two hearted man
Interne Seiten
RSS 2.0 RDF 1.0 Atom 0.3
2024
<<< April >>>
Mo Di Mi Do Fr Sa So
01020304050607
08091011121314
15161718192021
22232425262728
2930     
Statistik
Einträge ges.: 1238
ø pro Tag: 0,4
Kommentare: 263
ø pro Eintrag: 0,2
Online seit dem: 05.12.2014
in Tagen: 3427

Ausgewählter Beitrag

Kirchenaustritt

Das war schon lange überfällig! Ich bin ja nicht gegen die Kirche an sich. Und Steuern muss ich auch nicht zahlen in meiner Kirche (die Mitglieder zahlen jeden Sonntag auch ohne Zwang brav ihren Zehnten). Trotzdem ist die "Mitgliedschaft" in dieser Kirche ein Ballast, den ich gerne hinter mir lassen möchte. 


Zuviel ist damals passiert. Zusehr fühlte ich mich unterdrückt, bevormundet, nicht ernst- und wahrgenommen. Zusehr musste ich mein Denken, Handeln und Fühlen dem unterordnen, was mir von außen vorgeschrieben wurde. 

Durfte nicht das Instrument spielen, das ich wollte, sondern musste lernen, was die Kirche vorgab. 

Durfte nicht die Kleidung tragen, in der ich mich wohlfühlte, sondern wurde genötigt (sic) Röcke zu tragen. 

Durfte mir anhören, dass ich als Frau hinter dem Mann zu stehen habe und ich nur an der Seite eines Mannes gemeinsam groß sein kann. 

Durfte sehen, welche tollen Aufgaben Männer alle übernehmen durften, die mir als Frau verwehrt blieben. Während Frauen nur Kinderbetreuung, Putzen, Deko und Backen sollten. Naja, und die Hemden des Mannes bügeln, damit er treu seinen Dienst für den Herrn tun kann.

Durfte keine Fragen stellen, sondern mir wurde der Mund verboten, galt ich als aufmüpfig und ungehorsam. 

Hätte ich nicht auf Klassenfahrt gedurft, weil dort keine Kirche war für den Mittwochs - Gottesdienst (ich fuhr trotzdem, schlechtes Gewissen und massive Ängste inclusive). 

Wurde ich ausgegrenzt, weil meine Eltern geschieden und ich nicht im Sinne der Kirche mit dem Heiligen Geist getauft war. 

Saß alleine in der Bank, während alle zum Abendmahl gingen und ich mich so hilflos, alleine fühlte, von allen angestarrt als der Außenseiter, dem keine Vergebung zuteil werden darf aufgrund der Schuld seiner Eltern.

Durfte ich nicht mit anderen Jugendlichen ins Kino oder auf Veranstaltungen.

Durfte ich mich nicht über Erfolge freuen, weil diese lediglich Gott zu verdanken waren und ich als Menschlein keinen Anteil hatte. 

Musste erfahren, dass Misserfolge ganz alleine meine Schuld waren, weil ich versagt hatte, weil Gott mich strafen wollte, weil ich zu wenig gebetet hatte, weil ich etwas falsch gemacht hatte.

Durfte ich nicht traurig geschweige denn depressiv sein, weil dies ein Zeichen meiner Abkehr von Gott gewesen wäre (denn wer in Gott ist und Gott in ihm, der ist glücklich und zufrieden und dankbar und hat keinen Grund zur Klage). 

Musste mir als Kind anhören, dass die Krankheit meines Vaters eine Strafe Gottes sei. 

Durfte keinen der drei Gottesdienste ausfallen lassen, und wenn dann nur unter Gewissensbissen, Schuldgefühlen und massiven Ängsten. 

Musste bei der Wahl meines Partners mir reinreden lassen, da dieser nicht aus der Gemeinde war. 

Durfte nicht die Musik hören, die mir gefiel, da sie nicht gottgefällig war. 

Musste strikt gehorchen ohne die Regeln zu hinterfragen (was zu absurden Situationen führte). 

Durfte nicht bei bestimmten Vereinen (vor allem Musikgruppen) tätig sein, weil diese entweder nicht gottgefällig waren oder aber die Zeiten sich manchmal mit dem Gottesdienst, dem Chor, dem Orchester, der Jugendgruppe, einer sonstigen kirchlichen Veranstaltung überschnitten hätten.

