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Chronologischer Jahresrückblick 2020

2020 war wirklich ein seltsames Jahr. Aber ich darf dankbar sein, denn für mich war es durchweg positiv. Voller neuer Erfahrungen, Erkenntnisse, Hobbies, Kontakte. Ich habe mich beruflich, mental und körperlich weiterentwickelt. Ich hatte von allem genug und musste keinen Mangel leiden. Klar gab es Sachen, die ich vermisst habe oder die schlecht für mich liefen, aber dafür gab es viel Ausgleich an anderen Dingen, sodass ich dieses Jahr so ausgeglichen und zufrieden war wie ... hm, keine Ahnung seit wann, vermutlich sogar so zufrieden wie noch nie zuvor.


Letztes Jahr war mein Rückblick relativ kurz, dieses Jahr wird er recht ausführlich werden. Wie gesagt: es war ein aufwühlendes Jahr voller Ereignisse, auf der ganzen Welt. Und natürlich hat sich das auch auf mich ausgewirkt. Außerdem habe ich einige neuen Hobbies gefunden, die ich hier anreißen möchte, bevor ich ihnen später weitere Beiträge widme.


JANUAR

Ich war im Kino, war mit meinem Ex spazieren, war mit Kunden im Restaurant. Die Familie war zu Besuch, wir  haben einiges draußen unternommen. Ich habe ein Konzert besucht und war mit den Kollegen zum Neujahrsessen im Restaurant. Außerdem habe ich einen Trekkie-Stammtisch besucht. Kurz gesagt: essen gehen, viele Menschen treffen, Kino, Konzert, volles Programm. Klar hat man irgendwo in den Medien mal was von einem Virus im Ausland gehört, aber das hatte ja nichts mit uns zu tun. Ich habe den Januar ziemlich genossen. Auch, wenn ich eher der zurückgezogene Typ bin, kann ich gezielten Veranstaltungen und Treffen etwas abgewinnen, und der Januar ist mir durchweg positiv in Erinnerung.


FEBRUAR

Treffen mit Freunden im Café, Männerstammtisch, Besuch eines Freundes von weit her, Filmabend mit meinem Kumpel. Entspannt, alles ruhig, ausgewählte positive Kontakte, ein sehr ruhiger Monat ohne besondere Ereignisse.


MÄRZ

Wir besuchten die Familie, erste Ahnung, dass es vielleicht das letzte Mal sein könnte für längere Zeit. Mein Kumpel und ich sind in der Streetwork eigenverantwortlich unterwegs und hielten es Mitte des Monats für ratsam, vorerst zu pausieren. Noch bevor der Lockdown verkündet wurde, spürten wir bereits auf den Straßen die Veränderungen, es war irgendwie unheimlich. Plötzlich waren die Regale in den Läden leergehamstert, und dann stellten soziale Träger ihre Beratungsangebote ein, die Fitnessbuden mussten schließen, Kneipen und Bars waren auch zu.

Im Hauptjob durften wir keine direkten Kontakte mehr pflegen und mussten uns vorübergehend auf Telefonate beschränken. Wir bekamen eine neue Teamleitung, und kurz darauf kündigte der Chef seinen baldigen Abschied an, es ging drunter und drüber, aber irgendwie hatte alles seine Ordnung, und jeder von den Kollegen und aus dem Leitungsteam hat sein Bestmögliches gegeben, ich fühlte mich gut aufgehoben. Mein Job war sicher, ich gehöre zu den Systemrelevanten, um Gehaltsausfälle oder gar Kurzarbeit musste ich mir keine Gedanken machen. 

Trotzdem war es alles irgendwie unheimlich: queere Arbeitskreise wurden abgesagt, es gab keine Workshops mehr an den Schulen, Männerstammtisch und Trekkie-Stammtisch entfielen. Klar war reguläre Arbeit für mich möglich, aber sie verlief komplett anders als sonst, und plötzlich gab es für meine Kunden alle nur noch ein Thema, und natürlich stürzten viele von ihnen in eine Krise, zumal auch psychiatrische Kliniken überfüllt waren und selbst psychotische Menschen plötzlich nicht mehr aufgenommen werden konnten.

