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Ausgewählter Beitrag

Zwischen den Stühlen

Vor einiger Zeit habe ich mir einen neuen Stuhl gekauft. Jahrelang gewünscht, darauf gespart und mir endlich gegönnt. Einen Swopper. Sauteuer, aber das Beste, was ich meinem Rücken je gegönnt habe. Und ideal, um ständig herumzuzappeln, denn ich hasse Stillsitzen. Zumal ich normale Stühle eh nicht mag. Aber statt jetzt stundenlang zu schwärmen, warum dieser Stuhl und kein anderer, komme ich lieber zum Thema. Eine Szene, die etwa ein Jahr her ist, mir aber deutlich im Gedächtnis blieb. Weil sie mal wieder so richtig typisch für mich ist ;-)


Weil dieser Stuhl so teuer ist, habe ich mir überlegt zu tun, was andere Frauen sonst auch tun. Nämlich meine weiblichen Reize spielen zu lassen (davon habe ich leider nicht wenig, ich verstecke sie nur gerne). Denn ab einer gewissen Preisklasse ist klar, dass immer auch Verhandlungsgeschick nötig ist. Ich habe diese Stühle mit Preisunterschieden von bis zu 200 Euro im Internet und in verschiedenen Läden gefunden. Gut, Minirock, Heels und Augenaufschlag funktioniert bei mir nicht. Aber eine enge Hose, weiblich geschnittenes Top, den Ausschnitt schön betonen, ein wenig Kajal. Flink in den Frauen-Modus geswitcht: Beine brav zusammen, Stimme etwas leiser und hoch in den Kopf gelegt, lächeln, etwas mehr Betonung am Satzende, die Arme dichter am Körper, weniger Gestikulieren, den Kopf ein wenig schief und nach unten. 

Stehe im Laden. Der Verkäufer ist beschäftigt mit einer Kundin, ich warte geduldig, sehe mich um. Ein weiterer Kunde kommt auf mich zu, verwickelt mich in ein Gespräch. Auf eine Weise, die mir zeigte, dass er weniger plaudern als vielmehr flirten wollte. Er war nicht mein Typ (das sind die wenigsten heterosexuellen Männer), und ich hatte keine Lust auf Smalltalk. Aber ich konnte ja nicht einfach sagen "nä, kein Bock, verpiss Dich". Also freundlich, ein wenig geplaudert, nicht abweisend aber auch nicht zu interessiert. Er ließ nicht locker, das ging mir ganz schön auf den Senkel. Vielleicht war der Ausschnitt doch etwas zu tief? 

Dann kam der Verkäufer, zeigte mir seine Modelle, blätterte mit mir im Katalog, beantworte freundlich und ausführlich meine Fragen. Der andere Kunde mischte sich ein, lauschte scheinbar interessiert dem Verkäufer, beantworte mir, was er selbst wusste, sodass es quasi ein Dreiergespräch war. Ich wurde immer gereizter. Mensch, ich wollte einen Stuhl kaufen, und nicht mit irgendwelchen blöden Typen rumflirten! 

Aber ich blieb freundlich und ruhig. Schließlich hoffte ich ja, den Stuhl vielleicht in einer speziellen Wunschfarbe oder das Vorführmodell für ein paar weniger Euro zu bekommen. 

Ich stellte die Frage, welchen Effekt die unterschiedlichen Sitzflächen (Sattel, Halbkugel, Schaumstoff oder festeres Material, mit oder ohne Lehne) haben. Da meinte der Verkäufer, dass es im Sattel oder auf der Halbkugel schon einen Unterschied macht, wenn ich zum Beispiel im Minirock ... 

zack, ich hörte das Ende des Satzes gar nicht. Als hätte er einen Schalter umgelegt, bin ich in Körpersprache, Stimme, Tonfall und Ausstrahlung wieder auf männlich, rein aus Reflex. "Ey, seh ich aus wie Minirock? Ich will auf dem Ding sitzen und arbeiten, und keine Show abziehen". Dabei weiträumig gestikuliert, breitbeinig vor ihm aufgebaut, das Kinn vorgereckt, die Stimme ein paar Ganztöne tiefer aus dem Bauch heraus, Blick gerade in die Augen auf gleicher Höhe. 

An meinen exakten Wortlaut erinnere ich mich nicht mehr. Aber umso geauer erinnere ich mich an das Gesicht des Verkäufers und des Kunden. Und noch während die Worte gegen meinen Willen ungefiltert aus mir herausflossen, strich ich gedanklich bereits jeglichen Rabatt oder Bonus. 

Normalerweise habe ich mich sehr gut im Griff. Aber manchmal gibt es Reizworte, Triggersituationen, und dann sage oder tue ich Dinge, die ich so schnell gar nicht kontrollieren kann. Vor allem, weil ich in solchen Momenten dann zum Extrem-Macho mutiere, weil ich im Verteidigungsmodus bin. Normalerweise bin ich schon etwas zurückhaltender, aber hier werden meine Instinkte wachgekitzelt. 

Ich freue mich, wenn DAS nach dem Outing endlich vorbei ist. Privat bin ich ja bereits als Mann unterwegs. Im Job passiert mir so etwas glücklicherweise extrem selten, weil ich dort auch in anderen Punkten sehr kontrolliert mit meinen Aussagen sein muss. Aber solange ich nicht zu 100 Prozent geoutet bin, fühle ich mich niemals komplett frei ... 

*hihi* trotzdem muss ich immer noch lachen, wenn ich daran zurückdenke. Ich glaube, die beiden wussten gar nicht, wie ihnen geschah und was da eigentlich passiert war. Und ich gebe zu, dass es mir recht lange danach noch sehr peinlich war ... 

(Und, falls es jemanden interessiert: ich habe in mehreren Läden angerufen, überall gab es nur Halbkugel und oder Leder. Sattel mit Mikrofaser wäre eine Sonderanfertigung, die ich nicht hätte umtauschen dürfen, falls ich nach einer Woche erkenne, dass ich auf Sattel nicht sitzen kann. Im Internet gab es das als Standardprodukt, 100 Euro günstiger und mit 14 Tagen Umtauschrecht von einem zertifizierten Vertragshändler mit sehr guten Bewertungen. Ich unterstütze gerne die Händler vor Ort, aber in diesem Fall war meine Entscheidung eindeutig)

2heartedman 24.05.2015, 18.43

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Sonja

Hahaha, du bist ulkig :-D ich kann das gr nicht, also bei einem Verkaufsgespräch auf meine Weiblichkeit setzen. Ich verhandel lieber knallhart und erquatsch mir so meinen Preisnachlass (Computergeschäfte, Werkstatt, Flohmarkt).
Aber das hätte ich zu gern gesehen :-)
Ich hab übrigens jetzt einen Topstar Sitness und finde dem auch prima :-)

vom 25.05.2015, 08.54
Antwort von 2heartedman:

Ja, bei mir hat das auch nie geklappt, ich habe es nur sehr, sehr selten versucht. 

So einen Topstar hat mein Mann auch, die sind auch super!