Früher konnte ich mir nie vorstellen, meine Hose auszufüllen. Oder, besser gesagt: daran gedacht habe ich ständig, aber ich habe es nie versucht, auch nicht heimlich. Habe mir auch nie heimlich einen Bart angemalt oder angeklebt. Weil ich wusste, dass das eh nicht echt ist und an mir als Frau einfach lächerlich aussehen würde. Aber der Gedanke, wie schön das wäre, der besteht seit der Pubertät. 

Seit ich jetzt dazu stehe, hat sich die Einstellung geändert. Ja, ich bin ein Mann. Und ja, mir fehlt was in der Hose. Deswegen bin ich nicht weniger Mann als jemand, der einen Unfall erlitten hat und nun eine Prothese oder ein anderes Hilfsmittel benötigt. Warum also sollte ich aus falscher Eitelkeit oder gar Scham darauf verzichten?

Momentan sehe ich noch aus wie eine Frau (zwar eine sehr burschikose, aber dennoch eine Frau), daher werde ich es in der Öffentlichkeit nicht allzu oft tragen. Vielleicht wenn wir im Dunkeln spazieren, oder wenn ich auf eine queere Veranstaltung gehe oder wenn ich gute Freunde treffe, die davon wissen. Aber für mich daheim will ich das in Zukunft tragen. 

Und gestern kam endlich das heiß ersehnte Paket. Mein Mann half mir beim Testen. Musste mich ja entscheiden, ob es mir gefällt oder zurückgeschickt wird. Schön in der Plastikverpackung, das Siegel nicht kaputtmachen, aber trotzdem ordentlich in der Tüte knautschen. Konsistenz checken, sehen wie realistisch das wirkt. 

Sollte dann mehrfach vor ihm auf und ab laufen, mich drehen, setzen, stehen. Er wollte mal sehen, wie das in Bewegung, Stillstand aussieht, in verschiedenen Posen und auch, ob ich ihn tiefer stecke oder höher lege, ob ich besser hängen lasse oder besser seitlich lege. Ob ich meine Damenjeans nehmen kann (wo die Hüfte und die Schenkel passen, der Schritt aber sehr eng ist) oder eine Herrenhose benötige (die recht weit sitzt, dafür aber Platz im Schritt hat).

Ich bin ziemlich dankbar, dass mein Mann mich in diesem Punkt so unterstützt. Alleine wäre ich doch ziemlich aufgeschmissen, weil ich auf so etwas nie geachtet habe. Außerdem ist es eine Sache, wie ich mich empfinde, und wie er es von außen sieht. 

Die Entscheidung ist gefallen, wir behalten es. Die Haptik ist teilweise erschreckend real. Und in der Hose sieht es super aus! Für ihn ist es noch ungewohnt, das an mir zu sehen, aber es gefällt ihm. Und es sieht naturgetreu aus, wenn ich eine Jeans drüber trage. 

Für mich selbst war es ein sehr seltsames Gefühl. Einerseits großartig, andererseits aber auch etwas beschämend. Ich gebe zu, es ist traurig und ist mir auch peinlich, dass ich das benötige. Muss erst lernen, damit umzugehen, dass ich zwar ein Mann bin, aber doch kein "vollständiger". Wie sagte jemand kürzlich so schön: ein "neuer Mann" ;-)

Aber wenn ich diesen Aspekt der Scham beiseite lasse, dann ist es grandios! Es liegt in der Hose, als wäre es schon immer dort gewesen. Nimmt nach einiger Zeit die Körperwärme an und sitzt sehr gut. Hätte nicht gedacht, dass sich das so gut anfühlt! Ich habe ihn ausnahmsweise auch mal nachts getragen, und am liebsten würde ich ihn gar nicht mehr ablegen! So gemütlich, auf der Seite zu liegen, keine störenden Brüste aber dafür gut was in der Hose. Wenn ich an mir hinunterblicke, die flache Brust, die gewölbte Hose, DAS bin endlich ich. So, wie ich mich schon immer sah, wenn ich die Augen schloss ... 

Und, mal ehrlich: ein Mann hat einen, und der gehört ihm, das ist beneidenswert. Aber ich kann dafür wechseln. Wenn ich eine Konfrontation erwarte, kann ich mir morgens dicke Ömmels einpacken und mir erstmal selbstbewusst männlich in den Schritt greifen. Wenn ich meinen Partner in der Öffentlichkeit nicht beschämen will, wähle ich eine kleinere Variante. Oder zum Spielen einen ordentlichen Hammer. Wenn es draußen eiskalt ist passenderweise was Kleineres. Oder für den Alltag ein normales Teil, mit dem ich mich einfach nur männlich fühle. Kann sogar wählen, ob ich lieber beschnitten oder unbeschnitten auftrete (welcher Mann kann das schon?). Gut, ich hab natürlich nicht zwanzig verschiedene Versionen bestellt. Aber ich nehme alles mit Humor und versuche, den Spaß dabei zu sehen. Und irgendwie entbehrt das Thema bei allem Ernst dennoch nicht einer gewissen Komik, oder? ;-)