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Stilfrage - Barfuss oder Lackschuh

In letzter Zeit stelle ich mir immer öfter die Frage, was für ein Mann ich bin. Oder gerne wäre. Oder sein werde.

Was für eine Frau war ich denn überhaupt? Okay, blöde Formulierung, wenn man davon ausgeht, dass ich niemals eine Frau war. Aber, wie wirkte ich? Wie fühlte ich mich? Wie ich wirkte, das müssen andere beantworten. Aber wie ich mich fühlte: deplatziert, unpassend und irgendwie niemals richtig. 

Wurde als Goth betitelt (was ich nie war). Als Rockerbraut (schon eher, darauf war ich stolz). Als Amazone (wtf?!? Amazonen sind verdammt weiblich. Vielleicht ging es den Leuten, die mich so nannten, um mein emanzipiertes Auftreten). Als Mannweib. Man konnte und kann mich in keine Schublade packen, und das ist meinen Mitmenschen unangenehm.

Ich wusste nicht, wie man sich in den Röcken bewegt, die ich tragen musste. Deswegen wurde ich gerügt für meine wilden Bewegungen. Man steigt im Rock nicht drei Stufen auf einmal, schürft sich nicht die Knie auf. Man steigt nicht übers Fahrrad, als hätte es eine Stange - dafür ist der Durchstieg (den ich nie nutzte). 

Ich trug Jeans und Pullis und Shirts, wenn ich wählen durfte. Second Hand, oder wenn ich selbst einkaufen ging Männerabteilung. Aber es passte nie so wirklich. Ich hatte das Gefühl, dass ich keinen Geschmack hatte. Denn so richtig richtig richtig männlich getraute ich mich nicht, weil ich dafür gerügt wurde. Also war es so halbherziges Zeug, das nie so richtig einzuordnen war. 

Oft trug ich Westen. Aber auch da - Hosenträger oder Männerhemden habe ich versucht, wurde aber regelmässig gerügt (Familie) oder ausgelacht (Schule), sodass ich bald davon abließ. Und später mit 85 C sahen Hosenträger auch irgendwie bescheuert aus. 

Hatte keinen wirklichen Stil, kein Konzept. Also nicht, dass man sagen könnte "leger" oder "schick" oder "grrrl" oder "boy" oder "Anzug" oder dergleichen. Ich fühlte mich immer ziemlich verloren. 

Aktuell trage ich auch so eine Art Mischmasch. Meine Frauenklamotten habe ich ja vor einem halben Jahr aussortiert. Übrig sind keine direkten Männerklamotten. Sondern eben Schlabbershirts, weite Hemden und Hoodies, unisex und schlumpi. Aber das ist kein Stil, sondern das ist "irgendwas" und "ungepflegt". Ich mag das nicht sonderlich. 

Kleidung drückt ja etwas aus. Was will ich ausdrücken? Wer will ich sein? Wer bin ich? 

Ich verzweifle bisher an dieser Frage. Oft, wenn ich einen bestimmten Typus auf der Straße oder im TV sehe, denke ich "so wäre ich auch gerne" oder "nicht mein Ding, aber ich glaube, so werde ich später mal auf andere wirken". 

Da gibt es die Ökos. Ich ernähre mich vegan, möchte gerne nachhaltig leben und auf Markenklamotten oder unnötigen Style verzichten. Aber will ich wirklich so öko wirken, oder vermittelt das nicht ein falsches Bild? Ich bin mehr!

Da gibt es die Nerds. Ich stehe auf Nerdkram, liebe diese Motiv-Shirts, und ich hab auch keine Lust auf irgendwelche speziellen Frisuren, mein Haar soll wachsen, wie es will, und eigentlich wäre ich ja sogar Brillenträger (wenn ich sie mal tragen würde). Aber ich will nicht wirken wie so ein Nerd. 

Goth, Metal. In diese Ecke werde ich aktuell oft gesteckt. Was mich irritiert, weil ich mich nicht so empfinde. Auch, wenn ich den Style mag. Aber das ist wieder eine Schublade, und ich will keine Klamotten, die mich in eine Schublade stecken.

Anzüge. Oh, wie ich auf Anzüge stehe. Fliege, Krawatte, Hut, Anzug, Hemd. Das sieht genial aus, das liebe ich. Gefällt mir an anderen, mag ich an mir. So habe ich mich früher gerne gekleidet, fühlte mich sauwohl darin, wurde aber immer ausgelacht. Wenn ich endlich aussehe wie ein Kerl, werde ich dafür vermutlich nicht mehr ausgelacht. Aber ob ich mich darin noch wohlfühlen werde? So ein Seil um den Hals, und das Hemd schön sauber in der Hose? Bin ich nicht etwas lässiger? Vielleicht offener Hemdkragen mit halbgebundener Krawatte, und das Hemd so halb drin, halb draußen? Aber das ist albern, will ich das wirklich?