Die räumlichen Abstände vergrößerten sich, es gab Ausgangsbeschränkungen. Ich sah tatsächlich eine Frau mit einem Maßstab auf dem Gehweg, die Passanten beschimpfte, wenn diese nicht exakt 1.5 m Abstand hielten. Ich sah Streitigkeiten zwischen Menschen, die unterschiedliche Meinungen hatten über das Tragen von Masken. Ich sah grölende und pöbelnde Gruppen in der Innenstadt, die sich gegen die Einschränkungen wehrten und dabei handgreiflich gegenüber der Polizei wurden.

Und in den Läden war gähnende Leere. Schatz und ich haben nicht gehamstert, wozu auch? Wir haben eigentlich immer Vorräte zu Hause. Und ich gehöre nicht zu den Menschen, die schnell Angst haben. Vielleicht bin ich sorglos, aber mein Motto ist "irgendwas geht immer" und "erst mal abwarten, dann sehen wir weiter". 


APRIL

Lockdown, Einschränkungen, keine Veranstaltungen. Einschränkung überall, viele Streitigkeiten unter den Menschen, weltweites Chaos. Es tut mir leid für alle Menschen, die ihre Existenz verloren haben, die ihre Geschäfte schließen mussten, die finanzielle Einbußen hatten oder ihre Miete nicht mehr zahlen konnten. Die zu mehreren in einer engen Wohnung hockten, sich um den PC für das Home-Office und den digitalen Schulunterricht kloppen musste. Die geliebte Menschen verloren hatten und ihre Familie nicht mehr sehen konnten. Die ihre Trauer nicht vor Ort ausleben durften sondern Abschied nehmen mussten ohne den anderen noch einmal zu sehen. Es ist schrecklich, und mir fehlen für all diese Dinge die Worte. 

Umso mehr bin ich dankbar, dass es mir gut ging. Aber es mischt sich auch ein Gefühl darunter von "darf es mir überhaupt gut gehen, wenn so viele Menschen leiden?" Wer systemrelevant war, wurde mit Arbeit überschüttet bis an die Grenzen des Burnout. Wer nicht relevant war (wie schrecklich, überhaupt diese Bewertung einführen zu müssen, so als wären Kunst und Kultur und Seelenfutter nicht existenziell), bangte um seine Existenz. Bei mir war aber alles gut: ich durfte raus, ich durfte inzwischen auch wieder vor Ort Kontakte pflegen (mit Maske, mit viel Abstand, nicht in der Wohnung sondern beim Spazieren). Ich wurde nicht über das Maß zugeschüttet, und ich musste nicht in Kurzarbeit, ich habe ganz normal weitergemacht.

Ich bin hochsensibel. Zu viele Menschen, Gerüche, Geräusche verursachen bei mir einen stetigen Stress. Einkaufen, Innenstadt, öffentliche Verkehrsmittel, das ist für mich immer eine Belastung. Und auf einmal waren die Straßen leer, ich konnte mit dem Fahrrad gechillt über den mehrspurigen Verkehrsknoten fahren, der normalerweise ein reines Selbstmordkommando wäre. Ich genoss die Stille, die Weite, die Geräusche der Natur. Für mich war das Zurückfahren der Außenreize ein Geschenk.

Spazieren und Wandern hat mir schon immer gefallen. Ich war mit meinem Onkel im Wald wandern, viele Kilometer sind wir gelaufen, er hat mir Dinge aus der Vergangenheit meiner Familie erzählt, ich habe meine Wahlheimat neu erkundet. 

Und da ich auch mit den Kunden spazieren war, habe ich unzählige Kilometer geschrubbt. Ich konnte gar nicht mehr genug davon bekommen. Schon früher hat mein Ex mir nachgesagt, ich hätte Roboterbeine, weil ich des Laufens nie müde wurde, weil ich nie davon erschöpft war. Und tatsächlich war ich manchmal tagsüber acht Stunden mit Kunden spazieren, abends dann noch privat mit Schatz, und es fühlte sich körperlich einfach nur gut und befreiend an.

Außerdem fing ich an mit Joggen, konnte dem aber wenig abgewinnen. HIIT in den eigenen vier Wänden gefiel mir schon deutlich besser. Und der Trampolin kam auch immer häufiger zum Einsatz. Ich hatte ja Zeit und brauchte es, mich auszupowern. 

Mein soziales Netzwerk vor Ort funktionerte auch gut. Nachbarn waren da, als ich Hilfe brauchte (klar geht der Siffon kaputt, sobald der Baumarkt zu hat, wann sonst). Und ich war für die Nachbarn da, zB Einkaufshilfe für ältere Personen. Das war ein schönes Miteinander, für das ich sehr dankbar bin. Habe mich in dieser Siedlung schon immer wohlgefühlt, und das ist hierdurch nur noch stärker geworden.


