two hearted man
Interne Seiten
RSS 2.0 RDF 1.0 Atom 0.3
2024
<<< April >>>
Mo Di Mi Do Fr Sa So
01020304050607
08091011121314
15161718192021
22232425262728
2930     
Statistik
Einträge ges.: 1238
ø pro Tag: 0,4
Kommentare: 263
ø pro Eintrag: 0,2
Online seit dem: 05.12.2014
in Tagen: 3430

Ausgewählter Beitrag

Erste Schritte - Juli bis November 2014

Von Juli bis November ist nach außen hin wenig geschehen. Mir war klar, dass ich meinen Weg nicht von heute auf morgen durchboxen will. Ich lasse mir Zeit. Werde ungeoutet meine Arbeit bis Ende 2016 fortführen. Werde auch die Familie nicht sofort überfallen, sondern noch ein wenig warten, bis ich etwas selbstsicherer auftreten kann. Werde mir Zeit nehmen, mich über OPs, Testosteron, rechtliche Schritte zu informieren. Werde den Therapeuten mit meinen Anliegen löchern. Fünf Monate habe ich mir gegönnt, um das innere Chaos zu bewältigen. Das hat meinen Alltag ganz schön auf den Kopf gestellt ... 


Ab Juli begann ich mich hier und da zu outen. Zuerst völlig anonym im Blog einer sympathischen Transfrau und bei der Leitung einer Selbsthilfegruppe. Dort bekam ich Anlaufstellen, Tips und Rat. Dann bei meinen besten engsten Freunden, im Anschluss etwas weiter entfernte Freunde. 

Die Reaktionen waren unterschiedlich, aber durchweg positiv. Manchmal, wenn ich das Mail oder den Brief las, hatte ich Tränen in den Augen. So tolle Menschen, und sie stehen alle hinter mir! Sie halten mir die Freundschaft, freuen sich für mich, beglückwünschen mich, werden mich begleiten. Sie stellen mir Fragen, sind neugierig und können gut damit umgehen. Eines Tages werde ich auf Menschen treffen, die bösartig reagieren, doch die vielen Freunde, die hinter mir stehen, können das um ein Vielfaches aufwiegen ... 

Ein paar Beispiele für typische Reaktionen:

- "boah, das war alles? So, wie Du das angekündigt hast, dachte ich, jetzt kommt was Schlimmes. Also, wo waren wir vorhin stehengeblieben? Gehen wir ins Café oder in die Eisdiele?"

- "Das ist ja spannend! Du, ich habe tausend Fragen, ich löcher Dich jetzt einfach. Sag stop, wenns zuviel ist, ja?" 

- "ich freue mich für Dich. Bitte sieh es mir nach, wenn ich noch ein wenig Probleme habe, Dich als Mann zu sehen, ich bin das einfach nicht gewohnt. Aber das ist nicht böse gemeint"

- "Klasse! Ich hab es ja schon immer gewusst. Super, dass Du das endlich durchziehst"

Die Reaktionen waren alle echt und ehrlich. Jeder geht anders damit um. Trotzdem habe ich gehörig Fracksausen, sobald ich wieder ein Outing-Mail tippe. Ob die Reaktion diesmal wieder so positiv sein wird? Selbst, wenn man einen Menschen gut kennt - über Themen wie Transsexualität redet man normalerweise nicht, daher kann ich oft nicht einschätzen, wie die Menschen dazu stehen. Ich weiß "der ist aufgeschlossen und respektiert Andersdenkende", aber mir ist auch bewusst, dass jeder seine Grenzen und Grauzonen hat. Dazu meine Unsicherheit: jetzt auf einmal erhalte ich so viel herzliche Glückwünsche und Komplimente für das, was mein Leben lang "falsch" und "schlecht" war?

Dann erzählte ich es meinem Friseur. Kein Problem für ihn, schließlich schneidet der mir schon seit 12 Jahren ´nen Herrenschnitt. Auch die Ärztin wurde informiert. Sie meinte nur "ist neu für mich, für spezielle Sachen müssen Sie schon zum Facharzt. Aber Schnupfen kann ich behandeln, der ist ja bei Frauen und Männern gleich. Suuuuper, ich freu mich schon drauf!" Sie war total empört, als ich erzählte, dass es wohl auch Gynäkologen gibt, die angeblich keine Transmänner behandeln (Info: als Transmann kann man seine weiblichen Genitalien behalten, benötigt also weiterhin Untersuchungen beim Gyn). Se fand das total lächerlich und steigerte sich da fast rein, wie verbohrt manche Ärzte wohl seien.

Dann das Outing beim Versicherungsmakler, denn da wird sich ja bald einiges ändern. Männer und Frauen zahlen andere Tarife, haben teils andere Verträge. Ist meine Krankenkasse geeignet oder sperren die sich? Muss ich etwas bedenken und sollte vorsorgen? Er reagierte sehr professionell. Gab auch offen zu, dass das Neuland ist. Versprach, sich ohne Nennung meines Namens zu erkundigen. Ein paar Vorabinfos habe ich bereits bekommen. Nun wird er sich genauer erkundigen, und bald sehen wir uns wieder. 

In mir ein Chaos, ein Auf und Ab. So viele positive Reaktionen. Meine Welt plötzlich auf den Kopf gestellt. So viele Informationen, so viele Fragen, so viele Eindrücke! Ich hatte oft das Gefühl, mir platzt der Schädel. Am liebsten alles zugleich und sofort! Fünf Monate, so eine endlos lange Zeit ohne Testo, ohne OP, ohne Ausweis, ohne Therapie. Fünf Monate, so eine verdammt kurze Zeit für so viele Erfahrungen ...

2heartedman 06.12.2014, 13.12

Kommentare hinzufügen

Die Kommentare werden redaktionell verwaltet und erscheinen erst nach Freischalten durch den Bloginhaber.



Kein Kommentar zu diesem Beitrag vorhanden