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Bewerbung als

Ich habe ja schon angedeutet, dass ich mal mehr dazu schreiben will. Ist ein für mich ziemlich blödes Thema. Aber als mich tatsächlich kürzlich jemand fragte "wieso, was hast Du denn für ein Problem, bewirb Dich halt einfach", da war mir klar, dass die Probleme scheinbar für Außenstehende nicht auf der Hand liegen. Also, hier mal ein paar Einblicke, wo die Fallstricke sind ...


STATUS QUO

Ich habe eine männliche Identität. Aber ein weibliches Foto, weibliches Abschlusszeugnis, weibliche Berufszeugnisse, weiblichen Ausweis, weiblichen Namen. Beim alten Arbeitgeber bin ich ungeoutet. Wenn ich arbeite, möchte ich offen sein und von Beginn an als Mann eingestellt werden. 


VARIANTE 1 - MÄNNLICH BEWERBEN

Ich bewerbe mich männlich. Dann darf ich kein Foto verwenden. Für viele ein NoGo, Bewerbung wird gar nicht angeguckt. Außerdem ist das eh nicht möglich, ich müsste nämlich auch meine Zeugnisse weglassen. Also: Keine Chance! 


VARIANTE 2 - TRANS*IDENT BEWERBEN

Weibliche Dokumente, weibliches Foto. Kein großes Tamtam im Anschreiben. Im Lebenslauf lediglich hinter meinem männlichen Namen der Vermerk (geboren als "weiblicher Name"). Unaufdringlich. Je nachdem, wo ich mich bewerbe, mache ich das.

Aber: es kommt immer mal wieder vor, dass ein potentieller Arbeitgeber bei der alten Stelle anruft. Und dort will ich nicht zwangsgeoutet werden durch Fremde. 

Außerdem: "Du, der Chef kam und sagte, wir sollen uns DIESE Bewerbung mal ansehen, total schräg", und dann war da ein ungewöhnlicher Lebenslauf oder ein hässliches Foto, oder oder. So etwas mag die Ausnahme sein, aber ich habe es selbst schon mehrfach erlebt und auch einige Male davon gehört. Ich habe keine Lust, vor zig fremden Leuten zwangsgeoutet zu werden. Vor allem, wer weiß, wem die das dann erzählen. 

Weiterhin: Es mag Stellen geben, wo eine Bewerbung als Mann sinnvoll ist, als Trans* aber erst einmal ein Hindernis. Wenn ich später dort als Mann auftauche, mich freundlich oute, ist das etwas anderes, als wenn ich jetzt einfach als vermeintliche Frau antanze und es wirkt wie ´ne Witzfigur. Das ist ´ne vertane Chance. 

Zudem: ich arbeite in einem Feld mit sehr viel Netzwerk. Das heißt, wenn einer etwas weiß, weiß es auch der nächste. Und wenn ich mich nur bei vier, fünf, sechs Stellen so bewerbe, wird das ganz schnell die Runde machen, denn jeder kennt jeden und tratscht was das Zeug hält. Nein, keine Befürchtung und Vermutung, sondern schon sehr oft live erlebt. 

Ich bin out and proud. Aber ich entscheide gerne selbst, wann ich wem davon erzähle. Und ich habe keine Lust, auf unpersönliche Weise in einem Schriftstück lauter Leute über etwas zu informieren, das sie ´nen feuchten Kehricht angeht!


VARIANTE 3 - WEIBLICH BEWERBEN

Mache ich aktuell am häufigsten. Ist aber ziemlich blöd. Denn manche Stellen erfordern speziell einen Man oder eine Frau für die Stelle. Nein, das hat nichts zu tun mit Diskriminierung, sondern das ist in manchen Feldern aus sehr gutem nachvollziehbaren Grund üblich. 

Außerdem fühle ich mich wie ein Verräter an mir selbst, wenn ich das absende. Weiblich, das bin ich nicht. Das will ich nicht. Und so werde ich auch dort nicht arbeiten! Das ist eine Mogelpackung!

Dann ist mir das zudem total peinlich. Ich bewerbe mich als Frau, dann komme ich mit Hemd und Krawatte ins Gespräch und stelle mich als Mann vor. Sage, dass ich ein Mann bin, dass ich einen männlichen Vertrag will und am Anfang der Transition stehe und die Mitarbeiter mich als Mann behandeln sollen. Also, als Arbeitgeber würde ich mir da verarscht vorkommen, ehrlich! 


BEFÜRCHTUNGEN DES ARBEITGEBERS

Es gibt Fragen, die dürfen offiziell nicht gestellt werden. Aber die Leute machen sich ihre Gedanken. Und bei einer Trans*Person am Anfang des Weges lauten die:

"hm, der hat eine Menge Arzttermine in nächster Zeit. Kann der überhaupt zur Arbeit erscheinen?"