MAI

Mein Ex (herrjeh, das klingt so blöd. Best Buddy? Kumpel? Bro?) legte sich eine VR Brille zu, die er begeistert mit mir teilte. Ich spielte Beat Saber, Star Trek und Dr Who und war absolut angefixt! 

Es waren wieder Kontakte erlaubt, ich blieb maßvoll, zB Filmabend mit einem Kumpel. Fiel mir aber nicht schwer, bin ja eh mehr für Einzeltreffen oder kleine Grüppchen und kann mit Großveranstaltungen wenig anfangen. 

Im Job blieben wir weiterhin auf Abstand. Denn trotz der Lockerungen waren die Gefahr der Ansteckung ja immer noch vorhanden. Um keine Kunden zu infizieren und selbst gesund zu bleiben, waren wir also stets vorsichtig. Für mich hieß das: weiterhin viel Spazieren. 

Und da Stammtische, Veranstaltungen ausfielen, hatte ich etwas mehr Zeit. Die nutze ich, um noch mehr zu spazieren. Ich wollte endlich einmal an meine Grenzen stoßen, die ich noch lange nicht erreicht fühlte. Letztes Jahr hatte ich vom Megamarsch erfahren, seitdem spukte mir diese Idee durch den Kopf, dass ich unbedingt teilnehmen wollte. Ich hatte keine Ahnung, wie ich trainieren wollte. Hatte aber auch keine Ahnung, wieviel ich tatsächlich laufe und ob ein Training nötig war. Fing immer öfter an, meine Touren auf dem Handy zu tracken. Ich habe mich im Internet umgesehen und fand eine Bekanntschaft, mit der ich in der Region zügig wandern ging. Sie hat ein für mich optimales Schrittempo, und ebenso wie ich hält sie sich nicht unnötig auf sondern läuft, läuft, läuft. Das war sehr befreiend für mich. 

Einmal bin ich 37 km alleine gelaufen, wollte Tracken üben, Strecke testen, meine Barfuss-Schuhe testen. Und ich war erstaunt, wie einfach mir das gefallen war. Im November würde der Megamarsch vor Ort stattfinden, bis dahin würde ich locker 50 km schaffen, bis dahin wäre Corona vorbei und ich könnte mit tausenden Leuten gemeinsam meiner neuen Leidenschaft nachgehen. 

Ich war das erste Mal seit Februar wieder beim Friseur, wir haben das erste Mal seit langer Zeit die Familie wieder besucht. Es schien, als würde langsam wieder Alltag einziehen in der Region, in Deutschland, auf der Welt. Oder so. Wer weiß. 


JUNI

Sogar die Streetwork ging wieder los, aber mit Veranstaltungen sah es noch eher mau aus. Alles, was mich interessierte, war abgesagt, wurde verschoben, war pausiert. Ich kam damit klar: wenn es nicht stattfindet, kann ich auch nichts verpassen. Ich habe genügend Hobbies und Interessen, sodass ich mich auch anderweitig beschäftige. Mir tat es nur leid um die Leute, die damit ihr Geld verdienen und jetzt auf dem Trockenen sitzen. Und ja, ab und zu mal Kino oder Konzert oder ohne Abstand im Café wäre schon nett gewesen. Aber ich bin recht gut damit, mich mit allem möglichen zu arrangieren, wenn ich es nicht ändern kann. Dann nehme ich es eben hin und mache das für mich Beste draus. 

Und in diesem Fall: Ich traf meinen Ex, wo wir noch einmal ausgiebig in der VR-Brille zockten. Er lieh sie mir dann sogar für eine Woche aus, und ich wurde absolut angefixt. Anfangs bekam ich Kopfschmerzen, mir wurde etwas schwindelig, aber es war einfach zu spannend. War halt ungewohnt für den Körper, für den Geist, und mit etwas Übung wurde es immer besser. Schwindel wurde weniger, Kopfschmerzen ließen nach. Und ich wusste, ich MUSS so ein Ding haben! 

Et voilá, einige Tage später hatte ich meine eigene Brille. Und von da an war ich täglich in der virtuellen Realität. Neben spannenden Games ist es vor allem eine tolle Möglichkeit, Indoor-Sport zu machen. Ich habe mich oft gewaltig verausgabt bei den Sportgames, stundenlang und mehrfach täglich, herrlich! 

