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Ausgewählter Beitrag

Leb wohl und mach´s gut da draußen

Mein Vater ist am Dienstag verstorben.

Lange überlegt, ob ich das offen tippe oder nicht. Den privaten Anteil also wieder mit Passwort, das andere hier. Denn ich finde, der Tod ist ein tabuisiertes Thema, und wenn ich hier im Blog mit vielen Tabus breche, warum nicht auch mit diesem. Wer es nicht lesen möchte, weil ihn das Thema belastet, darf natürlich wegklicken ;-)

Bevor ich mit dem neuen Job und anderen Aufgaben keine Zeit hatte, wollte ich auf jeden Fall noch einmal zu ihm fahren. Machte mich gegen halb neun auf den Weg und kam kurz nach 12 dort an. 

Im Hospiz fragte man, ob ich es schon wisse und wünschte mir herzliches Beileid. Ich wusste es nicht, und natürlich war es erst einmal ein kleiner Schock, auch wenn man wusste, dass es bald soweit sein würde. 

Ich bin froh, dass ich es erst dort und auf diese Weise erfahren hatte. Weiß nicht, ob ich den Mut / Nerv gehabt hätte, sonst hinzufahren. Aber, wenn ich schon mal da war ... 

Also habe ich die Möglichkeit genutzt und mich alleine zu ihm ins Zimmer gesetzt. Und war erstaunt, dass das Klischee stimmt. Er sah aus, als würde er jeden Moment aufwachen, lachen und aufstehen. Sehr, sehr friedlich. 

Alles war ganz schlicht. Sein Zimmer bereits aufgeräumt, eine Kerze (die er beim Einzug ins Hospiz bekommen hatte) brannte, daneben eine Sonnenblume in der Vase, ganz schlicht und sehr hübsch. Sonst war nichts mehr im Zimmer. Und vor der Tür brannte eine weitere Kerze in einem schlichten, kleinen Gesteck. Es sah sehr feierlich aus. 

Die Mitarbeiter waren sehr respektvoll, ließen mir soviel Zeit, wie ich gerne wollte. Kurz kam jemand rein und sah nach mir (verstehe ich, die wissen ja nicht, wie man reagiert und ob man ggf Hilfe braucht), dann wieder alleine. Danach durfte ich mich noch ein wenig in einen stillen Raum setzen, man brachte mir einen Kaffee, und mit dieser Mitarbeiterin kam ich dann ins Gespräch. Es tat gut, ein wenig zu plaudern, und der Rahmen war den Umständen entsprechend sehr angenehm. 

Ja, es tat weh. Und das jetzt zu schreiben treibt mir die Tränen ins Auge. Aber, trotz alledem, ich bin sehr dankbar und freue mich. 

Es ging alles sehr schnell, von der ungefähren Vermutung  über die Untersuchungen zur konkreten Diagnose vergingen etwa zwei Wochen, dann war er eine Woche im Krankenhaus und zwei Wochen im Hospiz. Konnte er noch im Krankenhaus aufstehen und mit Hilfe gehen, so war ihm dies kräftemäßig im Hospiz nicht mehr möglich. Körperlich baute er ganz extrem schnell ab.

Seine für ihn wichtige Aufgabe im Leben hatte er abgeschlossen und konnte Frieden schließen mit dem Gedanken zu gehen. In dieser Zeit bekam er auch von allen Besuch, konnte sie noch einmal sehen. Wichtig war es ihm immer, kontrolliert aufzutreten, sich nicht gehenzulassen. Und ich freue mich für ihn, dass er bis zum letzten Tag auch die Kontrolle behalten und seine Würde wahren konnte. Ich war ja oft bei ihm, und immer war er trotz der Bettlägerigkeit gepflegt, rasiert, sauber, ordentlich, und man konnte sich mit ihm unterhalten (die Kraft ließ halt nach, er war viel müde, aber vor allem eben klar). Er hatte keine Schmerzen, kam ohne Medikamente aus. Ist tatsächlich friedlich eingeschlafen, so wie man es einem geliebten Menschen wünscht. 

Die Mitarbeiter im Hospiz waren sehr freundlich, alles war sauber und gepflegt, von Hektik oder Massenabfertigung oder Kassenpatient keine Spur, man ging auf alle Sonderwünsche ein (da er keine hatte, waren die Mitarbeiter sehr bemüht, die unausgesprochenen Wünsche zu erfahren und haben auch bei uns immer wieder nachgefragt, was man ihm Gutes tun könne von Lieblingsdüfte über Lieblingsessen über Gesprächsthemen, Hobbies usw). Auch für die Angehörigen nahmen sie sich viel Zeit, beantworteten Fragen, hatten ein offenes Ohr. 

Obwohl es ein Ort für Sterbende war, hatte man dort nicht das Gefühl von Trauer oder Tod um sich. Meine Befürchtung war ja, dass das ein Ort der Dunkelheit und Tristess sein könnte. Aber überall warme Farben, sehr viel Licht, die Mitarbeiter stets mit einem Lächeln, sie machten Scherze mit den Patienten, gingen offen auf die Angehörigen zu, das war sehr angenehm und erleichterte die Situation sehr. 

Wie gesagt: ich bin froh, dass ich zufällig genau an diesem Tag zu ihm gefahren bin. Es war ein seltsames Gefühl, aber es war ein sehr schöner, respektvoller und stiller Abschied. Die Zeit, die ich mit seinem alleine war, macht es für mich ein wenig realer. Und dass ich ihn so friedlich gesehen habe, gibt mir ein gutes Gefühl. Nimmt mir die Angst, dass er womöglich leiden musste oder Angst hatte. 

Ich werde noch viele seltsame Momente erleben, bis ich wirklich begreife, was geschehen ist. Werde zum Telefon greifen, ihn wie jede Woche anrufen wollen und dann kurz innehalten, realisieren, dass das nicht mehr geht. Werde im Laden ein Produkt sehen und denken, dass er das sicher auch mag, äh mochte. Werde auf der Straße eine Person sehen, die ihm ähnelt und mich dann erinnern, dass er das nicht sein kann. 

Die große Welt dreht sich weiter, auch wenn meine kleine Welt für einen Moment stehengeblieben ist.

2heartedman 03.09.2016, 12.50

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Hiltrud

Sasha, das tut mir sehr leid, ganz herzliches Beileid. Gut, dass er so friedlich gehen konnte, schön, dass Du so ruhig und in Ruhe Abschied nehmen konntest. Ja es tut weh, aber dieser Schmerz bedeutet ja auch dass da etwas Wichtiges, hoffentlich Gutes war und ist.
Viel Kraft/Geduld und Muße zum Trauern und alles Gute!

vom 03.09.2016, 20.01
Antwort von 2heartedman:

Danke für Deine lieben Worte. 

Ja, da war viel Gutes, und das ist es auch, was ich in Erinnerung behalten werde ...