"Was, wenn Testo nicht richtig wirkt und er krank wird?"

"Ist der psychisch überhaupt belastbar?"

"Ist der innerlich total kaputt?"

"Wie sollen wir ihm so viel Verantwortung übertragen, wenn er mit sich selbst ein Problem hat?"

"Und wenn dann die OPs losgehen, dann ist er mehrere Wochen oder gar Monate krank. Und, haben die nicht sogar mehrere OPs? Wird der dann ständig krank sein? Neeeeee, das können wir nicht brauchen."

"Außerdem, wie erklären wir den Kunden, dass der Herr Müller aussieht wie eine Frau und eine weibliche Stimme hat? Und die Kids im Kindergarten, die er betreut, die sind total verunsichert, die Eltern werden Amok laufen und sich beschweren! Und für den Bankschalter wollen wir was Seriöses, aber kein Zwischenwesen! Und wenn ihm was nicht passt, kommt er mit der Diskriminierungs-Keule, und wir haben ´ne Klage wegen Mobbing am Hals." 

Das ist alles Schwachsinn. Aber, ich kann es trotzdem keinem Arbeitgeber verübeln, wenn ihn diese Gedanken plagen und er eine Ablehnung schreibt. Und, mal ehrlich, nicht alles, aber manches stimmt auch. Ich WERDE viele Termine haben bei Endokrinologie, Vorgespräch, Krankenhausaufenthalt usw. Mit Vollzeit hätte ich aktuell echt das Problem, dass ich die Zeit via Gleitzeit nie wieder reinholen könnte. Also müsste ich mich ständig krankschreiben lassen für jeden Termin (oder aber abends bis 20 Uhr arbeiten, um die Zeit reinzuholen). 

Viele Probleme kann ich umgehend klären, viele Vorurteile kippen, viele Ängste nehmen, wenn ich statt einer schriftlichen Bewerbung mich persönlich vorstelle. Aber das ist in nur sehr wenigen Fällen machbar. Ich habe es schon einige Male versucht, aber es bleibt fast immer nur beim Telefonat und dem Verweis auf eine schriftliche Bewerbung :(


UND NOCH ETWAS

Ich arbeite in einem Beruf, in dem ich auf verschiedene Weise unter anderem auch mit Psychologen, Therapeuten, Psychiatern, Richtern, Anwälten, Gutachtern und verschiedenen Ärzten zu tun habe ... jetzt hat sich tatsächlich die blöde Situation ergeben, dass es hier bei einer Bewerbung eine Überschneidung gab aus Transition und Bewerbung. Natürlich hat die andere Person Schweigepflicht. Trotzdem eine für mich sehr blöde Situation gerade. Saudummer Zufall. Gut, wird nichts passieren deswegen, ich schätze die andere Person als professionell und fähig diese zwei Bereiche zu trennen, aber ich hätte gerne auf diese Situation verzichtet ... 


HERANGEHENSWEISE

Dann ist da noch die Frage: WIE geht man so eine Bewerbung an? Ich habe vorab bei Firmen vorgesprochen, die mich kennen und bei denen ich mich also beworben habe (man hat ja so sein Vitamin B nach all den Jahren). 

Eine meinte: "unbedingt persönlich. Kein Schreiben, das bringt nur Trouble. Anrufen, erklären dass eine schriftliche Bewerbung nicht möglich ist, Du wirst im persönlichen Gespräch klären warum. Aber schriftlich in Deinem Fall vermeide unbedingt!"

Eine andere meinte: "persönlich vorbeikommen auf keinen Fall, das ist zu aufdringlich. Du  musst das schriftlich machen. Mach halt irgendwas. Weiblich, männlich, trans, ist doch egal, sei einfach Du selbst" (ha-ha). 

Jemand meinte: "Trans* spielt überhaupt keine Rolle. Darf es gar nicht. Du erwähnst in dem Anschreiben nichts davon, maximal im Lebenslauf der Name, wenn Du möchtest, eigentlich schon das zuviel. Aber wie weit Du schon bist, oder ob Du operiert wirst, und wie sich das auf den Beruf auswirkt, das ist völlig irrelevant. Begeh ja nicht den Fehler und schreibe irgendwas in diese Richtung ins Anschreiben"

Wieder jemand anders sagte: "ja, wie, Du gibst hier ´ne Bewerbung ab, am Namen sehe ich, dass Du trans* bist. Warum steht da nix? Schreib wenigstens, welche Vorteile das für den Job bringt, heb Deine Stärken als Trans*Person hervor. Und schreib auch gleich mal, wie das mit Deinem OP-Status ist und dass das für den Arbeitgeber kein Problem sein wird mit den Fehltagen. Also, da muss schon bisschen mehr kommen als so banal mit nur nem Namen abgespeist zu werden, sonst wird das nichts". 