Und es ist eine tolle Möglichkeit, sich virtuell mit Freunden zu treffen. Er und ich waren oft gemeinsam im virtuellen Kino. Klar, es fehlt der echte Popcornduft, man kann sich nicht umarmen zur Begrüßung (eh nicht mein Ding). Aber die Leinwand ist bombastisch, der Sound ist auch toll, man sitzt sich gegenüber, und die Brille trackt Körpersprache, Augenbewegungen verdammt gut. Selbst ohne dass er redete, konnte ich anhand seiner Körpersprache erkennen, was er mir sagen wollte ("hör auf, mit den Augen zu rollen, ich seh das!" oder "ui, was ist los, Du siehst so bedrückt aus", obwohl er kein Wort gesagt hatte). Das ist schon ein geniales Feeling, in einem riesigen virtuellen Kinosaal zu hocken, reales Popcorn zu Hause zu knabbern, der Kumpel 20 km entfernt und doch sah nah als säße er neben mir, ganz ohne Fahrtkosten und Zeitaufwand. 


JULI

Ich half meinem Onkel beim Umzug und war baff, wie kräftig ich inzwischen geworden bin. Die vielen Stunden des Workout in der VR-Brille, das Wandern, das Krafttraining hatten scheinbar eine Menge bewirkt. Dafür, dass zwei gestandene Kerle und ich den Umzug alleine gemacht hatten, war am Ende ich derjenige, der am längsten und entspanntesten die Sachen schleppte und die Treppen raufjoggte, darauf bin ich doch ein wenig stolz. 

Klar gab es noch Einschränkungen mit Maske und Abstand, aber so langsam waren wieder ein paar Treffen möglich. Es fanden wieder Arbeitskreise statt, zum Beispiel für den Europride, für die Streetwork, mit Freunden ging ich auf Wanderungen und Spaziergänge. 

Alles bestens. Ich merkte aber trotzdem, dass mir all das irgendwie zu schaffen machte. Ich hatte keine Probleme, es ging mir gut. Aber es war dieses Jahr schon ein gewaltiges Hin und Her, Auf und Ab. Heute erlaubt, morgen verboten. Regelung beschlossen, vom nächsten Bundesland aufgehoben, hier an Menschenverstand und Rücksicht appelliert, dort streng verboten, im Nachbarort oder in anderen Bundesländern schon wieder ganz anders. Auch beruflich anstrengend, weil ständig jemand ausfiel, weil ich hier Vertretung machte, dort irgendwo einsprang, selten wirklich planen konnte. Ich gebe zu, dass mich das schon etwas gestresst hat, nicht nur im Juli sondern generell in der Mitte des Jahres, als zwar alles gelockert aber noch immer unsicher war. Das empfand ich für mich als die anstrengendste Zeit des Jahres: diese Unsicherheit, das ständige "Auf-Dem-Sprung-Sein". Ich wurde ziemlich nervös, reizbar, dünnhäutig, ohne konkreten Anlass. Aber gut, ich wusste ja, woran es lag. Und mit Sport hatte ich einen guten Ausgleich, dazu ein paar Entspannungsübungen. Wie oben gesagt: ich konnte es eh nicht ändern, also einfach das Beste draus machen ...


AUGUST

Im August traf ich ein paar Freunde (mit Abstand, Maske, Vorsicht). Auch, wenn ich Stille und Zurückgezogenheit genieße, auch ich bin ein soziales Wesen. Und es gibt drei vier feste Freunde, die ich doch alle paar Wochen gerne mal treffen möchte für Filmabend, Spaziergang, Kaffeetrinken. 

EINE Veranstaltung im Jahr gibt es, die mir sehr viel bedeutet, das ist der CSD. Ich würde auf ALLES verzichten, solange ich nur diese Veranstaltung haben darf. War dieses Jahr natürlich schade. Nix mit riesiger Parade, großem Straßenfest, Rahmenprogramm aus Konzerten, Gottesdienst, Lesungen, Vorträgen, Führungen. 

