two hearted man
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Urlaub - die weniger schönen Momente

Viele Transmänner sorgen sich wegen der Flughafenkontrollen. Vor allem, wenn sie in ihrer Entwicklung schon etwas weiter sind und äußerlich einem Mann gleichen, der Ausweis aber noch weiblich ist. Das führt zu Problemen bei der Identitätsfeststellung. Die lassen sich gut lösen, wenn man einen Ausweis der DGTI dabei hat. Das ist ein vorübergehender Ausweis, der bestätigt, dass man transident ist und sich momentan in der Phase des Übergangs befindet.


Aber selbst mit dem Ausweis kann es peinlich sein. Etwa wenn man überlegt, ob man sich beim Abtasten zu den Männlein oder Weiblein stellen soll. 

Da ich meinen weiblichen Ausweis habe und weiblich aussehe und klinge, war das für mich keine Frage. Trotzdem hoffte ich, dass sie beim Abtasten an den Oberschenkeln nicht gegen den Packer stoßen würde. Ich überlegte, ob ich den Packer in mein Handgepäck stecken soll, aber der Gedanke, wie die beim Durchleuchten oder Öffnen plötzlich einen abgetrennten realistisch aussehenden Pimmel in der Hand halten, ließ mich einerseits lachen, andererseits erröten. Also lieber anziehen und hoffen, das sie beim Abtasten nicht so hoch geht. 

Und der Binder? Wenn ich statt BH plötzlich so ein breites Gummiding unter dem Shirt trage? Ob die nicht denkt, dass ich da irgendwas drunter verstecke? Schutzweste? Schmuggelware? 

Und falls London einen Nacktscanner hat, oh Gott wie peinlich! Okay, ich würde nicht geoutet werden. Aber der Gedanke, dass man da meinen weiblichen Körper am Monitor sieht, und sei es nur mein weibliches Skelett?!? 

Trotzdem war mir klar, dass man gedanklich immer zu worst case Szenarien neigt. Die Infos im Forum machten mir klar, was passieren könnte. Und innerlich war ich gewappnet, FALLS tatsächlich irgend etwas auf Misstrauen stoßen sollte. Aber wie zu erwarten lief alles glatt. Beim Abtasten wurde ich von einer Frau herangewunken, und sie tastete nicht tiefer als an den Hosenbund und nicht höher als zum Rippenansatz (?!? Strange! Aber mir sollte es recht sein)

London selbst war ein Traum. Und eines unserer Ziele war Soho. Ich war so begeistert! Neben Futterpalästen und jeder Menge Kultur ist Soho vor allem dafür bekannt, dass es DAS Schwulen- und Lesbenzentrum der Stadt ist. Haufenweise Sexshops, und viele Menschen aus den eigenen Reihen. 

Wir sahen haufenweise Schwule und Lesben dort, recht viele Transfrauen und vermutlich ein paar Transmänner (die sind immer schwer zu erkennen), und es war toll, sich so locker unter ihnen zu bewegen. Denn auch, wenn Schatz und ich nicht aussehen wie ein schwules Paar, sind wir eines. Ich fühlte mich toll! Frei! 

Ein paar Minuten lang jedenfalls. Dann ging es abwärts. Im Alltag bin ich es gewohnt, als Frau gegendert zu werden. Und mir hätte eigentlich klar sein müssen, dass ich auch in Soho keinen Stempel MANN auf der Stirn trage. Ich war halt etwas zu begeistert, um daran zu denken. 

Im Sexshop gingen mir die Männer aus dem Weg. Einer der Verkäufer reagierte sauer auf meine Nachfragen an ihn, denn ich schien ihm die Kunden zu vergraulen. In den Restaurants, Cafés und Bars wurde ich zuvorkommend als Dame behandelt. Wenn wir an den "Etablissements" vorbeikamen, hieß es mit Blick zu mir "no ladies" oder "ladies welcome". Meinen Mann wollte man abschleppen, als er an einer der Türen vorbeilief, und ich wurde konsequent ignoriert. 

Ich bin an diesem Tag in Wort und Tat so oft gegendert worden wie noch nie. Bilde ich mir zumindest ein. Ist natürlich nur subjektive Wahrnehmung, weil ich im Alltag sonst genauso behandelt werde. Aber im Alltag gehe ich nicht in fünf Bars / Clubs / Restaurants / Cafés am Tag und gehe auch nicht in 10 verschiedene Läden. Die Verkäufer zu Hause kennen mich und müssen mich nicht mehr gendern, bzw da bin ich es gewohnt. Und dadurch, dass ich mich halt einfach auf einen genderfreien Tag inmitten anderer queerer Mitpeople gefreut hatte, wurde ich sosehr enttäuscht. 

Abends lag ich im Bett und war wie erschlagen. Als hätte man den ganzen Tag auf mich eingeknüppelt. Scheiße, ja, rein rational ist nix passiert. Und ich weiß, dass das nur meine verdammte Wahrnehmung war. Und ja, ich fluche, aber mir war danach. Mir ging es dreckig an diesem Abend. Ich war tagsüber gereizt, habe meinen Mann angefahren, mich ein paarmal ziemlich blöd verhalten und wusste einfach nicht wohin mit meinem Frust. Wollte auch nicht drüber reden und konnte es ihm auch nicht erklären. Er wunderte sich nur, warum ich auf einmal so pissig war. Abends, als dann endlich das Licht aus war, flossen die Tränen. Und ich ärgere mich über mich selbst, denn nicht die anderen haben mir den Tag versaut, sondern ich mir selbst mit meinen Erwartungen. 

Immerhin: ein paar Wochen später kann ich locker darüber schreiben. Und erfreulicherweise sind mir nicht diese Momente im Gedächtnis geblieben, sondern die schönen Erinnerungen. Die bunten Schaufenster, das tolle Essen, das leckere Bier, die spannenden Erlebnisse. 

Das ist der Vorteil, wenn man im Leben bevorzugt die positiven Dinge ins Tagebuch schreibt, wenn man nur das Positive im Alltag auf Foto festhält. Wenn man sich angewöhnt, Dankbarkeit vor alles andere zu stellen. Keine Sorge, dadurch wird man nicht zum hoffnungslosen Positiv-Idioten. Die negativen Dinge fressen sich auch ohne Zutun ins Hirn. Aber die dunklen Momente sollen nicht mein Leben bestimmen. Speichern möchte ich die schönen Momente. Und davon hatte London auch an diesem Tag so viel zu bieten!

2heartedman 22.05.2015, 19.48

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