WIE werde ich überhaupt sein? Mein Mann meint, ich hätte viel von ´nem Macho / BadAss. Und gelegentlich wird mir dies auch von anderen Männern gespiegelt. Ich fühle mich nicht als Macho, erst recht nicht als BadAss. Aber meine Wortwahl, meine Gestik, mein Verhalten scheint wohl darauf hinzudeuten. Nein, kein frauenfeindlicher Macho, eher die lässige Variante sei ich wohl, Richtung "that´s me, deal with it". Ich kann mich gefühlsmäßig wenig damit identifizieren, scheine diese Assoziation aber bei vielen Menschen hervorzurufen. 

Vielleicht werde ich aber auch ein sehr femininer Mann sein. Weil ich keine Lust habe, extra auf ultra männlich zu machen, nur weil ich mich als Mann empfinde. Ich finde Geschlechterschubladen völlig daneben und mach mein eigenes Ding, egal was andere sagen. Vielleicht führt das dazu, dass man mich später als feminin einordnen wird? Was mir egal sein kann, wenn Bart und Stimme für ein 1a Passing sorgen. 

Vielleicht werde ich genauso wie momentan hilflos in der Luft hängen. Ohne Stil, weil es einfach zu spät dafür ist. Weil ich mich nirgends so wirklich zugehörig fühle. Der Anzug neben der Gothic-Hose neben dem Nerd-Shirt neben dem Öko-Hoodie neben den Rockerjeans. Heute als Gentleman, morgen als Badass, und dann wieder im Wochenend-Schlabberlook. Heute Naturbursche in Gummistiefeln, morgen Geschäftsmann, und übermorgen Dunkelgoth.

Eigentlich ist es völlig egal. Kleider machen Leute. Tun sie das wirklich? Oder brauchen die Umstehenden erst die Kleider, um den Menschen zu erblicken? Manchmal habe ich das Gefühl, dass Menschen ohne konkreten Stil unsichtbar sind in der Gesellschaft, weil sie sich den Schubladen entziehen.

Bin ich Macho und Badass? Gentleman? Weiblicher Softie? Rocker? Geheimnisvoller Professor? 

Es gefällt mir nicht, heute so und morgen so zu sein. Nicht zu wissen, was ich eigentlich will. Ich habe zwar Wünsche und Ideen, was mir gefällt, aber das passt momentan nicht zu mir (vom Auftreten her) oder steht mir nicht (körperlich). Ich hoffe, dass es mit männlichem Körper anders sein wird. Dass mir das, was mir gefällt, auch steht und zu mir passt. Nur, in eine Schublade will ich trotzdem nicht, das ist mir zu eng ;-)

2heartedman 21.06.2015, 13.05

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Kommentare zu diesem Beitrag

2. von tabakbart

Ich schmunzel. Denke mir inzwischen, das ist gar kein echtes trans-Thema. Geht vielen Menschen so, egal welche Identität. Das Gute ist: tief im Inneren wissen wir eigtl, was kommen wird, du schreibst es selbst auch schon. Wenn man sich nicht selbst treu ist, ist man niemand. Das Aussehen ist total egal, das muss man nur erst mal akzeptieren. Was ohne 100% Passing quasi kaum geht, denk ich mal. Genieße die Suche, damit du nachher weißt, was du gefunden hast *zwinker*

vom 30.06.2015, 18.10
Antwort von 2heartedman:

*nick* da ist was dran. Identitätsfindung und die Selbstdefinition durch Kleidung, Auftreten, Stil ist typisch. Erlebt man ja auch oft bei Jugendlichen, die sich finden wollen, oder auch oft noch bei Erwachsenen ... 

nachdem ich ein paarmal wieder Hemd getragen habe, glaube ich die Antwort auch zu kennen. Und irgendwie freut es mich diebisch, dass auch das kein spezieller Look ist sondern nirgendwo eingeordnet werden kann ;-)

1. von Sonja

Hm, für mich ist Kleidung eine Stimmungssache, keine Stilfrage oder ein Markenzeichen. Ich trag alles: von Bandshirt, Hoodie, sportlich, unauffällig bis hin zu eng, feminin, auffallend. Das kommt bei mir auf meine Laune an (ja und natürlich bisschen auf den Anlass), aber einen eigen Stil hab ich nicht und will ich auch nicht haben. Ich finde es viel spannender, mit der Optik zu spielen und dann eine Charakter zu zeigen, der vielleicht nicht zum aktuellen Aussehen passt ;-) aber ich bin auf deinErgebnis sehr gespannt!

vom 21.06.2015, 19.41
Antwort von 2heartedman:

*nick* kann ich verstehen. Und, wie im letzten Satz gesagt: eine Schublade will ich trotzdem nicht. Sollte ich irgendwann einen bestimmten Stil haben, werde ich noch genügend zum Wechseln im Schrank haben. 

Vorhin bei einem Film wurde mir klar, dass es einen Stil gibt, der mich sehr reizt und den ich damals eigentlich sehr zelebrierte. Und gerne noch würde. Allerdings ist der etwas arg altmodisch ... aber wer weiß ... 

(aber abgesehen von den Brüsten stören da momentan die Pfunde, das geht nur in schlank. Ich arbeite dran *g*)