Ich habe mich niemals verbogen. Mein Ziel war eine weichere, androgyne Form der Männlichkeit. Das hat das Passing natürlich sehr erschwert, weil es die Menschen verunsicherte und die Wahrnehmung bei "unklar" dann immer zu "weiblich" kippte. 

Hat verdammt wehgetan, weil es dadurch natürlich sehr lange gedauert hat, bis die Menschen mich einfach aufgrund meines Äußeren als Mann wahrnahmen. Aber ich hatte trotzdem keine Lust, mit Gewalt irgendwelche Klamotten zu tragen, die mir nicht gefielen. Symbole oder Accessoires zu holen, die mir nicht stehen. Mich anders zu benehmen, als es meine Art ist. Und ja, ich habe mir auch häufiger einmal von anderen TM oder von Außenstehenden anhören dürfen "Du solltest xy sagen / tun / anziehen, dann würde man Dich auch mehr für einen Mann halten". 

Habe ich nicht getan. Und bin froh, dass ich durchgehalten habe. Es gibt richtig schöne Momente, über die ich mich sehr freue. Etwa letztens während der Streetwork. Da bin ich innerhalb der queeren Szene unterwegs, muss mich nicht verstecken sondern betone es manchmal sogar noch. In diesem Fall wieder einmal Kleidung und Verhalten, das eher in die feminine Ecke gesteckt wird. Ich finde es ziemlich albern, dass meine Art zu gucken, den Kopf zu bewegen oder Menschen anzusehen als weiblich gelesen wird. Das ist eine Form der Rollenzuschreibung, die ich ziemlich daneben finde, aber Menschen scheinen diese Stereotype für sich zu brauchen. 

Stand also im Laden, mit meinem Rosa Shirt, meinem androgynen Auftreten, wollte etwas kaufen. Der Verkäufer holte mehrere Adapter in verschiedenen Farben aus dem Schrank, legte sie auf den Tisch. Dann packte er den rosafarbenen Adapter, legte ihn weg, guckte mich an, meinte "neeee, für Sie nicht". 

So, als würden Männer keine rosa Sachen kaufen (obwohl ich gerade ein rosafarbenes Shirt trug). Legte mir dann schwarz, weiß und grau vor die Nase. Ich hatte in dem Moment tatsächlich überlegt, das rosa Teil zu nehmen, einfach weil es so winzig ist und ein winziger rosa Adapter zwischen all den schwarzen und weißen Elektroteilen in meiner Kabel-Kiste wenigstens nicht verlorengehen kann ;-)

Ähnliche Erlebnisse hatte ich in letzter Zeit häufiger. Ich trage kleine Schuhe, zierlichen Schmuck, feminine Accessoires, habe ein blumenverziertes Notizbuch, einen filigranen Ring, verhalte mich manchmal eher untypisch für einen Mann. Und trotzdem werde ich nun überall als Mann gelesen. Das ist so unglaublich befreiend, dass ich es an manchen Tagen gar nicht fassen kann.