NEIN! Ich glaube nicht, dass das wirklich in Gottes Sinne war, mich als Mensch sosehr kleinzumachen, dass man meinen Selbstwert mit der Lupe suchen konnte. 

Will nicht mal diese Glaubensrichtung dafür verantwortlich machen. Wäre woanders  vermutlich ähnlich gewesen, habe es ja bei katholischen Freunden mitbekommen. Und die freikirchlichen Evangelischen waren bei uns in der Region auch nicht ohne. Auch nicht sind einzelne Personen an irgend etwas schuld. Ich hege keinen Groll (mehr). Es war damals halt so. Auf dem Land. Mit diesen Leuten. In dieser Gruppe. Die glaubten alle, das Richtige zu tun. Ich habe einfach nicht dazu gepasst. War noch nie ein folgsames Schaf in der Herde, war schon immer der Einzelgänger, der kritische Fragen stellt. 

Mit dem neuen Namen, dem neuen Personenstand, dem neuen Leben will ich die Vergangenheit endlich hinter mir lassen. Somit auch die Kirche. 

Beruflich vermutlich ein halber Suizid. In keiner eingetragenen Kirche zu sein bedeutet, einen großen Teil der ausgeschriebenen Jobs nicht wahrnehmen zu können. Aber, mal ehrlich - denen ist egal, ob ich gläubig bin, solange ich in einer Kirche eingetragen bin. Wie heuchlerisch ist DAS denn bitte? Wenn sie mich mit Kircheneintrag einstellen und ohne Eintrag aussondern würden, obwohl meine Gesinnung in beiden Fällen gleich ist - dann pfeife ich auf ´ne Anstellung! Zumal ich mir als schwuler Transmann eine Bewerbung bei Caritas und Co eh schenken kann, ich verkneife mir jegliche Äußerung einer persönlichen Meinung hierzu *hüstel*. 

Lief ganz problemlos auf dem Amt: Standesamt (ohne Wartezeit sofort drangekommen). Anliegen schildern, sie füllt ein Formular aus, ich unterschreibe, gehe zur Kasse, zahle 31 Euro (autsch), komme zurück, kriege meine Bestätigung, fertig.

Mein neuer Ausweis ist noch nicht da. Also habe ich den alten genommen, mit altem Namen. War reine Berechnung, deswegen habe ich das jetzt noch flott erledigt. Ich hatte nämlich die Vermutung, dass die Kirche bei einem Austritt informiert wird. Immer bei Umzug oder sonstigen Änderungen hatte ich sie wenige Tage später vor der Tür stehen. Ich habe schon Wetten abgeschlossen, wer früher vor der Tür steht, die GEZ oder die Kirche. Und tatsächlich, die Mitarbeiterin am Standesamt fragte mich, in welcher Gemeinde ich sei, da die Amtsträger informiert würden über den Austritt. Okay, ich hatte also Recht mit meiner Vermutung. 

Hätte ich mich mit neuem Namen abgemeldet, wüssten sie von meiner Transition. Schließlich meldet sich jemand ab, der nie gemeldet war in der Kirche, bei dem aber Nachname, Geburtsdatum und Wohnort exakt identisch sind mit einer anderen Person, die bis dato gemeldet war. 

Eigentlich kann mir das egal sein. Es geht mir auch nicht darum, ob man über mich redet. Aber ich will nicht, dass die das wissen. Schon damals fühlte ich mich ausgestoßen und diskriminiert. Auch, wenn es inzwischen eine Regenbogen-Community dort gibt, ich bin durch mit dem Thema. Habe keine Lust auf Diskussion. Darauf, dass sie mich womöglich extra in den Regenbogen-Gottesdienst einladen oder mir die spezielle Internetseite empfehlen oder mir klarmachen, dass Jesus ALLE Menschen liebt. Oder sie gar wissen wollen, warum ich ausgetreten bin. Oder einfach aus missionarischen Gründen bei mir klopfen, um das verirrte Schaf zurückzuholen. 

Nö, danke. Ich "habe fertig". Nicht nur innerlich, sondern endlich auch offiziell.

2heartedman 22.08.2016, 17.44

Kommentare hinzufügen

Die Kommentare werden redaktionell verwaltet und erscheinen erst nach Freischalten durch den Bloginhaber.



Kein Kommentar zu diesem Beitrag vorhanden