two hearted man
Interne Seiten
RSS 2.0 RDF 1.0 Atom 0.3
2024
<<< März >>>
Mo Di Mi Do Fr Sa So
    010203
04050607080910
11121314151617
18192021222324
25262728293031
Statistik
Einträge ges.: 1238
ø pro Tag: 0,4
Kommentare: 263
ø pro Eintrag: 0,2
Online seit dem: 05.12.2014
in Tagen: 3401

Ausgewählter Beitrag

Meine Familie

Ein paar Gedanken rund um meine Familie damals und heute ...

Meine Familie ist sehr groß, wenn mal väterlicher- und mütterlicherseits zusammenrechnet. Wenn ich allerdings von "Familie" rede, dann meine ich fast immer den väterlichen Part. Dann kommen all die Tanten und Onkel, außerdem die Cousins und Cousinen, die Halb- und Stiefgeschwister und dann auch noch die angeheirateten Leute aus erster und zweiter Ehe meiner Onkel und Tanten. Manche der Pflege- und Tageskinder waren für mich wie Geschwister, mit denen ich viele Jahre meines Heranwachsens teilte. Wo zieht man die Grenze? Sowas wie "Family Reunion" oder "große Feier mit allen aus der Familie" gibt es bei uns eh nicht. Und groß Wert aufs Feiern haben wir auch noch nie gelegt. 

Ein Punkt, um den sich früher alles gesammelt hat, war die Wohnung meiner Großeltern. Das war quasi "offenes Haus", die Tür hatte einen Drehgriff, und ohne Klingeln konnte man reinkommen. Es war außer nachts auch nie abgesperrt, man konnte immer rein. Das haben viele Menschen genutzt. Jeder bekam zu essen, wurde herzlich willkommen geheißen, und auch Fremde wurden behandelt wie langjährige Freunde. Wer einheiratete, war vom ersten Tag des "wir gehen zusammen" sofort wie ein neuer Sohn, eine neue Tochter. Es gibt manche Teile der Familie, die ich nur dem Namen nach kenne oder von ein, zwei Treffen aus der Kindheit. 

Meine Oma war "die Oma" in der ganzen Stadt. Wenn jemand sagte "das erzähle ich der Oma", dann war sie gemeint. Sie war eine türkische, deutsche, russische, griechische, spanische Oma und von allen respektiert. Sie wurde von allen eingeladen, wenn es eine Hochzeit gab, wenn ein Kind geboren wurde, wenn gefeiert wurde. 

Ich genoss dadurch einen gewissen Respekt, denn ich gehörte ja zur "Oma". Auf der anderen Seite war es auch ein hoher Erwartungsdruck, ganz zu schweigen von der Identität, die mir geraubt wurde. Ich war immer "die kleine (Nachname)", und statt "wie geht es Dir" sagte man "ach, da bist Du ja, wie geht es der Oma, sag ihr liebe Grüße". Das hat mich sehr geärgert und vor allem verletzt, ICH schien egal, alles drehte sich um meine Oma. 

Der Opa war zwar nicht "der Opa", aber auch er genoss ein hohes Ansehen. Handwerker, Bastler, Tüftler, ein Daniel Düsentrieb und McGyver. Nichts, was er nicht reparieren konnte. Und wenn die Handwerker im Laden versagten, fand er eine Lösung. Für Freunde natürlich kostenlos, und wer will mit solch einem McGyver nicht befreundet sein?

Es gab auch Angehörige, die man als "schwarze Schafe" bezeichnen könnte. Das führte dazu, dass ich in der Schule gefragt wurde "boah, da stand was in der Zeitung, da hat jemand XY angestellt und die Polizei kam, das war doch sicher (Name Verwandter)". Ich schämte mich in Grund und Boden. Denn man lachte mich dafür aus, stellte mich dafür in die Ecke. Und einmal kam ein Mädchen zu mir und sagte "meine Mama hat gesagt, ich darf nicht mit Dir spielen, denn der (Name Verwandter) ist krank und gefährlich. Aber das ist mir egal, ich such mir meine Freunde selber raus". Ich freute mich über ihre Freundschaft, aber ich hätte heulen können. Wenn (Name) krank ist, dann bin ich deswegen kein schlechter Mensch, oder? Das war eine harte Schule als Kind ... 

