two hearted man
Interne Seiten
RSS 2.0 RDF 1.0 Atom 0.3
2024
<<< April >>>
Mo Di Mi Do Fr Sa So
01020304050607
08091011121314
15161718192021
22232425262728
2930     
Statistik
Einträge ges.: 1238
ø pro Tag: 0,4
Kommentare: 263
ø pro Eintrag: 0,2
Online seit dem: 05.12.2014
in Tagen: 3422

Ausgewählter Beitrag

Sich Zeit lassen, den Weg langsam zu gehen

Auf der Tagung wurde mir bewusst, wie froh ich darüber bin, dass ich mir mit vielen Schritten meiner Transition so viel Zeit gelassen habe!


Natürlich wäre es schön, wenn alles sofort passiert. Am besten vormittags outen, abends anfangen mit Testo, am nächsten Tab bereits ein neuer Name, und ein paar Wochen später die erste Operation. Wäre das toll! Schließlich hat man sich nach fast 40 Jahren endlich aufgerafft und weiß, was man will! 

Aber so leicht ist es nicht. Das Denken verändert sich. Man erfährt Dinge, mit denen man nie gerechnet hätte. Sieht Sachen, die einem völlig neu sind. Erfährt von Risiken, die man niemals zuvor in Betracht gezogen hätte. Und das tolle Bild, das man von seinem Weg hat, wird auf einmal überschattet von der knallharten Realität. Das kann verdammt weh tun. 

Das habe ich bei meinem Kumpel erlebt, aber auch bei anderen Leuten auf der Tagung. Dort war alles geballt. Die Leute, die man traf. Die Themen, die bearbeitet wurden. Es war ein Overflow an Eindrücken. 

Ich bin seit über 10 Jahren in verschiedenen Szenen unterwegs. Wenn ich einen 15jährigen höre, der sagt "redet ruhig offen, ich hab schon alles gesehen, mich erschreckt nichts", dann lache ich laut. Sogar mir ist manches noch neu, und ich lerne noch immer dazu. Es ist ja nicht so, dass man auf der Tagung nur Trans*Leute trifft, sondern es vermischt sich auch vieles. 

Trans, queer, Fetisch, BDSM, Medizinisches, Medien, Neigungen, Weltbilder, Lebenswelten, Beziehungsmodelle und Identitäten. Menschen unterschiedlichster Art. Und Themen, die erst einmal völlig überfordern, auch wenn der Workshop oder Vortrag erst einmal harmlos klingen mag. 

Aber wenn man plötzlich auf Kinogröße blutige Bilder von Operationen sieht, dann ist das etwas anderes als ein paar kleine Bildchen im Netz, wo man die Risiken schnell wieder verdrängt und dann wegklickt (wie ich vor über einem Jahr schmerzhaft erfahren musste. Das war ein recht traumatisierendes Erlebnis für mich gewesen). Und wenn einem Menschen über den Weg laufen, wie man sie davor noch nie gesehen hat, einfach weil sie sich über alle Grenzen hinwegsetzen und ihr Inneres frei leben, dann ist das erst einmal verwirrend, wenn man das davor noch nicht kannte. 

Ich war auf Parties, habe eine Menge Blind Dates gehabt, war auf Stammtischen, habe Vorträge besucht, unzählige Mails ausgetauscht und sehr viele Menschen getroffen. Und dabei sehr viele Dinge gelernt und erfahren, von denen ich bis dato nicht einmal wusste, dass sie existieren. Manchmal, wenn ich mich mit anderen unterhalte, die ebenfalls aufgeschlossen sind, passiert es, dass ich trotzdem einige Fachbegriffe erst einmal erklären muss, weil der Gegenüber noch nie davon gehört hat. Mein Weltbild ist inzwischen recht schwer zu erschüttern. Deswegen konnte ich all die vielen Eindrücke auch sehr gut verkraften, und ich fand es großartig. 

Aber ich verstehe, dass manche der jungen Menschen auf dem Treffen völlig überwältigt waren. Und, auch wenn ich schon viel erlebt habe, in der Trans*Community bin ich wie gesagt relativ neu. Eineinhalb Jahre, das ist gar nichts, trotzdem war mir vieles schon bekannt. Wäre ich da völlig unbedarft herangegangen, dann wäre ich wohl auch ziemlich schnell erschöpft gewesen. So aber war manches zwar ungewöhnlich und neu, aber ich konnte es gut verarbeiten und einsortieren und in mein bestehendes Bild einfügen.

Deswegen bin ich dankbar, dass ich mir für meinen Weg Zeit lassen wollte / musste. Dadurch konnte ich mich auf vieles vorbereiten. Auf die Operationen, auf andere Menschen, auf die Probleme mit den Behörden, auf die Schwierigkeiten und Hindernisse, auf die Reaktionen nichtbetroffener Menschen. 

2heartedman 15.05.2016, 15.45

Kommentare hinzufügen

Die Kommentare werden redaktionell verwaltet und erscheinen erst nach Freischalten durch den Bloginhaber.



Kein Kommentar zu diesem Beitrag vorhanden