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Statist an der Oper

Vor einiger Zeit war ich bei einem Casting als Statist in der Oper.

Ich hatte im lokalen Netzwerk gelesen, dass männliche Statisten gesucht werden und war recht begeistert. Jau, warum nicht? Erfordert viel Zeit. Hab ich nicht, aber nehme ich mir gern. Deswegen arbeite ich ja halbtags: um die verbleibende Zeit zu nutzen für alles, was mir im Leben so über den Weg läuft. Statist an der Oper, wie cool ist das denn?

Stand also da mit einem Kumpel. Wir waren zu früh. Niemand kam. Wir hatten damit gerechnet, dass zwanzig, dreißig oder mehr Leute dort stehen würden. Aber tatsächlich: als es soweit war, waren wir nur zu zweit (eigentlich brauchen sie haufenweise Leute). Also, kurz gesagt, ich hab den Job LOL ;-)

Sie erzählen uns knapp, worum es in dem Stück ging. Dann beschrieb sie uns die Aufgabe. Wären wir mehrere Leute gewesen, hätte sie uns verschiedene Szenen spielen lassen. Aber da wir die notwendigen Kriterien (Alter, Geschlecht) erfüllten und die Auswahl der Bewerber eher überschaubar blieb, ...

Mehr pro forma um uns mal zu sehen und für uns zum Antesten spielten wir zwei Szenen durch. Unter anderem einen tragischen Tod. Hat mächtig Spaß gemacht, wir haben sehr viel gelacht und freuen uns schon darauf. 

Wir bekommen einen Anzug, yeaaaaaaah! Ich freu mich schon drauf! Okayokay, mir ist bewusst, dass der nicht maßgeschneidert sein wird. Und vermutlich ist mein Anzug ´ne Nummer zu groß (bzw ich zu klein). Aber das ist mir egal, die Garderobieren werden großen Wert darauf legen, dass alles passt, die Opernbühne ist kein Spielplatz sondern eine ernste Sache (sage ich jetzt ohne Ironie). Ich werde also GROSSARTIG aussehen!

Und wenn wir erschossen werden, dann gibt es ein Beutelchen Theaterblut, um alles möglichst realistisch dramatisch darzustellen. Jaaaaaaa, ich freu mich drauf!!!

Weil so dringend Leute gesucht werden, hatte ich die Idee für ein paar Freunde von mir. In dem Fall keine trans*, sondern tatsächlich androgyne Frauen. Fragte, ob die auch mitspielen dürfen (sähen im Anzug womöglich sogar maskuliner aus als ich. Groß, schlank, flach, raspelkurze Haare, androgyn in Gesicht und Körperbau). Nein, dürfen sie nicht. Die wollen keine Frauen, die in männliche Rollen schlüpfen, die wollen echte Kerle ...

Irgendwie diskriminierend. Aber ich fühlte mich trotzdem toll MUAHAHAHAHA ...

Dann sahen sie den Dritten (kam nach uns etwas verspätet) von uns an und überlegten, ob er noch eine Sonderrolle bekommen könne. Er sagte natürlich sofort zu, klar. Und mir schossen tausende von Gedanken durch den Kopf: "was hat er, was ich nicht habe? Bin ich zu klein? Aber der ist auch nicht größer. Der hat tolle Muckis, bin ich zu schmächtig? Er hat ´ne Glatze, wirkt das männlicher?" und zig Varianten mehr. Lächerlich, mir war klar, dass es aberdutzende Gründe haben konnte, die nix mit Männlichkeit zu tun hatten. Aber so denkt man eben (naja, ich denke so. Aber ich weiß aus zig Gesprächen, dass es anderen TM in solchen Situationen genauso ergeht, ich bin da nicht allein ggg) ... 

Der Grund war ziemlich profan: er war glattrasiert! Und für diese weitere Statistenrolle würde man ihm einen fetten langen Bart ankleben müssen. Deswegen fiel mein Kumpel schonmal komplett raus (der sagte klar, dass er nicht rasieren wird). Und mich musterten sie dann etwas länger. Fragten, ob ich bereit wäre, mich zu rasieren, ggf für den Ersatz zum Einspringen. 

Puuuuuuuh! Verdammt, das wird echt schwer! Ich habe zugegeben gewaltig Schiss, dass mein momentan super Passing wieder zack runter auf Null geht. Aber andererseits, die werden mir einen fetten Theaterbart dranpappen, wie cool ist DAS denn! Ein Anzug, ein langer dichter Bart, genial! Und vermutlich ist mein "Dreitagebart" inzwischen genau das: ein Bart, der binnen zwei bis drei Tagen wieder die aktuelle Länge von 2.5 erreicht hat. Muss fast täglich trimmen, weil es sonst zu unordentlich ist. Habe also nicht wirklich etwas zu verlieren (außer meine Angst vor möglichem Misgendern überwinden zu müssen). 

Lampenfieber? Auch so ein Thema. Aber nicht für mich. Ich habe in meinem Job Vorträge gehalten vor zigdutzend Leuten. Habe Führungen veranstaltet und große Gruppen herumgeführt. Stehe im Schulprojekt vor großen Schulklassen oder Studentengruppen. Und früher habe ich auf der Bühne Konzerte gegeben, gelegentlich als Solist und meistens in der Gruppe. Über viele Jahre hinweg, teilweise 3 oder mehr Konzerte pro Woche in der Hauptsaison. Trompete, Quer- und Block- und Altflöte, Fanfare. Spielmannszug, Kirchenorchester, Jugendsymphonieorchester, Bigband, Bläserquintett, Bläserchor, Schulorchester. Manches 0815 Dorfmusik, anderes richtig professionell aufgezogene Gruppen. 

Kurz gesagt: mir fehlt dieses Gefühl, auf der Bühne zu stehen. Ich habe ihn immer geliebt, diesen Kick. Dieses Lampenfieber, das Adrenalin, die Aufregung, die Vorfreude, dieses süchtigmachende Kribbeln. Durch meinen Job ist es abgeflaut bei all den Vorträgen und Gruppenleitungen, ich brauchte etwas Neues.

Und in den letzten Monaten habe ich mir immer öfter gewünscht, dass ich eines Tages mal wieder auf der Bühne stehen könnte. Musik kann ich knicken, dazu müsste ich täglich mein Instrument üben, die Zeit habe ich nicht mehr. Und fürs Theater fehlt mir die Zeit den Text zu lernen. Da ist Statist doch eine tolle Lösung, die mir das Schicksal angedacht hat, oder? Ich MUSSTE einfach zusagen, als ich davon las! Und ich kann es nicht erwarten, wenn es soweit ist!

2heartedman 10.05.2018, 16.55

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