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Ausgewählter Beitrag

Reaktionen in der Öffentlichkeit

In einem Mailaustausch mit >Erzählmirnix< kamen wir beide darauf, wie man als Mann / Frau bzw dick / dünn unterschiedlich wahrgenommen und dadurch auch anders behandelt wird. Sie schrieb "Als 150kg-Frau wird man in unserer Gesellschaft eher wie ein Mann oder ein Neutrum behandelt. Ausschnitt und Glubschäuglein ziehen da igendwie auch null"

Ich fand es interessant, wie sich das möglicherweise sonst noch ausgewirkt haben kann. Inwiefern wird eine 150kg-Frau behandelt wie ein Mann? Wie äußert sich das, und gab es noch andere Situationen?


Sie schrieb dann im Blog einen recht interessanten >Artikel< dazu. Fazit: Vieles ist wohl auch die eigene Wahrnehmung der jeweiligen Situation. Auch die Kommentare habe ich gerne gelesen. Es folgte kurz darauf die >Gegenfrage< von >Ilona< an mich: 

"jetzt hatte ich nach der Vorschau tatsächlich erwartet, der eingangs erwähnte Trans-Mann sei möglicherweise übergewichtig und erzähle, wie sich das Verhalten der Menschen ihm gegenüber verändert hat, seit er transitioniert. Das wäre tatsächlich mal eine spannende Frage, ob ein 150km schwerer Trans-Mann anders behandelt wird, sobald er als Mann wahrgenommen wird"

Jetzt habe ich am Wochenende etwas Zeit. Seit diesem Artikel habe ich darüber nachedacht, was sich geändert hat im Verhalten der Personen mir gegenüber. Das ist schwer zu beantworten. Denn es hat sich viel geändert, innerlich wie äußerlich: Ich war schon immer burschikos, trug kaschierende männliche Kleidung. Doch seit dem Outing habe ich die Haare NOCH kürzer, und ich binde meine Brüste ab (von 85C-D runter auf eine etwas größere Männerbrust). Auch lebe ich den Mann in mir endlich aus, sodass meine Sprache und meine Gestik sich etwas gewandelt haben. Ich bin von 80 kg runter auf 63 kg. Einige weiblichen Rundungen an Oberweite, Hüfte, Schenkel und Po sind noch vorhanden, lassen sich aber nun etwas besser kaschieren. Noch nehme ich kein Testosteron

>Hier< habe ich erzählt, in welche Fallen der Fettlogik ich tappte und wie es mir endlich gelang, abzunehmen. Das Outing als Mann war eine große Hilfe, endlich an meinem Wunschkörper zu arbeiten.

>Hier< eine Anekdote, wie ich mich ausnahmsweise als Frau versuchte und die Reaktion meiner Umwelt mich sofort aus der Rolle fallen ließ ;-)

Hm, wie behandeln mich Menschen im Alltag? Bezogen auf mein Gewicht hat sich wenig geändert. Ich war mit 80 kg zwar leicht adipös, aber es fiel noch in den Bereich "Frauen haben Kurven", zumal ich ja meinen Körper eh versteckte und die Pfunde recht gut ohne spezielle Problemzone verteilt waren. Positive Rückmeldung bekam ich allerdings selten, denn als burschikose Frau wird man irgendwie als Neutrum behandelt. Männer sahen mich nicht als Zielgruppe ihres Werbens, Frauen sahen in mir keine Konkurrenz. Wirklich hässlich war ich aber auch nicht, ich war zwar maskulin aber trotzdem eindeutig Frau. Also behandelte man mich freundlich und respektvoll, hielt mir mal die Tür auf, lächelte mich an, sprach mich auch mal im Supermarkt oder der Straße an: "können Sie mir den Weg sagen", "könnten Sie mir bitte mal diese Zutatenliste vorlesen", "ach, das Wetter ist heute aber viel zu heiß, Sie warten also auch auf den Bus". 

