlich verzweifelt lachen. Logisch, solche Nebenwirkungen, so viel Arztgerenne, all diese Belastungen - das mache ich nur, weil ich Aufmerksamkeit will, weil mir langweilig ist, weil es alle anderen auch gerade machen, und weil ich grad nix Besseres zu tun habe. Mal sehen, welcher Spleen mir morgen einfällt ;-)

2heartedman 23.01.2019, 16.16

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