Statt dessen am Samstag kleine Grüppchen mit Abstand und Maske, feste Leute (zB Arbeitskollegen aus einer Einrichtung, Zusammengehörige eines Haushaltes, Mitglieder eines Vereins). Irgendwie hatte das was von einer Geheimaktion: man musste sich anmelden, exakte Teilnehmer benennen, bekam kurz vorher Treffpunkt und Startzeit und Route, man durfte es niemandem verraten (damit sich keine Gruppen bilden und niemand am Straßenrand steht). Wir liefen also zu viert mit viel Abstand ein paar selbstgebastelten Plakaten durch einen Teil der Stadt, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Gelegentlich winkte mal ein Autofahrer. Einmal sprach uns ein alter Mann an, wie toll er das findet. Eine junge verschleierte Frau dankte uns von Herzen für unsere Arbeit (ich war mit den Mädels meiner Streetwork unterwegs). Wir kamen alle an unterschiedlichen Zeitpunkten auf einem großen Platz an, auf dem wir die unsere Fahnen ablegten, eine große gemeinsame Feier gab es leider nicht, trotzdem war es sehr bewegend.

Am Sonntag dann gab es eine lange Menschenkette durch die Stadt. Natürlich auch hier mit Maske und Abstand. Viele hatten eine Fahne zwischen sich, die sie mit ausgestreckten Armen hielten (Fahne 1,50, dazu die Arme, jo passt mit Abstand). Da nur wenige Menschen bereits verdammt viel Abstand bedeuteten, ging die Menschenkette also tatsächlich viele Kilometer durch die Stadt, wenn auch nicht so lang wie erhofft. Ich fand es eine schöne, solidarische Aktion: man hielt sich an die Regeln (im Gegenzug zu all den Demonstrationen, die inzwischen überall durch die Medien geisterten und dafür sorgten, dass die Zahlen überall wieder anstiegen), es war ein Miteinander, und doch waren alle auf Sicherheit und Gesundheit bedacht. Es war eine schöne Gelegenheit, sich wieder zu treffen und doch vorsichtig zu bleiben. Das ist es, was ich an unserer Community vor Ort so schätze: der Zusammenhalt, die Rücksichtnahme, die kreativen Ideen. 

Noch etwas Einschneidendes für mich im August: Mein Fahrrad wurde gestohlen. Ich nahm es gelassen hin, auch wenn es mich sehr betrübt hat. Aber mich aufzuregen würde es nicht wiederbringen. Es ist 20 Jahre alt, ich hatte viel damit erlebt. Schon häufiger überlegt mir ein neues zu kaufen, wollte aber noch etwas dafür sparen. Und dann - gerade, als ich ein gebrauchtes Rad probefuhr - sah ich es am Straßenrand stehen. Eindeutig mein Rad, nach über 20 Jahren kenne ich jeden Millimeter davon, Verwechslung ausgeschlossen. Ich klaute mir mein Fahrrad quasi zurück und war dankbar. Der Gedanke an ein neues Rad war passé: ich hatte begriffen, wiesehr ich mein altes Rad noch immer liebe und dass ich es niemals eintauschen möchte, selbst wenn das neue schneller oder hübscher oder besser ist. 

Und ich war sehr viel spazieren und wandern. Mit zwei Bekannten aus dem Internet war ich 37 km auf einem Berg in der Nähe, auch sonst bin ich viel gelaufen. 

Außerdem fand mein erster Megamarsch statt. Aufgrund der Corona-Situation allerdings jeder für sich alleine unter dem Motto "wir gehen weiter". Ich suchte mir eine Strecke und lief drauf los, 57 km bin ich gewandert und fühlte mich danach unglaublich gut. Ich spürte "da geht noch was", aber fürs erste war das absolut ausreichend (erstmal rantasten und sehen, wie der Körper reagiert), und ich war stolz wie Bolle.

Wir fuhren wieder zur Familie. Der August war also ein recht sozialer Monat. Zwar mit Vorsichtsmaßnahmen, aber doch wieder einigen Kontakten, das tat gut.


SEPTEMBER

Mit einer Bekannten war ich wieder knapp 40 km wandern, diesmal in Barfuss-Schuhen. Spannende Erfahrung, die ich nicht missen will. Und für die Zukunft: die Länge der Strecke selbst ist barfuss okay, aber barfuss auf Schotter muss nicht mehr sein, das war nicht gesund.

