two hearted man
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Formulierungen beim Outing

Beim Outing habe ich dank meines Passings inzwischen verschiedene Möglichkeiten. Ein paar Formulierungen haben sich inzwischen häufiger wiederholt:

ICH BIN TRANSIDENT

Auf diese Aussage folgt meist "Du möchtest also lieber eine Frau sein". Das kann ich mit Sicherheit verneinen: Been there, done that. Inzwischen versuche ich diese Formulierung zu vermeiden und werde lieber gleich konkret.

Außerdem haben die Menschen dann sofort Bilder in den Kopf. Es ist oft in der Presse, in den Medien, es gibt viele Filme und Bücher inzwischen, und schon stecke ich in irgendeiner blöden Schublade fest. Welche Schublade das ist, hängt von den Vorerfahrungen meines Gegenüber ab. Mit dieser Formulierung fühle ich mich irgendwie nicht als der Mensch wahrgenommen, der ich jetzt bin.


ICH WURDE WEIBLICH GEBOREN

Das ist für meinen Gegenüber erst einmal eine ziemliche Überraschung. Aber zumindest ist sofort klar, was ich damit meine. Ich empfinde es aber irgendwie falsch, weil es impliziert "ich war mal eine Frau". Ich mag zwar wie eine gelebt haben, aber ich habe mich nie als solche gefühlt. Außerdem lenkt das den Fokus auf meine Genitalien, weil das eben das ist, worüber Kinder idR bei der Geburt identifiziert werden. Mein Mannsein ist für mich aber nicht an die Genitalien gebunden, und ich will da auch gar keine Diskussion darüber aufkommen lassen.


ICH WURDE BEI DER GEBURT ALS WEIBLICH EINGEORDNET

Diese Aussage finde ich ganz gut. Führt aber zu einigen Nachfragen, weil nicht jeder mit dem Begriff "assigned at birth" oder "bei der Geburt eingeordnet" etwas anfangen kann. Für mich ist es sehr griffig, weil es zeigt, dass ich aufgrund meines Körpers falsch eingeordnet wurde. Aber es bleibt beim Baby, und mein Lebenslauf besteht nicht nur aus Baby, sondern ich bin inzwischen 40 Jahre alt und habe meine Geburt schon lange hinter mir. Wähle diese Aussage also eher ungern, obwohl es für mich stimmig ist.


ICH WURDE WEIBLICH ERZOGEN

Das führt zu ziemlicher Irritation. Da steht ein Mann und erzählt, dass er weiblich erzogen wurde. WTF? Warum sollte man einen Jungen weiblich erziehen? Diese Aussage mag aus Sicht der Außenstehenden seltsam sein, ich für mich empfinde sie aber tatsächlich als die korrekteste aller Aussagen. Es geht weg von meinem Körper und legt den Fokus auf das, was für mich meinen Trans-Lebenslauf auszeichnet, nämlich die falsche Sozialisation und die Fehlbehandlung als Frau. Es zeigt, dass ich Lücken in meiner Biographie habe, die ich nicht mehr nachholen kann. Es zeigt "das war damals. Aber guck, hier stehe ich heute als Mann"


ICH HABE WEIBLICHE CHROMOSOMEN

Habe ich noch nicht probiert, finde es aber auch relativ passend. Die Menschen reagieren auf das, was sie sehen. Und ich werde als Mann gelesen, außerdem passt mein Verhalten zu meinem Äußeren, und insgesamt ist alles stimmig. Bis auf die Chromosomen innendrin. Es wird also gar nicht so sehr auf Gesellschaft und Optik und Mensch eingegangen, sondern auf die Biologie. Manchmal nutze ich auch die Variante "ich bin ein Mann mit  Hormonmangel", das geht von der Aussage her in die gleiche Richtung: es geht zwar auf den Unterschied zu Cis-Männern ein, betont aber trotzdem die Männlichkeit.

Ich kann mir vorstellen, dass bei dem Satz "ich habe als Frau gelebt" oder "ich wurde weiblich geboren" die Menschen dazu neigen, die Frau in mir zu suchen und sich später verplappern. Aber "weibliche Chromosomen" ist etwas, das man nicht sieht. Da versucht der Gegenüber im ersten Moment der Assoziation nicht, eine weibliche Schablone über mein Gesicht zu legen, sondern er/sie überlegt erstmal "Männer, Frauen, XX und XY, wie war das nochmal, ah hm okay" und hat dann irgendwelche biologischen Schautafeln aus der Schule im Kopf. Vielleicht versucht man dann auch, das Weibliche in mir zu sehen, aber der Fokus ist trotzdem auf so einem Chromosom in mir drin statt auf der Oberfläche meines Körpers. Dadurch fühle ich mich als Mann wahrgenommen, bin aber dennoch offen und zeige mich als ich selbst.


SONSTIGE GEDANKEN

Im Grunde habe ich keinen Fahrplan, wann ich was sage und wie ich es formuliere. Wie schon gesagt ist das sehr abhängig vom Gegenüber, von der Situation, von meiner Tagesform und davon, was ich in dem Moment zum Ausdruck bringen möchte. Manchmal ergibt es sich auch im Kontext einer Frage / Aussage, dass ich ergänzend zB einfach hinzufüge "damals habe ich als Frau gelebt" oder "ja, mein Körper war mal weiblich". 

Mir ist bewusst, dass manche Formulierungen ziemlich blöd sind. Mein Körper gehört mir, ich bin ein Mann, und somit war mein Körper schon immer männlich. Aber das kann ich so nicht sagen, da würde sich Menschen, die mit dem Thema nichts zu tun haben, das Hirn verknoten. Es gibt für mich keine "Bio-Männer", weil ich ein Mann bin und auch biologisch bin, aber das Wort "Cis-Mann" ist vielen eben unbekannt, deswegen verwende ich "Bio-Mann" im Umgang mit anderen eben trotzdem. Ich fahre einen Gang zurück und versuche, meine Worte so zu wählen, dass der Gegenüber mich versteht, ich mich aber dennoch nicht allzu sehr verbiege. Manchmal gar nicht so leicht ;-)

Passende Formulierungen, political correctness und Co kann ich den Leuten dann später immer noch vermitteln, wenn sie sich auf das Thema einlassen möchten und ich erkenne, dass sie mehr darüber erfahren wollen. Eins nach dem anderen ...

2heartedman 01.08.2019, 17.30

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