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Testosteron - Wunsch und Wirklichkeit

Testosteron, DAS Zaubermittelchen, das eine vermeintliche Frau rein äußerlich zu einem Mann macht. Bartwuchs, irreversibler Stimmbruch, Körperbehaarung, Fettverteilung. Und was noch so alles damit einhergeht und nicht konkret belegbar ist an Verhalten, Denken und Drumrum.


Ja, es kann möglicherweise Nebenwirkungen geben. Ich werde natürlich auch ausführlich mit dem Endokrinologen darüber reden und mich informieren. Aber das nehme ich - sollte es mich treffen - dankbar in Kauf. Werde mir bewusst machen, dass ich diese Entscheidung getroffen habe und dazu stehe. Selbst, falls es Komplikationen gibt.

Letztens schrieb im Forum ein Transmann sehr passend: wir treffen keine Entscheidung für ein bestimmtes Aussehen, sondern für einen Lebensweg!

Klar haben wir alle Wünsche. Ich wünsche mir natürlich eine schmalere Hüfte, breitere Schultern, einen dichten Bart, eine herrlich basslastige Stimme, größere Füße als meine kleinen 38er, kräftige Hände und eine ultramännliche Ausstrahlung. Ach ja, und ich möchte zwar männlich-markant duften, aber nicht vor mich hinstinken. Mein breites Kinn wird bei entsprechender Fettverteilung auch nicht mehr breit aussehen, sondern kantig und männlich-markant. Und wenn wir schon dabei sind, mir sind braune Augen eigentlich lieber als meine graublauen. Upps, ich gehe zu weit, Augenfarbe klappt nicht. 

Also, was ich damit sagen möchte: mir ist bewusst, dass ich möglicherweise völlig anders aussehen werde als geplant. Gut möglich, dass mir recht bald die Haare ausfallen und ich eine Glatze bekomme. Nicht wie junge Männer, die sich über Jahre hinweg daran gewöhnen können, sondern sogar ziemlich schnell und kurz nach Testobeginn, vielleicht sogar während ich noch Brüste trage, wer weiß? Und wenn das Schicksal schon so grausam ist, kann es auch gut sein, dass mir kaum ein Bart sprießen wird. Es gibt ja auch Bio-Männer, die sich nur sehr selten wenn überhaupt rasieren müssen. Oder solche, die partiellen Bartwuchs haben, also nicht gleichmäßig sondern hier buschiger, dort sehr wenig, sodass ein Bart einfach nur lächerlich aussähe. 

Vielleicht werde ich ja ein zweiter Reproff (in Zeiten des Internet wohl eher Tay Zonday). Aber möglicherweise geht die Stimme auch nur ein paar wenige Töne nach unten und klingt noch immer weiblich. Ich kenne Bio-Männer, deren Stimme am Telefon locker als Frau durchgeht. 

So etwas fällt kaum auf, denn man achtet nicht darauf. Man sagt "der ist ein Mann", also fragt man gar nicht, ob er Bart trägt oder wie seine Stimme klingt. Achtet im Alltag darauf! Sucht bei Frauen gezielt nach männlichen Attributen, und ihr werdet erstaunt sein, wieviele Bio-Frauen sich sogar am Hals und unter dem Kinn rasieren müssen (vor allem aus südlicheren Gefilden), ja sogar Rasurpickel am Hals haben. Wieviele Frauen eine tiefe Stimme haben. Ihr werdet erstaunt sein, wieviele Männer problemlos Alt singen könnten und die für einen vernünftigen Dreitagebart mehrere Wochen benötigen. Wieviele Männer ein Becken haben, dass dermaßen gebärfreudig ist, dass locker Drillinge durchpassen würden.

Ich wünsche mir natürlich, dass mir das nicht passiert. Falls es dann doch passiert - DEAL WITH IT! Natürlich wäre es schön, nach fast 40 Jahren Frauenzwangskörper endlich mit einem Wunschbody entschädigt zu werden. Aber das Leben ist eben kein Wunschkonzert, und Testosteron ist kein Wundertrunk, nur ein in der Dosis aber nicht in der Wirkung kontrollierbares Hormon. 

