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Mastektomie - Ein Jahr später

Jetzt ist es ein Jahr und ein paar Tage her, dass ich meine Mastektomie hinter mir habe. Kleiner Rückblick und Fazit :-)

Gefeiert habe ich nicht. Da hätte ich irgendwann viel zu tun. Erstes Mal Testo. Erstes Mal Spritze nach ewig langer Unterdosierung. Namensänderung. Mastek. Inneres und äußeres Outing. Und so weiter. Trotzdem steht es für mich im Kalender, und ich freue mich. 


KRANKENHAUS

Ja, wie war das so. Die Zeit im Krankenhaus war klasse, die Ärzte Schwestern Pfleger Mitarbeiter (Essen, Putzen, Hausmeister usw) waren supernett, und die Jungs mit mir auf dem Zimmer waren richtig klasse. Ich fühlte mich eher wie im Schulandheim denn wie in einem Krankenhaus. Denke gerne daran zurück. Und ich wurde auch sehr gut versorgt, alle haben sich gekümmert, ich wurde ernst genommen, und die Fachkräfte waren kompetent. 


KRANKSCHREIBUNG

Zu Hause dann hieß es Schonung. Ruhe. Sechs Wochen die Weste tragen, keinen Sport, Bewegung eingeschränkt. Naja, Bewegung war schon drin, aber ich empfand mich als eingeschränkt, weil ich ein kleiner Junkie bin. Es war verdammt hart, die Füße still zu halten und nicht am nächsten Tag schon wieder Fahrrad zu fahren oder kilometerlange Spaziergänge zu unternehmen. Dazu die Hitze, das war wenig schön. 

Arbeitsfähig fühlte ich mich theoretisch sofort. Praktisch spürte ich deutlich, dass ich oft eingeschränkt bin. Etwa beim Einkaufen, im Haushalt, oder oder. Mein Job ist unberechenbar, ich weiß also vor dem jeweiligen Termin nicht, was von mir erwartet wird. Das kann alles sein von "wir sitzen da und schreiben einen Brief" hin zu "ich will jetzt die Bude umräumen, und Du schleppst die Schränke", daher war ich doch eine ordentliche Zeit krankgeschrieben. Außerdem stellte ich fest, dass falsche Bewegungen dann doch schnell Schmerzen verursachen, etwa in der ruckartig bremsenden Straßenbahn an der Stange festhalten und ähnliche Situationen. 

Nach all dem Stress der Transition mit Ärztehopping, Hormonchaos ... und nach den privaten Problemen (Todesfall Vater ua) ... war ich zugegeben auch dankbar für die erzwungene Pause. Es war die Art Krankschreibung, bei der man trotzdem die Zeit irgendwie genießen kann und nicht sterbend in der Ecke liegt. Ich habe also das Beste daraus gemacht und die Zeit genutzt, um ein wenig zu mir selbst zu finden.


DIE ERSTEN WOCHEN

Anfangs natürlich erst einmal abheilen lassen, bis der Schorf komplett weg ist. Danach dann leicht kreisend massieren, dreimal Täglich eine Narbensalbe (und drumherum Feuchtigkeitscreme, weil meine Haut schon sehr spannte). Keine Ahnung, ob das nötig war. Vielleicht sähe es ohne diese Prozedur genauso gut aus. Aber mir war es wichtig. Es hat mich auch mit meinem Körper verbunden. Mit dem Teil meines Körpers, den ich so lange ignoriert und gehasst habe. Es tat gut, mich zu spüren, diesen ehemals ungeliebten Teil von mir zu pflegen und ihn zu beachten. So, wie die Narbe äußerlich geheilt ist, habe ich auch angefangen, innerlich langsam meinen Frieden damit zu schließen. Und sehe die Narbe inzwischen als einen Teil von mir, auf den ich sogar stolz bin und der einfach dazugehört. 

Nach etwa fünf Wochen habe ich dann angefangen, im Fitness-Studio unter Anleitung zu mobilisieren. Also kein Sport, sondern einfach geführte Bewegungen, damit die Faszien nicht verkleben, damit der Körper langsam wieder an die Belastung herangeführt wird, damit ich lerne aus meiner Schonhaltung herauszukommen und mich wieder ordentlich zu bewegen. Denn erst nach der OP wurde mir bewusst, dass ich davor schon eine eher ungesunde Körperhaltung hatte. Aber wenn die Ömmel erst mal weg sind, dann kann man auch die Brust rausstrecken und ordentlich aufrecht gehen, das habe ich erstmal mit neuem Selbstbewusstsein gelernt. 


FÄRBUNG

Die Narbe war extrem rot. Allerdings habe ich eine sehr, sehr helle Haut. Bei mir wirkt jeder blaue Fleck, als wäre ich verprügelt worden, sieht jeder Mückenstich aus wie krankheitswertige Hautkrankheit (dank buschiger Behaarung fällt so etwas inzwischen nicht mehr auf. Aber wo habe ich KEINE Haare - dort, wo es etwas zu verdecken gäbe. Danke schön auch *grml* *lol*). Mir war also klar, dass es bei mir recht lange dauern würde, bis es heller wird. Nach etwa einem halben Jahr hatte ich dann aber tatsächlich das Gefühl, dass es langsam beginnt.

Dieser Prozess hält jetzt noch immer an. Noch immer ist die Narbe auffällig rosa (nicht mehr knallrot immerhin). Wenn ich irgendwo stehe in der Umkleide, im Schwimmbad usw, dann fällt es jedem auf, selbst wenn er mich nicht direkt anguckt. Aber damit komme ich klar. Bin noch nie darauf angesprochen worden, obwohl ich es teilweise schon deutlich zeige und die Narbe nicht verstecke. Ich hoffe dennoch, dass es bald weitergeht und noch heller wird. Wäre schon schön, wenn es eines Tages nicht mehr sofort ins Gesicht springt. Und wäre schön, wenn irgendwann Gras aka Haar über die Sache wächst ...


