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Mein Ausstieg aus der Kirche

Vor einigen Tagen auf Arbeit musste ich etwas im Web recherchieren. Dabei wurde ich plötzlich an meine Kindheit in der Kirche erinnert.

Sekte? Christentum? Da scheiden sich die Geister, und ich will gar nicht darauf eingehen, weil mir die Bezeichnung egal ist. Wichtig ist, was es bei mir ausgelöst hat. Andere aus meiner Gemeinde mögen glücklich gewesen sein und sind es heute noch, ich dagegen habe sehr gelitten unter dem, was ich erlebt habe. Als ich damals die Gemeinschaft verließ, war das sehr heftig für mich, ich fühlte mich schlecht, hatte große Angst und fühlte mich verlassen. Plötzlich hatte ich Freiheiten, die mir davor versagt waren, plötzlich durfte ich Kontakt aufnehmen mit "der Welt". Und immer wieder die Angst, von oben bestraft zu werden. Die Angst, diese Freiheit leben zu dürfen. Habe gelegentlich immer wieder einmal den Anschluss gesucht, doch jeder Gottesdienstbesuch war eine Qual, bis ich irgendwann komplett ausgestiegen bin. 

Es gab damals noch keine so intensive Vernetzung wie heute, und außer einem eher hetzerischen Fachbuch gab es keine Literatur zu diesem Thema. Das Fachbuch war von Aussteigern geschrieben, und ich empfand es eher als eine Abrechnung denn als hilfreiche Lektüre. Eine persönliche Abrechnung ist keine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema, und diese kritische, reflektierte Auseinandersetzung hätte ich damals gebraucht. Also musste ich das mit mir selbst ausmachen.

Inzwischen gibt es viele Erfahrungsberichte von anderen, außerdem im Internet viele Blogs und Webseiten. Qualifiziert, sachlich und informativ. Ein paar Bücher habe ich auch hier stehen, aber noch nicht gelesen. Irgendwie drücke ich mich vor diesem Thema, weil es eben an alten Wunden rührt, weil unschöne Erinnerungen hochkommen. 

Zufällig stieß ich, geleitet durch die Recherche für die Arbeit, auf eine sehr ausführliche Hausarbeit zu diesem Thema, außerdem ein paar sehr interessante Berichte im Internet. Beim Lesen dieser Arbeit kamen sehr viele Erinnerungen hoch. Wie sich die Kirche in meiner Familie auswirkte. Was diese straffe Erziehung für mich bedeutete. Wie ich dadurch auf gewisse Weise von anderen Menschen in meiner Umwelt isoliert und noch mehr zum Außenseiter wurde (und dafür auch noch dankbar sein sollte, weil es ja ein Zeichen meiner Erwählung war und der Herr Jesus ja auch ein Außenseiter war und Hohn und Spott ertragen musste). 

Dadurch angeregt erinnerte ich mich an eine Buchreihe, die ich als Kind besaß. Die mir damals auch gut gefiel, weil sie viele Glaubenserlebnisse schilderte und mir ein Leitfaden für den Alltag war. Als ich älter wurde und aus der Gemeinschaft austrat, las ich die Texte dagegen kritisch, und ich war im Nachhinein sehr erschrocken über viele der Inhalte. Leider besitze ich die Bücher nicht mehr. Und ich dachte mir, dass ich sie gerne einmal mit 20 Jahren Abstand lesen würde. Habe sie mir also im Internet ergattert und nun also ein paar Blicke hineingeworfen. Auch hier: puh, da kam sehr viel in mir hoch! Und ich finde es schlimm, auf welche Weise Kinder indoktriniert und instrumentalisiert werden. Die ständige Angst vor einer höheren Macht, das Überlegenheitsgefühl als Auserwählter, die Distanz zu den Nichterwählten, die straffe Hirarchie und die Unterlegenheit der Personen ganz unten, die teils heftigen Aussagen der Liedtexte, die Unfreiheit in der Gestaltung des Alltags und der persönlichen Kontakte und vieles mehr. 

Es ist schön, dass es heute Hilfen gibt für die Menschen, welche die Gemeinschaft verlassen und dann in dieses tiefe Loch fallen (wenn man diese Kirche verlässt, veliert man erst einmal alles. Das soziale Umfeld, das Weltbild, sich selbst). Therapie, Gespräche, Fachbücher, Internetseiten, Foren mit Gleichgesinnten. 

Ach ja ... viele Erinnerungen. Viele Gedanken. Andere Zeiten. Damals war damals. Heute ist heute. Damals war ich ein Mädchen, gefangen in einer Institution, die mich unterdrückte, mein Denken bestimmte, meine Ansichten als falsch deklarierte, angsterfüllt vor einem strafenden Gott. Heute bin ich ein Mann, aufgeschlossen für Andersdenkende, erfüllt von einer Spiritualität frei von Dogmen und Vorschriften, frei im Denken und Handeln. Das war ein langer Weg ... 

2heartedman 13.01.2018, 19.19

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Andreas

hallo Salamander
ware das die Bücher namens "Euch zur Freude?
Da gab es einen Band wo ein kleiner Junge drauf war mit Seifenblasen
Liebe Grüße
Andi

vom 31.08.2019, 15.13
Antwort von 2heartedman:

Entschuldige bitte, ich habe das Kommentar erst jetzt gesehen, scheinbar ging die Benachrichtigung verloren. 

Ja, das waren "Euch zur Freude", Du kennst sie also ;-)

Ich habe es bewusst nicht genannt im Beitrag. Denn es hat sich viel geändert seit damals, und selbst damals wurde in der Stadt schon vieles anders geregelt als auf dem Land. Es waren meine persönlichen Erfahrungen, die so negativ waren, deswegen möchte ich nicht diese Gemeinschaft als solche prinzipiell so darstellen, wie ich es damals empfunden habe ;-)