two hearted man
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Unpassender Moment für ein Outing

Als ich vor einiger Zeit diesen Unfall hatte, war ich die ersten Tage ganz schön beschäftigt. Polizei, Krankenwagen, Notaufnahme, Arztbesuch und Co. Outing ja oder nein?


Der Polizist wollte natürlich als erstes den Ausweis. Und sprach mich dann mit Nachname an, als Vorname nannte er ständig den ersten Vornamen (mein Rufname ist der zweite, den ersten finde ich grauenvoll). War aber erschöpft und hatte bei dem ganzen Stress keinen Nerv, alles klarzustellen, hatte grad echt andere Probleme. Außerdem hatte der Polizist auch grade Wichtigeres zu tun, als mit mir über mein Geschlecht zu diskutieren. 

Im Krankenwagen untersuchte man mich kurz. Klamotten ablegen, Schulter ansehen, abtasten. Na super, und ich hatte diesen knallengen Binder. Aber das war mir schnuppe. Sollte einer was dazu sagen, hätte ich erklärt, dass das Funktionswäsche ist. Hat man als Biker, genauso wie Radler, Jogger und Co. Atmungsaktiv, gegen Schwitzen, wärmend und so, sieht fast genauso aus (keine Ahnung, ob das stimmt, aber ich hätte es im Brustton der Überzeugung erklärt, soll er mir erstmal das Gegenteil beweisen!). Auch hier: keinen Bock auf Diskussionen darüber, ob sie grade eine männliche oder weibliche Schulter betasten. Und wieder wurde ich ständig als Frau angeredet. 

Kann es sein, dass Polizisten und Ärzte ganz besonders oft "Frau sowieso" sagen? Das stellt Bezug her, ist persönlich, bezieht sich direkt auf die Leute. Grad, wenn jemand mal im Schock oder verletzt oder in einer sonstigen Ausnahmesituation ist, kann das sehr hilfreich sein, die Person auf diese Weise immer wieder "zurückzuholen". Außerdem simuliert es Vertrautheit in einer Situation mit lauter Fremden. Ich jedenfalls würde in einer solchen Situation die Person ständig mit Name ansprechen. Blöd natürlich, dass das hier für mich so unangenehm war. 

Dann ein paar Stunden später in der Notaufnahme. Langsam fing es an zu schmerzen. Anfangs war da noch das Adrenalin, aber als das nachließ, fing es an zu pochen. Na prima. Na danke. Und überhaupt. Mir kam so langsam der schreckliche Gedanke, dass man mir den Binder aufschneiden muss. Denn falls ich die Schulter nicht mehr heben kann, krieg ich das Ding nicht mehr ausgezogen! Oh mann, dieses Ding war teuer! Außerdem wäre mir das verdammt peinlich gewesen. 

Ich versuchte diesen Gedanken zu ignorieren. Wenn es so passiert wäre, dann wäre es eben passiert. Ärzte sehen täglich soviel Zeug, ein Binder gehört da zu "ferner liefen" und dürfte keinen interessieren. Also warum sollte ich mir da Gedanken machen?

Als er allerdings sagte, ich solle meine Hose ausziehen, er wolle auch die Beine und vor allem Knie abtasten, wurde mir etwas mulmig. Auweia! Der Arzt hatte bereits 12 h seiner 24h Schicht abgeleistet und wollte sicher keine Diskussion. Und ich hatte keine Lust, ihn über die Hintergründe der "Frau Nachname" aufzuklären. Und noch weniger hatte ich Lust auf blöde Blicke auf meinem Packer. 

Also: schnell von ihm weggedreht, mit dem nicht kaputten Bein den Stuhl mitsamt Tasche etwas herangezogen, Hose runter, mit einem flinken Handgriff den Packer in die Faust gestopft und in die Tasche gelegt. Muss bestimmt irre witzig ausgesehen haben, mein Mann musste sich das Lachen verkneifen, der Arzt bekam es wie geplant nicht mit :-)

Binder durfte ich dran lassen beim Abtasten und sogar beim Röntgen, Glück gehabt. Es fragte auch keiner, was das ist. Und zu Hause habe ich es dann mit Hilfe meines Mannes, viel Fingerspitzengefühl seinerseits und ein wenig Zähne zusammenbeißen meinerseits geschafft, mich dieses Teils zu entledigen.

Als ich mit der Transition anfing, hätte ich nicht gedacht, in wie vielen Situationen ich vor der Frage stehe "Outing ja oder nein". Normalerweise stehe ich dazu, grade auch bei Arzt und Behörden. Aber hier war es einfach der falsche Moment, da gab es wichtigere Dinge zu klären. Jedenfalls eine sehr interessante Erfahrung, mit der ich nicht in dieser Form gerechnet hätte.

2heartedman 05.09.2015, 18.57

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