two hearted man
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Weibliche Phase

Nicht jeder Transmann hatte mal eine weibliche Phase. Aber sehr viele von uns. Gerade die, die schon etwas älter sind. Ich kann natürlich nicht für alle reden. Deswegen erzähle ich jetzt nur von mir ;-)


Warum tat ich so etwas? Warum kleidet sich ein Junge wie eine Frau, wenn er doch trotzdem als Junge behandelt werden will? Ganz einfach: weil auch Jungs geliebt werden wollen. 

Wenn ich versuchte ein Mädchen zu sein, wurde ich gelobt. Von der Mutter, den Großeltern, der Kirchengemeinde, den Nachbarn, den Freunden der Familie. Wer wird nicht gerne gelobt und geliebt? Wenn ich mich kleidete wie ein Junge, wurde ich getadelt. Wurde mir mit emotionaler Erpressung Druck gemacht (was sollen denn die Leute denken, warum tust Du mir das an, was habe ich nur falsch gemacht, Du  musst es ja wissen, kümmere Dich nicht um mich, aber denk immer dran: Du  machst mich traurig). 

Immer hatte ich die Wahl: ich selbst zu sein und andere traurig zu machen. Mich zu leugnen, dafür aber gelobt und geliebt zu werden. Und immer wechselte ich. Manchmal rebellierte ich und tat geliebten Menschen weh (Wie soll ein Kind / Teen erkennen, wann dieses Verhalten selbstbewusst und wann es egoistisch ist?). Und manchmal sehnte ich mich nach Anerkennung. 

Richtig extrem weiblich bin ich noch nie aufgetreten. Phasen, wo ich nur Röcke trug, haufenweise Make-Up, Ohrringe, schicke Frisur, nein, das gab es nicht. Aber ich habe der Anerkennung halber versucht, hier und da weiblich zu sein. Meine Haare waren ein ständiger Wechsel aus kurz und lang. Meist trug ich sie kurz, aber vier oder fünf Mal ließ ich sie etwa bis auf die Mitte des Rückens wachsen. Hat mir nie gefallen. Und immer gab es positive Reaktionen, wenn ich sie wieder kürzen ließ. Habe einfach extrem dünnes Haar. Ein Pferdeschwanz war gerade mal etwas dicker als ein einzelner Finger. Und wenn ich sie offen trug, hingen sie platt herunter, denn Dauerwelle wollte ich nicht, und aufwändig stylen war nicht mein Ding. Aber wenn sie kurz waren, hieß es trotzdem ständig "ein richtiges Mädchen hätte schöne lange Haare", Widerspruch, aber vor allem an meiner Frisur hing man sich immer wieder auf. Sogar Dauerwelle hatte man mir damals verpasst, das war grauenvoll!

Einmal etwa in der achten, neunten Klasse versuchte ich etwas weiblicher zu sein. Mit Hilfe von Schmuck, ab und zu mal ein Kleid, ein weiblicher Einteiler, breitere Gürtel über einem Longshirt. Kam nicht so gut an, wurde viel dafür ausgelacht, teilweise gemobbt. Fühlte sich übel an, und ich wusste auch gar nicht so recht, was ich tun muss. Ich sah eben nicht aus wie ein Mädchen sondern wie eine billige Imitation, und meine Bewegung, mein Verhalten passten auch nicht dazu. Aber wenn ich rumlief wie ein Junge, wurde ich auch gemobbt und verlacht, und wie ein Mädchen wollte einfach nicht klappen.

Als ich meinen Ex kennenlernte, habe ich ihm zuliebe natürlich auch alles mögliche versucht. Bauchfreie Tops, enge Hosen, die Kleidung weiblich geschnitten, Haare wachsen lassen, Haare färben, mich weiblicher verhalten, Tanzen in Heels und mit hübschen Klamotten. Immerhin sah es nicht mehr so falsch aus wie früher, ich hatte in Sachen Make-Up und Mode ein bisschen dazugelernt. Aber es fühlte sich absolut falsch an, und irgendwann habe ich damit wieder aufgehört. 

Als ich meinen jetzigen Partner kennenlernte, nahm er von Beginn an den Mann in mir wahr. Privat konnte ich ganz Kerl sein. Umso mehr versuchte ich nach außen hin, die Frau zu sein. Für den Beruf, auf Parties. Ließ mir wieder einmal die Haare wachsen. Schminkte mich sogar. Kaufte Röcke, Kleider, Heels, Sandalen, Strümpfe, Corsagen. Trug sie auf den Parties, beim Ausgehen. 

Aber das war immer alles nur eine Fassade. Natürlich habe ich getan, als wäre ich glücklich. Natürlich habe ich den Leuten gezeigt, wie hübsch mein Körper aussieht und wie wohl ich mich angeblich darin fühle. Doch wenn ich diese Fotos ansehe, sehe ich nur eine Fassade. Niemals mich. Und irgendwie finde ich es total falsch. Wie ein schlecht geschminkter Clown, der die Lippen zu breit gemalt hat, die Pluderhosen zu weit, die Schuhe zu groß. Eine Witzfigur, ein Mensch, der nicht in diese Kleidung gehört. Aber scheinbar sehe nur ich das, den anderen Menschen gefiel das äußere Bild der Frau.

Menschen aus meiner Vergangenheit sagen "aber Du hast doch so gerne dieses Kleid getragen" oder "die langen Haare sahen so hübsch aus" und "Du warst so stolz auf diese Schuhe". Nein, ich habe das Kleid nicht gerne getragen, aber ich habe gerne die Komplimente gehört. Nein, die Haare fand ich nicht hübsch, aber sie führten dazu, dass ich als Frau wahrgenommen und gelobt wurde. Ich war nicht stolz auf die Schuhe, aber ich war stolz darauf, dass meinem Bild einer Frau Achtung entgegengebracht wurde. 

Das ist nachvollziehbar, oder? Ich bewundere Menschen, die 40 oder mehr Jahre lang rebellieren und immer treu zu sich selbst stehen. Doch ich hatte diese Kraft nicht. Manchmal wollte ich einfach nur geliebt werden. Wenn schon nicht für mich selbst, dann wenigstens für den äußeren Schein. Was tut man nicht alles, um dazuzugehören ... 

*****************

An Außenstehende: ich hoffe, es hilft Dir zu verstehen, falls Du andere Betroffene kennst. Transfrauen, die ihren Körper mit Kraftsport männlich trainierten, die Fußball spielten und extra machomäßige Klamotten trugen, die Haare millimeterkurz. Transmänner, die mit Ohrringen, Kleidern, Make-Up verführerisch weiblich aussahen. Und selbst, falls sie das gerne getan und getragen haben, das ändert nichts daran, dass sie tatsächlich dem Geschlecht entsprechen, das sie empfinden. Alles andere ist nur äußerer Schein ... 

An Betroffene: hattest Du auch solche Phasen? Hast Du Dir auch solche blöden Sprüche anhören müssen wie etwa "Du warst so ein süßes Mädchen / so ein süßer Junge"? Warum hast Du Dich damals dem körperlichen Geschlecht passend gekleidet und verhalten, obwohl Du Dich anders fühltest? Waren es ähnliche Gründe wie bei mir oder andere?

2heartedman 29.12.2015, 00.00

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