Aber man umwarb mich nicht, ich wurde nicht angeflirtet, man half mir nicht in die Jacke, hielt sich mit Zoten nicht zurück. Ich galt als toughe Frau, die braucht sowas nicht. Und da mann nicht mehr von mir wollte, gab es auch keinen Grund, mir irgendwie näherzukommen. Man pfiff mir nicht hinterher, man sah mir auf der Straße nicht hinterher. Und Frauen reißen keine blöden Sprüche und zicken mich nicht an. Männer sowie Frauen behandelten mich aber niemals wie ihresgleichen, ich hatte nicht wirklich Teil an den Gesprächen und Riten der Frauen. Und für Männer gehöre ich zur "Friendzone". Kumpeline. 

Selbst kenne ich diese Situationen im Alltag sogut wie gar nicht. Aber in meinem Freundeskreis gibt es auch sehr feminine Frauen, die mit ihrer Weiblichkeit kokettieren und denen man hinterherpfeift. Die Blicke auf sich ziehen. Und dann spüre und sehe ich, was es bedeutet, als Frau von Männern begehrt zu werden. Das ist immer total irritierend, denn auf einmal sehe ich, wie sich die Köpfe der Männer drehen, höre das Pfeifen. Erlebe, wie die Männer Hündchen gleich die Einkaufstasche tragen, sich versammeln und sinnlose Gespräche beginnen, stottern, manchmal aufdringlich werden. Und wenn ich in seltenen Ausnahmen mal enge Tops trug und mich schminkte, erlebte ich das unangenehmerweise auch. Boah, sorry, aber - Männer können soooo billig sein, das ist ja fast eklig! Hoffe, dass ich unter Testo nicht genauso werde, wenn ein attraktives Wesen an mir vorbeiläuft!

Es gibt nur eine Situation, in der ich das selbst wirklich massiv erlebe: wenn ich im Schwimmbad oder der Sauna bin. Manche Transmänner meiden diese Orte, aber solange ich kein Testo nehme, ist das für mich noch okay. Und was ich da dann erlebe, ist wirklich gruslig. Ich weiß nicht, ob das normal ist und ich es nur so heftig finde, weil ich es nicht gewohnt bin. Oder ob ich wirklich einen so begehrenswerten Körper habe, dass mir die Männer scharenweise hinterherhecheln? Sobald mein weiblicher Körper sichtbar ist, kleben mir die Kerle wie Schmeißfliegen an der Backe! 

Nett finde ich, wenn der heiße italienische Typ mich nach dem Saunieren auf einen Prosecco an der Bar einlädt, aber ich lehne trotzdem freundlich ab. Lästig dagegen, wenn das gesamte 25m Becken mit 5 Bahnen frei ist, ein Mann und ich als einzige Badegäste, und er schwimmt ständig so nah neben mir, dass er mich immer wieder berührt. Wenn ich die Bahn wechsle, wechselt er auch und berührt mich schon wieder. Sowas passiert mir laufend und ist keine Ausnahme. Wenn ich die Treppe zur Rutsche hinaufsteige, werde ich immer wieder am Hintern getatscht. Habe auch schon einige Male erlebt, wie Männer sich vor meinen Augen selbst befriedigen wollten. Allerdings sind sie bei mir an den Falschen geraten, und ich habe dann auch stets einen fiesen Spruch auf Lager. Wenn Leute in der Nähe sind, werde ich dann so laut, dass alle von der Belästigung hören und der Betroffene erstmal knallrot anläuft und das Weite sucht. Mit 80 kg passierte mir dies übrigens häufiger als davor mit weniger Gewicht. Mir wurde sehr oft gesagt und gezeigt, dass meine Pfunde genau an den richtigen weiblichen Stellen waren und die Blicke auf sich zogen. 