Inzwischen verfolge ich im Forum, privat und auch in Mails gespannt, was sich bei anderen Männern so tut. Sie fingen mit mir ihre Therapie an, nehmen inzwischen Hormone, und ich freue mich immer über die Statusmeldungen. Die Veränderungen und Erfolge sind unterschiedlich. 

Spannend finde ich, wie sich vor allem auch Dinge ändern, die nicht sichtbar sind. Das, was man oft als "typisch Mann - typisch Frau" deklariert. Sexualtrieb, Risikobereitschaft, Gereiztheit, Tatendrang und vieles mehr. Natürlich darf man es nicht monokausal betrachten und sagen "der nimmt Testo, also wird er gereizter / risikobereiter", denn es spielen auch soziale Faktoren hinein wie etwa die Aufbruchsstimmung in ein neues Leben oder der Stress mit den Behörden, dem Umfeld, auf Arbeit, privat. Aber oft höre ich "früher hätte ich soundso reagiert, heute dagegen anders". 

Ich lasse mich dann mal überraschen. Von mir selbst. Aber wenn ich schon dabei bin und Wünsche äußern darf:

Es wäre schön, wenn das Gedankenkreisen weniger würde. Ist realistisch, das habe ich von manchen Transmännern schon gehört. Sie kümmern sich weniger darum, was andere von ihnen denken, und sie machen einfach ihr Ding. Ob das vom Testo kommt oder davon, dass diese Entscheidung sowieso viele Widerstände überwinden muss und wir einfach infolgedessen selbstbestimmter werden ist unklar, aber es wäre toll, wenn ich das schaffen könnte. 

Ich wäre gerne etwas risikobereiter. Nicht im übertriebenen Sinne, aber ich würde gerne mal den Kopf ausschalten. Ein banales Beispiel, das aber zeigt, wovon ich spreche: gestern im Gespräch mit anderen Bikern wurde meine Kurventechnik angesprochen (bzw die nicht vorhandene *hust*). Ich  mache mir zu viele Gedanken, statt einfach in die Kurve reinzufahren. Die vielen Gedanken und die unsichere Fahrweise sind gefährlicher als ein direktes "ich fahr jetzt einfach rein". Manche Transmänner erzählen, dass sie nicht mehr so viel über alles nachdenken im Alltag, sondern eben die Dinge einfach tun, sei es nun beim Autofahren, beim Sex, beim Einkaufen, beim Flirten. Vielleicht schaffe ich es dann ja auch endlich, meine Blogbeiträge kürzer zu fassen ;-)

Klar, für den Sex habe ich auch Wünsche, aber die gehören nicht in den Blog, sondern ins Schlafzimmer *Machoblick an den Leser richtet, lässige Geste macht*

Ich würde gerne singen. Meine Stimme mag ich nicht, und Singen getraue ich mich nicht. Vielleicht werde ich ja mit der neuen Stimme endlich den Mut finden, auch einmal vor anderen zu singen. 

Dito Fotos: ich würde gerne einmal ohne Scheu in die Kamera lächeln. Auf Fotos mag ich mich nicht, das ist nicht mein Gesicht, das bin nicht ich. Es wäre so schön, nicht immer verkrampft vor allen Objektiven zu flüchten, sondern einfach mal frech ins Bild zu hüpfen "hier bin ich". Sei es, weil ich das Gesicht mit Testo mag, oder sei es, weil es mir piepegal ist, was andere denken wie ich aussehe. 

Egal. Meine Werte, meine Prinzipien, meine Charakterzüge, all das wird gleich bleiben. Ich werde der gleiche Mann sein wie zuvor. Nur in einem anderen Körper. Mein Lebensweg wird mich verändern. Testosteron wird dazu beitragen, aber was ich daraus mache, das liegt in meiner Hand ... 

2heartedman 24.05.2015, 17.47

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