Beruflich fühlte ich mich zwar gut. Aber ich hatte trotzdem den Eindruck, dass ich langsam beginne, auf der Stelle zu treten. 20 Jahre Berufserfahrung schön und gut, aber neben der Routine wollte ich endlich mal Neues. Da nutzte ich also die Chance, als ich einen interessanten Workshop entdeckte im Waldschlösschen. Spontan angemeldet und teilnehmen. Auch hier: viel Abstand, ständig offene Türen, keine Grüppchen am Abend sondern alleine am Zimmer. Es war eine tolle Gemeinschaft, und ich habe mich in jeder Hinsicht sehr, sehr wohl gefühlt. Ich fühlte mich inspiriert und bereichert, konnte die gelernten Inhalte tatsächlich auch sehr gut in meinem Job anwenden und intensivieren.

Irgendwie ist das schon sehr schräg, was Corona alles verändert hat, und inzwischen habe ich mich an diese Veränderungen gewöhnt und komme gut damit klar, es stört mich nicht wirklich. 

Ich wurde diesen Monat zum MRT geschickt, weil es Auffälligkeiten in meinen Blutwerten gab. Aber das ist ein langes, kompliziertes Thema. Ich bin noch unsicher, was und wieviel davon ich im Blog hier schreiben werde. Es hat mich sehr belastet und mir viel Stress verursacht. Es ging am Ende alles gut aus. Aber es war der Punkt, an dem ich mich für einen Arztwechsel entschied (nicht der Diagnose wegen, sondern aus anderen Gründen. Wie gesagt, lange Geschichte). 

Ende des Monats fand erneut ein Megamarsch statt. Dieses Mal nahm ich mir 75 km vor, schielte aber optional auf die 100. Und ich habe die 100 durchgezogen. Bin alleine losgelaufen, bin durch die Nacht gewandert, 20 Stunden am Stück ohne Pause, Laufen Laufen Laufen. Es war verdammt anstrengend, aber ich habe es geschafft. Gegen Ende war ich wirklich dankbar für die WhatsApp-Audios meiner Freunde, die mich ablenkten und motivierten. Zu Hause schlief ich in der Badewanne ein, danach schlief ich im Bett wie ein Stein. Am nächsten Tag ging alles weiter wie bisher, keine Folgeschäden, kein Muskelkater, fast als wäre nie etwas gewesen. 

Ja, inzwischen kann man wohl sagen, dass ich das Wandern für mich als Hobby neu entdeckt habe ;-)


OKTOBER

Im Urlaub konnte ich richtig gut entspannen. Auch wegen einer Kollegin / Bekannten / Freundin (herrjeh, warum müssen solche Unterscheidungen immer so schwierig sein? Ich finde das umständlich), die so gechillt ist wie ich bewegungsfreudig bin. Tatsächlich hat sie mich ziemlich motiviert, einfach mal die Füße stillzuhalten, ruhig zu bleiben. Ich habe in den zwei Wochen meines Urlaubs sogut wie nichts getan, saß fast nur auf dem Sofa, habe gelesen, Serien geguckt, gezockt. War toll und eine unglaubliche Erfahrung. Aber mir wurde bewusst, dass ich langfristig nicht der Typ für sowas bin. Ich brauche keine Action, keine Menschen, keine Veranstaltungen, aber ich brauche Bewegung und Aktivität. Aber es tat gut, auf diese Weise mal Gegenteil zu testen und dadurch ein gesundes Mittelmaß zu erspüren für die Zukunft. 

Außerdem trafen wir uns häufiger zum Kochen / Essen (so gern wie ich koche, so gerne isst sie). Ich liebe es, für Gäste zu kochen. Ich bekomme eher selten Gäste, die ich bewirten kann (entweder besuche ich die anderen, oder sie wohnen zu weit weg). Also eine tolle Abwechslung, mal so richtig aufzutischen, das bereitete mir große Freude. 

Da ich also mehr Zeit hatte dank Corona, und weil ich eine dankbare Abnehmerin hatte, fing ich wieder an, mehr zu experimentieren. Kochen ist ja auch ein großes Hobby von mir. Aber während Wandern und Zocken alleine möglich ist, finde ich das Zubereiten und Essen von vielen verschiedenen Speisen eher als frustrierend nur für mich. 

Und wieder war ich viel spazieren, entdecke immer neue schöne Ausflugsziele in der Region und in den Nachbarorten. Schleppe meine Kunden an tolle Plätze und schenke ihnen (und auch mir) kleine Mikroabenteuer. 

