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Ausgewählter Beitrag

Weibliche Zuordnungen im Alltag

Warum man als schwuler Transmann trotzdem den komplizierten Weg der Transition auf sich nimmt, hat viele Gründe. Zu sagen "naja, Du stehst als Frau auf Männer, und Hosen tragen darfst Du auch, das reicht doch" würde die Thematik zusehr reduzieren. Ich weiß nicht, ob ich einmal einen eigenen kompletten Beitrag dazu schreibe. Aber heute liegt mir ein Thema auf dem Herzen, das mir im Alltag sehr oft zu schaffen macht.


Für Außenstehende mag es banal wirken: mich nerven die ständigen Schubladen. Die sind ja nicht einmal auf mich bezogen. Aber ich weiß, dass der Gegenüber mich in diesem Moment als Frau sieht, und ich fühle mich deplatziert. 

"Meine Freundinnen und ich machen heute Weiberabend" sagt sie und grinst mich dabei vielsagend an. Super, ich freu mich für Dich, wird bestimmt super! Aber ich fühle mich mit diesem Blick absolut nicht als Mitwisser angesprochen. Der Höflichkeit halber tue ich so als ob.

"Mit XY kann ich super über dieses Thema quatschen". Wieso nicht mit mir? Ich mag XY auch, und wir haben schon oft darüber geplaudert? "Jaja, nimm´s nicht krumm, aber das ist ein Männerding, mit ´nem Kerl rede ich da anders als mit Dir". Meine Seele blutet. Ich nicke und sage "schon klar, alles okay". 

"Ich brauch mal ´nen starken Mann, der mit anpackt". Ich packe trotzdem mit an und schaffe es ohne Probleme. Aber die bewundernden Blicke, die ein Mann geerntet hätte, bleiben aus. Ein Mann wäre ein Held gewesen. Ich war halt nur die hilfsbereite Freundin / Kollegin / Nachbarin.

Ich gehe mit einer Kundin die Treppe hinunter. Sie erzählt mir ihre Geschichte und will, dass ich gleichzeitig den Brief lese, den sie mir in die Hand gedrückt hat. "Stoptopstop", sage ich, "Treppe steigen, zuhören, lesen, bitte warten Sie einen Moment, ich muss mich konzentrieren". Sie versteht es nicht: "aber als Frau können Sie das doch alles gleichzeitig".

Die Kolleginnen sitzen in der Runde, ich komme dazu. Sie plaudern. Es fallen Sprüche wie "Ach, Männer, die wollen immer nur das eine" und "Kerls sind so einfach gestrickt" und "die sollten mal Kinder kriegen, dann wissen sie, was wirkliche Schmerzen sind". Ich fühle mich persönlich beleidigt und möchte die Männer in Schutz nehmen, aber alleine zwischen 10 Frauen wäre das glatter Selbstmord!

Wir sitzen zu zweit in der Kneipe. Ein Mann, eine Frau. Der Kellner bringt die Getränke: ein Bier, einen Saft. Den Saft stellt er bei mir ab. Er fragt nicht mal, ob ich ihn bestellt habe, denn ein Mann trinkt Bier, eine Frau Saft. Ich hatte aber das Bier bestellt!

In Männerrunden (Rockkonzert, Motorradtreffen) neigen die Kerls dazu, den Beschützer zu mimen. Väterliche Blicke, heldenhaft strahlende Augen, wenn sie mir die Tür aufhalten, in die Jacke helfen, mir etwas erklären, mich auf ein Getränk einladen. Gelegentlich auch  mal versuchen zu flirten. Und wenn sie sich Witze erzählen, blicken sie verschämt in meine Richtung. Wenn ich dann auch mal einen erzähle und der etwas unanständig ist, dann wagt keiner zu lachen. Schnell rutsche ich in die Kategorie "schlampig", wenn ich mich nicht sittsam gebe.

Ich habe auch weibliche Eigenheiten. Aber gerade, weil ich sonst eher maskulin auftrete, neigen manche Personen dazu, diese an mir überzubewerten. Sie wollen mit aller Gewalt Bestätigungen dafür, dass ich eine Frau bin. Und sobald ich einen Anhaltspunkt dafür liefere, packen sie mich. Zum Beispiel an unserer Katze (die eingeheiratet ist, denn ich bin kein Katzentyp), Frauen und Katzen sind ein Dreamteam! Oder an meiner Kreativküche, weil ich so eine tolle Hausfrau bin. An meiner schlechten Mathematik, denn Frauen sind eh schlecht in Mathe. An meinem Putzfimmel, denn ein sauberer Mann, wo kämen wir da hin!

Oft bezeichnet man mich sogar als Nestbeschmutzer, wenn ich pro Mann meine Rede schwinge. Fakt ist aber, dass ich, solange ich ungeoutet bin, ständig das männliche Nest beschmutzen muss, indem ich mich, meine Männlichkeit und mein Empfinden leugne. Indem ich den Frauen Zustimmung nicke und selbst Dinge sagen muss wie "hey, wir sind Frauen, wir können das". 

Solche Dinge sind wirklich banal. Kurze Sätze, kleine Gesten, einfach nur im Alltag eingebunden. Aber sie sind so unglaublich frustrierend. Man könnte sagen "ach, das ist doch nicht so schlimm, ist ja nie böse gemeint und ist ja nicht auf Dich als Person bezogen.

Ich weiß nicht, ob man sich das als Nichtbetroffener vorstellen kann? Das ist manchmal beinahe wie eine außerkörperliche Erfahrung für mich. Ich stehe über der Situation, sehe auf uns hinab, sehe mich im Frauenkörper, die Menschen um mich herum, und obendrüber stehe ich als Mann und fühle mich misverstanden und ignoriert. Mein Mann-Ich schwebt hüllenlos im Raum wie ein Geist und versucht ständig Kontakt aufzunehmen und greift immer wieder ins Leere. 

Sowas passiert Männern und Frauen im Alltag täglich. Aber wenn man mit seinem Körper im Reinen ist, und wenn alles stimmig ist, dann sieht man über so etwas einfach hinweg. Ich vermute, den Menschen ist gar nicht bewusst, wie sie alle paar Minuten immer wieder gendern und kategorisieren. Denken sich nichts dabei und bekommen es nicht einmal mit. Wenn man natürlich dafür sensibilisiert ist, dann findet man diese Momente an jeder Straßenecke. Vielleicht neigt man sogar dazu, irgendwann zu überinterpretieren, das will ich gar nicht ausschließen. 

DEN Auslöser gab es nicht. Weil ich einen männlichen Partner habe, habe ich mich lange vor dem Outing gedrückt. Aber die Momente, in denen ich schreiend rufen will "hallooo-hoooo, ich bin ein MANN, also behandle mich gefälligst auch wie einen" sind inzwischen unerträglich geworden. 

2heartedman 26.02.2015, 07.22

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