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Therapie 13 - Therapie ist ein Prozess

Um die aktuelle Sitzung zu beschreiben, ist es erforderlich, kurz auf die vorherige Sitzung einzugehen. Habe im Blog letztes Mal nicht viel dazu geschrieben. Weil es in Einzelfällen besser ist, wenn ich erst warte, bis eine Situation geklärt ist bzw sich alles ein bisschen gesetzt hat ... 


Vorletztes Mal ging es mir verdammt dreckig, ich war seit einigen Tagen absolut am Boden, hatte ein Tief wie schon lange nicht mehr. Privat stürzt momentan sehr viel auf mich ein, von allen Seiten, und es war einfach zuviel. Habe dann versucht, das in der Therapie anzureißen. War natürlich eine geballte Ladung, wusste ja selbst nicht wo anfangen. 

Die Reaktion des Therapeuten hatte mich erst einmal irritiert, dann verärgert. Als ich heimkam war ich noch mehr am Boden als davor, fühlte mich unverstanden. Wenn er mir Sachen sagt, die sosehr an meinem Empfinden vorbeigehen und davon abweichen, bin ich wirklich so kaputt und falsch, oder bin ich so unfähig meine Gedanken darzustellen? Oder hat er überhaupt zugehört? 

Zwei Tage lang war ich noch tiefer als davor schon. Von "dem werd ich nie wieder irgendwas erzählen" über "dann sag ich halt nur noch, was er hören will" über "was fällt dem überhaupt ein" und "scheiße, dass ich da hin muss, nur damit die Kasse mir glaubt, dass ich ein Kerl bin. Und ich Depp erzähl auch noch privates Zeug" waren noch einige anderen Gedanken dieser Art dabei. So down ich war, war ich gleichzeitig ziemlich wütend über seine Reaktion und recht trotzig.

In der aktuellen Sitzung nun wollte ich nicht anfangen. "Trotzig" war ich nicht mehr, aber vorsichtig, sehr verunsichert, wie es weitergehen sollte. Normalerweise ist es üblich, dass der Patient (ich  mag dieses Wort nicht, weil ich mich nicht als krank empfinde) anfängt. Er sagt Aktuelles, was ihm auf der Seele liegt, bringt Fragen mit, gibt ein Thema. Aber diesmal wollte ich es umkehren. Fragte, ob bei ihm etwas ansteht für die heutige Stunde, bzw ob er etwas zu letzter Stunde sagen möchte. 

Er sprach dann an, dass ich wohl recht wütend war danach und mich unverstanden fühlte. Jap, traf es im Kern und hätte ich, falls er es nicht ausgesprochen hätte, fast genauso formuliert. Aber ich bin sehr froh, dass er es gesagt hat. Weil mir das zeigte, dass er sehr wohl mitbekommen hat, was da los war und wie es mir ging. 

Anschließend ausführlich zu überlegen, wie es dazu kam, das wollte ich gar nicht. Kann man im Nachhinein eh nicht mehr sagen. Ich denke, ich hätte vermutlich einfach mal ein virtuelles / verbales Knuddeln gebraucht. Vielleicht hätte ich das besser kommunizieren sollen (sowas auszudrücken ist mir nur schwer möglich). Vielleicht hat er wirklich etwas Unpassendes gesagt, das wäre zwar blöd aber menschlich, auch Therapeuten haben mal ´nen schlechten Tag. Vielleicht habe ich das, was er sagte, auch nur in den falschen Hals bekommen. Egal, vorbei.

Mir fällt auf, dass er mehr als andere Therapeuten, die ich kenne, Raum bietet für ... hm, wie formuliere ich das. Er nimmt sich als Person sehr zurück, bietet kaum eine Fläche. Dadurch ist die Möglichkeit, dass man viel hineininterpretieren kann. Ein Schweigen oder ein kurzer Satz ist erstmal nur das: ein Schweigen, ein Satz. Ich habe bei ihm den Eindruck (Achtung: Interpretation, natürlich weiß ich das nicht), dass er seine Sätze soweit als möglich ohne Subtext sagt. Trotzdem ist es als Empfänger einer Botschaft schwer, keinen Subtext zu hören, besonders wenn man gerade emotional angespannt ist. Ich will das jetzt gar nicht einmal werten. Ich hätte mir einfach gewünscht, dass die vorletzte Stunde anders gelaufen wäre. 

Aber: wenn in ´ner Therapie alles immer 100 Prozent rund läuft, dann geht (meiner Ansicht nach) etwas schief. Mal ganz platt gesagt "wo gehobelt wird, fallen Späne". Es ist eine eigene kleine Welt mit eigenem Tempo und eigenen Gesetzen, die das Leben von "außerhalb" verkürzt wiedergibt und verstärkt spiegelt, sodass die Schilderung und das Erleben von Szenen intensiver wahrgenommen werden kann in diesem Prozess. Entsprechend sind auch die Reaktionen hierauf verstärkt, sodass es schon mal zu Wut, Trauer, Unsicherheit, Angst und anderen unschönen Gefühlen kommen kann, die einem selbst vielleicht in dieser Situation übertrieben vorkommen können.

Das heißt nicht, dass der Patient (mensch, gibt es kein besseres Wort dafür?!?) ein Weichei ist oder cholerisch oder überempfindlich. Das heißt nicht, dass der Therapeut ihm eins reinwürgt oder ihn nicht versteht oder gar inkompetent ist. Sondern das ist Teil eines Prozesses, der eben dazugehört. 

Wie gesagt, in der aktuellen Sitzung wollte ich gar nicht wirklich so genau klären, was eigentlich los war davor. Mir war nur wichtig, dass er es mitbekommen hatte und ansprach. Und dieses Mal wurde mir in vielen seiner Aussagen auch deutlich, dass er sehr wohl zuhört, was ich sage, und dass er sich auch sehr wohl an Dinge erinnern kann, die ich einige Sitzungen zuvor gesagt hatte. Wer weiß, woran es dann das eine Mal gehakt hatte ... 

Ansonsten hatte ich für diese aktuelle Sitzung gar kein weiteres Thema. Es ging dann um ein paar generelle Gedanken zum Thema Kindheit / Jugend, Reflektion und Emotion. Und ich überlege für nächstes Mal: Er merkt, dass ich nicht zum xten Mal das Zeug von damals durchkauen will. Und trotzdem habe ich den Eindruck, dass es für ihn wohl irgendwie dazugehört. Ich habe das schon so oft gemacht, dass ich es selbst nicht mehr hören kann. Und zehnmal der gleiche Weg führt nicht ans neue Ziel. Also überlege ich, es mal anders anzugehen. Statt dies und jenes zu erzählen, hilft es vielleicht, wenn ich Fotos mitbringe von damals. Die sind greifbarer für mich, als wenn ich zum xten Mal ein und dieselbe Szene erzähle, die für Außenstehende vielleicht interessant klingt, für mich aber zu einer emotionslosen Wiederholung von zurechtgelegten Worten geworden ist. 

2heartedman 21.06.2015, 12.51

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