Und dann eine große Veränderung, auf die ich in gesonderten Beiträgen noch eingehen werde: ich kaufte mir eine Garmin Venu. Eine Smartwatch, die neben Schritten, Puls, VO2 und anderem sportlichen Schnickschnack auch Stresslevel und Body Battery misst. WOW, WOW und nochmals WOW! Ich kann nicht sagen, wiesehr das für mich eine Offenbarung war! Die Uhr hat mir unglaublich viele blinden Flecken aufgezeigt. Ich erkannte, woher die Erschöpfung kommt, die mich manchmal unerwartet überfällt. Ich lernte, was mir Kraft abzieht und wodurch ich Kraft schöpfen kann. Ich lernte die Signale meines Körpers besser zu deuten (seit Testo ein ständiger Lernprozess, den ich dachte erledigt zu haben, doch die Uhr belehrte mich eines Besseren). Ich begriff, wieviel ich tatsächlich aktiv bin (ich war schockiert!), und die geplante Fitness-Uhr wurde dann zwingenderweise zu einer Relax-Uhr. Seitdem gelingt es mir, um einiges effektiver zu trainieren und danach auch die notwendigen Pausen einzuhalten. Seitdem ich sie gekauft habe, trage ich sie 24/7 und bin dankbar für diesen kleinen Alltagshelfer.


NOVEMBER

Ich war mit der Kollegin / Freundin / Bekannten wandern. Sie zeigte mir einen herrlichen Berg, eine tolle Aussicht, ein wundervoller Tag! Und wir haben wieder viel gekocht und gegessen. Mit einer anderen Kollegin war ich ebenfalls wandern. Ich kann einfach nicht genug vom Wandern bekommen und bin ständig mit Kollegen, Freunden, Bekannten unterwegs ;-)

Diesen Monat ist nicht viel passiert, aber ich empfand ihn als absolut stressig, es ging mir nicht wirklich gut: Das MRT hatte ein Nachspiel, die Ärztin wollte mich am liebsten direkt unters Messer schicken. Was das für einen Stress bei mir ausgelöst hat, muss ich wohl nicht ausführen. Aber ich wollte erst auf die Zweitmeinung warten. Geduld fiel mir sehr, sehr schwer in diesem Fall. Meine Relax-Uhr zeigte mir ´ne Menge Stress an in dieser Zeit.

Der erneute Lockdown war absehbar, der bekannte Virologe hatte ihn im Frühjahr bereits angekündigt, und so hat es sich dann auch entwickelt. Für mich hat sich wenig geändert, denn Wandern ist noch immer erlaubt (Zwei Personen, viel Abstand, mitten im Wald), also alles gut. Treffen zum gemeinsamen Essen oder Filmabende mussten leider ausfallen, aber das ist ja nur vorübergehend, solange nutze ich die Zeit eben anders.

Im Job hat sich nichts geändert: da ich mit Risikogruppen arbeite, war ich eh immer vorsichtig. Die Vorgaben von Beginn des Jahres wurden je nach Situation ein wenig gelockert oder gestrafft, aber eigentlich waren wir das ganze Jahr über vorsichtig und passten den Kontakt auf den jeweiligen Kunden an. Der Lockdown hat also nichts daran geändert, das ständige Hin und Her von Anfang und Mitte des Jahres ist der Routine gewichen, anstrengend aber tragbar und für mich okay. Hey, mein Job bedeutet aktuell vor allem, dass ich viel spazierengehen muss. Ich will also mal nicht klagen ;-)


DEZEMBER

Corona rückt immer näher. Schatz hatte einen Fall auf Arbeit. Auch bei mir gab es Verdachtsfälle. In der Verwandschaft hat sich jemand infiziert. Ein Kumpel war Kontaktperson. Immer mehr Leute müssen vorübergehend in Quarantäne. 

Ich habe keine Angst vor Corona, aber ich habe großen Respekt. Ich bin jemand, der sich normalerweise nicht ansteckt. Und wenn, dann ganz harmlos. Aber Corona ist neu, und ich muss ja nichts riskieren und es herausfordern. Außerdem habe ich mit vielen kranken Menschen zu tun, auch im Freundeskreis habe ich gefährdete Personen. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ich womöglich unwissentlich jemanden von ihnen infiziere. Also immer schön auf Abstand bleiben und vorsichtig sein. Fällt mir nicht schwer. 