Danke fürs Gespräch. Ich habe das Gefühl, dass egal wie ich mich bewerbe, es auf jeden Fall falsch ist :(


FAZIT

Ja, ich hätte schon gerne einen Job. Aber ich weiß, dass es für den Arbeitgeber nicht leicht ist, sich für mich zu entscheiden in der aktuell noch "unfertigen" Phase, das empfinde ich nicht mal als Diskriminierung. Und ich brauche für jede Bewerbung doppelt so lange als üblich, einfach weil völlig unklar ist, wie ich vorgesehen soll und was ich schreibe, wieviel ich preisgebe und ob ich überhaupt etwas preisgebe. 

Leichter wird es, wenn ich einen männlichen Namen habe und meine Zeugnisse ändern kann ... das wirkt für den Arbeitgeber "abgeschlossener" (und über meinen OP-Status muss ich dann keine Antwort geben, falls er unberechtigterweise fragt). Aber momentan ... kein Zuckerschlecken!

2heartedman 06.05.2016, 20.07

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Sonja

Realitätscheck ;-) Du "weißt" gar nicht, was ein pot. AG über deine aktuelle Situation denkt! Du vermutest, du blickst auf die Negativbeispiele ;-)
Nein,mich kann nicht beurteilen, wie es ist, sich als Trans zu bewerben, aber du weißt es auch nicht, solang du es nicht einfach mal versuchst ;-) Du wirst wahrscheinlich ohnehin nicht die erste Stelle bekommen, auf die du dich bewirbst (egal ob Trans oder nicht), also hält dich nichts davon zurück, es einfach zu versuchen!
Natürlich ist es normal, dass du dich mit deiner Wandlung so intensiv beschäftigst, aber ich hab das Gefühl, für viele da draußen ist das gar nicht so das Problem, dass du in deinem Kopf daraus machst. Ein Problem ist es nur, wenn du es so "lebst". Wenn du offen bist und zufrieden mit dir, dann kanst du anderen gegenüber auch so auftreten. Was die daraus machen, wirst du sehen. Aber du nimmst ihnen ihre Entscheidung in deinem Kopf vorweg und handelst deswegen nicht. Deine Angst ist größer als ihre ;-)
Such dir doch einfach mal ein paar Stellen und probiere es einfach! Du hast nichts zu verlieren, es ist keine Schande, Trans zu sein. Es ist dein Weg, geh ihn einfach :-)
LG
Sonja

vom 07.05.2016, 07.16
Antwort von 2heartedman:

natürlich blicke ich auf die Negativbeispiele, einfach um zu schildern, dass es nicht immer leicht ist (davon handelt ja dieser Beitrag hier). Natürlich gibt es auch positive Beispiele. Trotzdem ist die Situation erschwert. 

Und: manche dieser Sachen habe ich von potentiellen Arbeitgebern tatsächlich schon gehört, also nicht alles ist tatsächlich Vermutung. Und da waren auch krasse Sachen dabei, die grenzüberschreitend waren für mein Empfinden. 

Ich habe es schon mehrfach versucht und versuche es aktuell, aber ich blogge nicht über jede Bewerbung, jede Reaktion, jeden Anruf, daher mag es hier so scheinen, als wäre da noch nichts gelaufen, aber im Background war schon so einiges ;-)

Selbst lebe ich es nicht als Problem, sondern gehe absolut offen damit um und stehe auch dazu, sobald ich im Gespräch bin. Und ich habe bisher nur gute Erfahrungen gemacht. 

Das ändert nichts, dass einige Firmen die Unterlagen in der Firma herumreichen (und bei Zwangsouting bin ich allergisch, ich will das selbst bestimmen dürfen), dass ich übergriffige Dinge gefragt wurde wie etwa OP/Status oder zu erwartende Krankenzeiten oder dass es schwierig ist, sich zu bewerben, wenn Name und Zeugnis nicht übereinstimmen ;-)

Dass ich Angst habe oder blockiert bin und es nicht angehe, ist eine Interpretation , die so nicht stimmt, denn ich bewerbe mich fleißig, telefoniere eifrig und habe bereits aktiv Gespräche geführt und weitere Termine in der Pipeline. 

Falls es so rüberkommt, als wenn all das hier zutrifft auf jede einzelne Bewerbung, kam das echt falsch an. Trotzdem sind einzelne Punkte davon Hindernisse, die es eben schwieriger machen als üblich, und es erfordert oft sehr viel Fingerspitzengefühl, bei welchem Arbeitgeber man sich wie bewirbt und wie man sich im Gespräch präsentiert. 

Und eine Schande ist es in keinster Weise. Ich steh dazu und bin stolz darauf, wer ich bin, keine Sorge ;-)