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Fotokiste und Verlaufsalbum

Eine der Aufgaben, die ich die letzten Monate ständig vor mir hergeschoben habe (neben Ausmisten der Küche, Sortieren der Versicherungsunterlagen, Ausmisten und Sortieren meines Briefpapieres und der Kruschelkisten und einiger anderer lästiger Dinge), war das Sichten, Ausmisten und Ordnen meiner Fotokiste.


Es sind sehr viele Fotos, meine Großeltern haben von Kind an alles mögliche ständig fotografiert. Ich wuchs damit auf, dass ständig eine Kamera auf mich gerichtet war. Was ich ziemlich lästig fand. Als Kind schien mich das weniger zu stören, ich habe viel in die Kamera gelacht, aber je älter ich wurde, desto weniger Bilder wurden es. Wobei ich mich erinnere, dass man es immer wieder versuchte. Aber die Bilder, wo ich wegsehe oder ich umdrehe, werden immer mehr, je älter ich werde. Und das Gesicht wird immer verkniffener, immer ernster. 

Fotos aus der Schulzeit, die Klassenbilder. Mit der Bigband, mit meinem Exmann, mit Freunden auf einer Feier. Verwandte, Freunde. 

Ab meiner depressiven Phase wurden die Bilder immer weniger, irgendwann dann gibt es eine Zeit, wo sogut wie keine Fotos mehr von mir gemacht wurden, das erstreckt sich über mehrere Jahre. 

Und dann gab es hier und da mal ein paar Fotos, etwa bei einer Veranstaltung. Aber nur noch sehr wenige. Ich lächle zwar (für meine Verhältnisse. Eben für die Kamera. Andere sagen, ich würde ernst aussehen), aber wirklich glücklich scheine ich nicht zu sein. 

Dann die Motivationsfotos 2014, als ich bei Princess for one Day mich männlich stylen und ablichten ließ. Wow, das war so schön, und ich sehe es immer noch gerne an. Mir war bewusst, dass ich mit Testosteron anders aussehen würde als das weibliche Gesicht mit männlichem Styling, aber es ist toll geworden, und ich war so glücklich!

Das nächste Jahr gab es fast keine Fotos von mir. 2015 steckte ich im weiblichen Körper, hatte mich aber bereits geoutet. Bitte, keine Bilder!!! 

Und jetzt, seit 2016, mache ich regelmässig Fotos von mir. Wirklich toll sehe ich nicht aus, aber ich fühle mich wohl, und ich empfinde mich als deutlich männlicher. Beobachte neugierig den Verlauf, kann ihn nicht wirklich festlegen oder an irgend etwas definieren, aber es scheint immer besser zu werden ;-)

Von meinen Passfotos habe ich eine Art Verlaufsalbum gemacht. Beginnend von den zwei, drei Passbildern der Kindheit, und dann das erste Bild ab dem Alter von 16, als ich eines für den Führerschein benötigte. Und dann kamen nach und nach immer mehr Passbilder, für den weiteren Führerschein ab 18, für verschiedene Bewerbungsunterlagen und andere offizielle Anlässe. 

Ich finde es sehr spannend, das über die Jahre hinweg zubeobachten. Wie die Haare immer länger und kürzer wurden, mal ganz lang, dann wieder ab. Wie das Gesicht breiter und dicker und runder wird, dann wieder schmaler. Wie unstet und wechselhaft das alles war. Weil ich nie wusste, wen ich darstellen möchte. Wer ich bin, wusste ich, aber ich durfte es ja nicht sein, versuchte also ständig irgendwelche Kompromisse einzugehen. Mal gewannen die anderen, und ich ließ die Haare wachsen, erst der Familie zuliebe, dann dem Partner zuliebe, dann einem anderen Mann zuliebe, und dazwischen kamen sie immer mal wieder ab, mir zuliebe. 

Mal wirkt alles sehr weiblich (den anderen zuliebe), mal sehr männlich (mir zuliebe), manchmal auch neutral, schlabbrig ungepflegt und undefiniert (weil ich keinen Bock mehr hatte und es mir scheißegal war). Schon als Kind gab es beides: die männlichen Fotos mit kurzen Haaren, wilden Klamotten, mitten in Aciton, lachend und abenteuerlich, "am Rumräubern" (wie Opa immer sagte). Und die traurigen im Kleid, im Röckchen, mit Zöpfchen und Rüschen in hübschen Schühchen, schön ordentlich wie Oma es wollte, mit verkniffenem Gesicht und gezwungenem Lächeln. 

Es steckt sehr viel in den Erinnerungen. Die Arbeit an sich ging sehr schnell, aber ich habe bisher trotzdem zwei Tage benötigt, das alles zu sichten und sortieren. Weil ich manchmal dann doch etwas länger an einem Bild hängenblieb. Weil ich Gesichter wiederentdeckte, die ich fast vergessen habe. Auch mein Traum heute Nacht holte viele dieser Menschen wieder hervor, etwa aus der Zeit des Gebärdenkurses, die zweite zehnte Klasse, die Leute aus dem Orchester und der Band und einige weitere. 

Morgen wird das dann alles chronologisch sortiert, damit ich das Zeug besser finde, falls ich einmal etwas suche. Und dann kommt es weg. Muss auch mal gut sein damit. Die alten Bilder sind Vergangenheit. Ich werde sie nicht beschönigen und berichtigen, sie gehören dazu und sind ein Teil von mir. Aber sie kommen in eine Kiste, und dort bleiben sie. 

Das selbstgebastelte Verlaufsalbum werde ich offen bei meinen Unterlagen lassen und stetig weiterführen. Auf einem Briefpapier von Janosch, mit der Tigerente. Ich mochte dieses Tierchen schon immer, weil es zwei völlig gegensätzliche Wesen in sich vereinte. Und in dem Album wird nun auch endlich beides zusammengeführt ... und ich bin schon sehr gespannt auf die zukünftigen Bilder, welche das Album fortführen werden ...

2heartedman 02.07.2016, 18.56

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