Ich habe viele verschiedene Masken. Gerade beim Radfahren im Winter finde ich sie sogar angenehm. Sie sind warm und gemütlich, beim Atmen schränken sie mich nicht ein. Ich gehöre zu den wenigen Leuten, denen die Masken tatsächlich egal sind. Ich freue mich sogar, dass ich verschiedene Motive habe von Star Trek über Eichhörnchen, Einhörner, Füchse, ebenso verschiedene Farben passend zu verschiedenen Outfits. Und natürlich für riskante Situationen die OP- und FFP2 Masken (Öffis, Kundentermine, Arztpraxis), die zwar nicht stylish sind aber recht bequem zu tragen für mich.

Weihnachten war schon eine Hängepartie. Während die Politik noch sagte "ist erlaubt", "werden wir sehen", "ne, besser nicht", "ja okay, wird möglich sein", "uuh, auf keinen Fall", "ja, aber mit Einschränkungen" haben Schatz und ich schon klar Stellung bezogen und "nö" gesagt. Die Familie war natürlich traurig, konnte es aber nachvollziehen. Wir sind beruflich beide ständig unter Menschen, zwar mit Auflagen aber immer mit Risiko, das wollten wir der Familie nicht zumuten.

Wir haben Weihnachten also zu zweit zu Hause verbracht. Entspannt, gemütlich, nach ganz eigenen Regeln. Ich habe meine Sonnwende gefeiert wie gewohnt, und Heilig Abend sowie die Feiertage ließen wir ganz ruhig angehen, ohne Tamtam. Wir haben in dieser Zeit viel mit der Familie telefoniert, Fotos auf WhatsApp verschickt. Ich habe Briefe geschrieben, Postkarten. Aber Briefe und Karten sind ein Hobby, das ich das ganze Jahr über pflege, nicht nur an Weihnachten, also auch hier keine große Umstellung. Ich fand es sehr schön, mir hat Weihnachten sehr gefallen auf diese Weise.

Ich hatte einen Termin bei meinem neuen Arzt, der mich in Hinblick auf das MRT beruhigte. Jedenfalls fühlte ich mich in meiner Vermutung bestätigt: dass ich schon lange Zeit unterdosiert bin und dringend mehr Testo benötige, damit einige Blutwerte sich wieder einrenken können (ganz ohne OP am Hirn). Statt Skalpell also mehr Testo, das ist okay für mich ;-)

Kurz vor Jahresende noch eine schöne Wanderung mit einer Bekannten im nahegelegenen Wald, viele Spaziergänge mit Schatz. Außerdem die Urlaubszeit verbracht mit Filmen, Serien, Büchern, der VR-Brille, Games am PC. 

Silvester wurde ganz entspannt erlebt. Keine Feier, kein besonderes Futter. Wir haben eine Serie gesehen, ganz normal gegessen, ein wenig gelesen. Um Mitternacht standen wir am Fenster und haben das neue Jahr begrüßt, ebenso wie andere Nachbarn auf ihren Balkonen und Wintergärten. Hat mir gereicht, und der Kater war dankbar dafür. 

Silvester / Neujahr ist für mich Testo-Jahrestag. Das habe ich innerlich revue passieren lassen, und ich bin unglaublich dankbar für die Veränderungen, Entwicklungen, für mein neues Leben. 


FAZIT

Alles in allem kann ich rückblickend sagen, dass es für mich ein richtig gutes Jahr war. Ich habe neue Grenzen austesten dürfen, konnte stolz auf meine Erfolge sein. Ich bin dankbar für meinen stabilen Job und die kompetente Leitung und die teamfähigen Kollegen. Schatz und ich hatten eine angenehme Mischung aus Nähe und Distanz und unterschiedlichen Arbeitszeiten, die das Zusammenleben gut ermöglichte auch während des Lockdowns. Obwohl mir das zusätzliche Geld der Streetwork fehlte, kam ich gut mit meinem anderen Gehalt zurecht und konnte mir mit der VR-Brille und dem Fitness-Tracker sogar ein paar Goodies gönnen. Ich hatte eine tolle Fortbildung, die mich beruflich sehr inspiriert hat. Und ich hatte zwar wenige aber dafür sehr bewusst gewählte Kontakte, die mich bereichert haben.

Für mich war 2020 ein aufregendes aber für mich erfolgreiches und wunderbares Jahr. Und 2021 wird sicher noch besser ;-)

2heartedman 05.01.2021, 17.11

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