Während des Studiums in einer anderen Stadt genoss ich erstmals das Gefühl, nicht mehr Teil der Familie zu sein, sondern mir alleine Freund und Feind zu schaffen. Klar, dass nicht jeder mich mochte, das war auch nie mein Ziel. Aber es war MEINE Leistung, MEIN Verhalten, und das tat gut. 

Nach dem Studium zog ich aus und lebe seitdem in einer größeren Stadt. Der Kontakt zur Familie blieb erhalten. Telefonisch alle paar Wochen. Face to face nur alle paar Monate. In manchen Fällen sogar nur alle paar Jahre. Manche Kontakte haben sich komplett aufgelöst und sind mir egal. Andere sind zwar sporadisch, bedeuten mir aber sehr viel. Manche Kontakte habe ich auch bewusst gebrochen, weil ich sie für mich als als zeitraubend und energieraubend empfinde, in einigen wenigen Fällen sogar als schädlich. 

Seit meine Großeltern älter wurden, zerschlugen sich immer mehr der Kontakte, denn der zentrale Punkt fehlte. Und der jetzige Stand? Schwer zu sagen. Ich denke, "Die Familie" wie früher gibt es nicht mehr. Das stört mich aber nicht, denn ich habe es noch nie so empfunden. Schon damals gab es in diesem großen Kreis viele Menschen, zu denen ich keinen Kontakt wollte. Außerdem bin ich sehr introvertiert und habe auch darunter gelitten, dass ich zu Hause keine freie Minute hatte und es zuging wie im Bienenstock. Als ich älter wurde, bin ich morgens um 7 zum Schulbus und kam erst gegen nachts um elf nach Hause, hielt mich fast nie mehr zu Hause auf, wollte lieber alleine sein, ungestört meinen Hobbies nachgehen oder einzelne Freunde treffen statt zu Hause die Bude voll zu haben mit Leuten, die mich nicht interessierten. 

Status Quo zum heutigen Tag: keine Ahnung. Ich halte mich aus allem weitgehend heraus. Es wird mir zuviel getratscht. Es ist verlogen, wenn ich aus Höflichkeit telefoniere und sage "was los war bei uns? Ach, nichts weiter, immer das gleiche, Arbeiten, Schlafen, Spazieren, Bücher lesen". Aber ich möchte nichts erzählen, denn sonst weiß es am nächsten Tag jeder aus der "Familie", ob ich will oder nicht. Einige von ihnen dürfen auf Faceboook lesen, was ich für sie sichtbar eingestellt habe, pro forma, damit sie zufrieden sind, aber die wirklich wichtigen Dinge habe ich geblockt. Und seit sie bei Facebook lasen, wusste jeder alles über mich, weil sie das ausgebaut haben und anfingen Dinge zu erzählen, die ich so gar nicht gesagt hatte, nur um was zu erzählen zu haben. Na, kein Problem, dafür kann man ja blocken und in Gruppen posten statt für alle sichtbar ...

Ein paar sehr wenige Menschen gibt es allerdings, die mir noch immer sehr viel bedeuten. Das hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Viele, die mir eine Menge bedeuteten, verschwanden in der Versenkung und schienen keinen Kontakt mehr zu wollen, das muss ich akzeptieren. Und andere, die mir relativ egal waren, ließen nicht locker, kamen immer wieder auf mich zu, und inzwischen mag ich sie, denn es sind treue, ehrliche Seelchen, die mir inzwischen viel bedeuten. 

Doch, ich konnte mich auf meine Familie verlassen. Vertraut habe ich ihr nicht immer, aber zusammengehalten, falls einer Hilfe brauchte, das haben wir schon. Aber auch das ist im Laufe der Jahre gebröckelt, weil sich alles immer weiter in alle Himmelsrichtungen verstreute und der Kontakt immer seltener wurde. 

Inzwischen sind mir nur noch sehr wenige geblieben. Die bedeuten mir umso mehr :-)

2heartedman 01.01.2015, 17.28

Kommentare hinzufügen

Die Kommentare werden redaktionell verwaltet und erscheinen erst nach Freischalten durch den Bloginhaber.



Kein Kommentar zu diesem Beitrag vorhanden