Es gibt aber auch ein paar wenige Männer, die mich freundlich anflirten, ein nettes Gespräch suchen, die höflich sind, ganz und gar Gentleman. Ist aber zumindest mir gegenüber eher die große Ausnahme. Einerseits freut mich dieses nette Verhalten. Andererseits enttäuscht es mich, und ich denke mir oft "boah, wie scheiße! Wenn Du mich draußen auf der Straße siehst, würdigst Du mich keines Blickes! Du bist so oberflächlich! Ist es echt nur mein Körper, den Du willst? Vergiss es!"

Einerseits trage ich die burschikose Kleidung, um Männer abzuwehren, andererseits um männlicher zu wirken. Beides funktioniert sehr gut. Und, wie gesagt, im Alltag wurde ich vor dem Outing und mit 80 kg immer sehr freundlich und neutral behandelt. 

Nun bin ich bei 63 kg, habe eine weibliche Stimme und keinen Bart. Die Menschen sind noch immer freundlich. Aber wenn ich so darüber nachdenke: ich werde nicht mehr ganz so oft angesprochen auf der Straße. Manchmal sehen die Leute mich irritiert an. Damals wurde ich selten bis gar nicht gemustert. Heute schweift der Blick häufiger mal über meinen Körper. Vor allem Gesicht und Oberweite werden einer längeren Musterung unterzogen. Die Leute scheinen sich unklar, wie sie mich ansprechen sollen, also suchen sich sich jemand anderen für den Smalltalk an der Bushaltestelle oder die Frage nach dem rechten Weg. 

Ich war mit weniger Gewicht auch schon hier und da in der Sauna bzw im Schwimmbad. Da ich dort das Frausein (Frauscheinen) nicht verbergen kann, gebe ich mich in Sprache und Gestik auch nicht männlich, denn ich will nicht auffallen. Es hat sich also an diesem Ort lediglich mein Gewicht geändert. Und interessanterweise werde ich weniger angesprochen als zuvor. 

Ich bin gespannt, was sich im Verhalten der Menschen mir gegenüber ändern wird, wenn ich bald als klar männlich angesehen werde. 

2heartedman 10.10.2015, 16.37

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Ilona

Danke vielmals, dass Du deine Erlebnisse mitgeteilt hast! Das war sehr interessant zu lesen und manches hat mich auch ein bisschen überrascht!

Ich gehöre selbst zu den Frauen, die äußerlich sehr weiblich, klein und zierlich sind - das kommt ehrlich gesagt ganz gut an bei den Herren. Aber so aufdringlich, wie Du es beschreibst, wurde eigentlich nie jemand. Zum Glück!

vom 19.10.2015, 20.53
Antwort von 2heartedman:

Wobei "aufdringlich" und "aufdringlich" zwei paar Schuhe sind, wie in dem Gastartikel von Björn ersichtlich wird. 

Was Björn beschreibt, kenne ich so gar nicht, also dieses nerven, bedrängen, nicht locker lassen. Auch bei Gesprächen werden meine Aussagen ebenso ernst genommen wie die von Männern, ich höre sogar sehr oft Komplimente, und meinen Worten wird viel Gewicht beigemessen. Vielleicht ist es auch mein entsprechendes Auftreten. 

Dafür waren es dann die rein sexuellen Sachen, die sehr provokativ waren, und auch nur im klar definierten Frauenkörper. Also grade in der Hinsicht habe ich schon ein paar krasse Brecher erlebt.

Vielleicht muss man bedenken, dass ich in einem Fall maskuline Kleidung trug (und man mich in Ruhe ließ, kein Gespräch anfing) und im anderen scheinbar sehr sexy aussah (sodass ich belästigt wurde). 

Ich finde es spannend, das mal zu vergleichen, weil wohl fast jede Frau so etwas kennt, aber auf unterschiedliche Weise. Die einen werden bedrängt, die anderen sexuell belästigt, wieder andere gestalkt, andere blöd angelabert ... kommt wohl auch bisschen drauf an, welche Art von Typen man anzieht *grübel*

alles in allem: egal, WIE und WARUM, es bringt nichts zu spekulieren, denn was zählt ist, dass das nicht okay ist. Punkt. :-)