SCHMERZEN UND WEHWEHCHEN

Anfangs hatte ich leichte Hämatome, aber das ist normal nach einer OP, ist ja ein massiver Eingriff, bei dem gesundes Gewebe entfernt wird. Das sah fies aus, ist aber gut geheilt. Tatsächlich war das gesamte Areal der OP von Beginn an auch bereits gut empfindlich, ich habe also etwas gespürt. Allerdings war das nicht immer kontrollierbar. Manchmal habe ich es "normal" gespürt (Druck, Berührung, Kälte, Wärme usw), manchmal haben die Synapsen völlig falsche Signale gesendet. Da kam es dann vor, dass ich links berührt habe und rechts feuerte der Körper die Signale. So als müssten die Nerven erst einmal wieder neu zurechtgerückt werden. Ich fand das nicht besorgniserregend sondern relativ normal (man bedenke die Art des Eingriffs), und das hat sich dann auch recht bald wieder gegeben. 

Es hat einige Male gekribbelt, und es hat oft gejuckt. Aber auch das ist ein normaler Heilungsprozess, der mich nicht beunruhigte sondern sogar freute. Hey, da ist was, da geht es vorwärts, da passiert was! Kribbeln heißt, dass die Nervenenden aktiv sind und langsam wieder lebendig werden. Suuuuuuper!

Die Mamillen allerdings haben deutlich länger gebraucht. Die waren anfangs komplett taub. Was nachvollziehbar ist, wenn man die OP-Methode überdenkt. Muss ich realistisch sein, das kann nicht von Beginn an wieder normal reagieren. Durch den Druckverband und die Weste war alles sehr stark eingedrückt. Sah okay aus, aber mehr auch nicht. Es dauerte mehrere Wochen, bis es sich dann schrittweise erholte, bis wieder Form in die platten Flecken kam. Inzwischen sieht es völlig normal aus, da fällt keinem was auf (Zitat eines Freundes: "krass! Man sieht echt garnix! Ich hab Frauen nach ner Brustvergrößerung gesehen, die hatten kein so tolles Ergebnis, aber bei Dir müsst ich ja echt die Lupe holen") ... 

Aber, wie gesagt: es war sehr lange taub. Monatelang spürte ich gar nichts, nicht einmal starken Druck oder Schmerz. Und dann nach vielen Monaten begann es rechts irgendwann zu schmerzen. Ziemlich heftig an manchen Tagen. Trotzdem freute ich mich. Schmerz ist eine Reaktion auf einen Reiz, das bedeutet, das Gefühl kommt zurück! Und vor ein paar Wochen dann spürte ich nicht mehr nur Schmerz, sondern auch leichte Berührungen, es wurde zusehends besser. 

Es ist nicht perfekt, es ist noch immer weniger empfindlich als der Rest der Haut drumrum und insgesamt. Aber das stört mich wenig, diese Körperregion war mir noch nie wirklich wichtig, und Optik ist für mich das einzige, was zählt. Ich spüre etwas, das ist sogar sehr angenehm, und es sieht klasse aus. Das ist weit mehr, als ich je zu hoffen wagte!


UND JETZT

Und jetzt geht es weiter. Es sieht klasse aus, es tut nicht weh, es fühlt sich gut an. Aber um realistisch zu bleiben: man sieht große Narben. Und weil ich ständig in Bewegung bin und nicht stillhalten kann, sind sie an einer Stelle auch recht breit geworden. Und weil ich diese Körperregion mein Leben lang vernachlässigt habe und den Sport in den letzten Monaten schleifen ließ, bin ich ein ziemliches Handtuch. Ich werde also ordentlich trainieren müssen, bis sich da ein bisschen runde gesunde Form entwickelt. Und ich muss auf die Zeit hoffen, welche die Narben aufhellt. Aber das ist egal, denn ich bin einfach nur glücklich :-)

Schwimmen, Fitness, verschiedene reine Männergruppen. Umkleidekabine, oben ohne, knallenge Oberteile. Es tut gut, mich endlich ohne Scham zu zeigen! Ich bin eitel geworden, stehe gerne vor dem Spiegel, bewundere die Form. Achte auf meine Figur, treibe gezielt Sport für den Oberkörper, trage figurbetonte Kleidung. Warum? WEIL ICH ES KANN! Und ich bin stolz drauf :-)


WICHTIG ZU ERWÄHNEN: MEIN TEMPO

Ich bin sehr dankbar, dass ich so gutes "Heilfleisch" habe, dass mein Körper so gut regeneriert. Oft höre ich von anderen Jungs, bei denen es deutlich länger dauert, zB über zwei, drei Jahre oder noch länger. Das schreibe ich hier, weil es sicher auch Betroffene lesen, die dann denken "hm, bei mir ist schon über ein Jahr rum, aber da tut sich noch nix, bei ihm ging es so schnell, jetzt mach ich mir Sorgen". Jau, auch das ist normal und okay, wenn es länger dauert, jeder Körper braucht seine eigene Zeit. 

Ich brauchte dafür lange mit der Behaarung, und meine Stimme ließ sich ewig Zeit, ohne Logopädie hinge nich noch immer irgendwo in der Frauenstimme herum. Passing erst nach zweieinhalb Jahren, wo es bei anderen manchmal nur Wochen dauert. Aber dafür heilt mein Körper sehr gut. Es geht eben jeder ein eigenes Tempo ;-)

2heartedman 20.06.2018, 20.37

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