two hearted man
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Inneres Erleben in der Gay-Sauna

Was nach außen hin in der Sauna passiert ist, hab ich ja bereits geschildert. Ich möchte aber auch erzählen, wie es mir persönlich (als Transmann und generell) damit ging.


Die Frage "werden die anderen mich annehmen" und "wie reagieren schwule Männer auf einen Transmann ohne Aufbau" oder "wird man mich sofort als trans erkennen" beschäftigt ja doch viele von uns. Ich kann nur erzählen, wie es mir ging. Und wie es in dieser speziellen Location war. Und zwar exakt an diesem Abend. Aber für mich war es eine große Bereicherung und sehr aufbauend. Vielleicht macht das ja auch ein paar anderen Jungs Mut, das mal auszuprobieren?

Ich gebe zu, dass ich schon ziemlich Bammel hatte. In der schwulen Szene trete ich erst so richtig auf, seit ich fast durchgehend Passing habe (bzw war ich früher gelegentlich unterwegs, wurde aber nie wahrgenommen). Es könnte also durchaus zu einem Outing kommen, falls mich ein Bekannter sieht. Das ist okay, denn in der queeren Szene (nicht nur Schwule, sondern das gesamte LGBTIQ* - Spektrum) bin ich bekannt und out, und es gibt immer wieder einmal Überschneidungen beider Communities vor Ort. Ich gebe als Transmann Workshops, nehme an Vorträgen teil, Angst vor Outing habe ich nicht. Trotzdem genieße ich es durchaus, wenn ich in der Gayszene als Mann passe und möchte mich dort ungern outen. Ja, das ist ein Widerspruch. Aber so sind wir Menschen eben ;-)

Ebenfalls Bammel: Ich zeige mich ungern nackt. Früher als "Frau" war das okay, da sah ich normal aus und fiel nicht auf. Jetzt als Mann sieht man eben doch, dass etwas anders ist. Und gerade in der Sauna, wo die Männer teils sehr schwanzfixiert sind, ist das doppelt unangenehm. Es macht mir sehr deutlich bewusst, was da fehlt. Und ja, das tut weh, da will ich gar nicht drumherumreden. 

Selbstbewusstsein ist etwas, das man lernen kann. Und es kommt mit der positiven Erfahrung, die man sammelt. Ich will positive Erlebnisse sammeln. Und auch aus negativen Erfahrungen kann ich lernen: vor eineinhalb JAhren war ich in der gemischten Sauna, das ist gründlich in die Hose gegangen. Ich fühlte mich wie auf dem Präsentierteller, und ich konnte nicht entspannen, es war ein schrecklicher Tag. Danach wusste ich sehr genau, dass ich noch nicht so weit bin und erst einmal ein paar Baustellen in mir drin klären muss, bevor ich den nächsten Schritt gehe. Hier gebloggt hatte ich das nicht, weil es etwas sehr Privates war, das ich nicht öffentlich teilen wollte. Musste es erst für mich selbst sortieren.

Nun direkt in eine Gay-Sauna zu gehen, wo das Körperliche (und ja, ganz besonders die Genitalien) so direkt im Vordergrund steht, war für mich ein riesiger Schritt. Ich bin ehrlich: ein bisschen hatte ich ja doch gehofft, dass etwas dazwischen käme. Oder der Kumpel sich anders entscheidet. Oder ein Erdbeben die Sauna verschluckt. Aber mein Motto lautet "Augen auf und durch", also habe ich das dann durchgezogen. 

Außer im Dampfbad und in der Dusche ließ ich überall mein Handtuch umgebunden. Durch die Hitze ist der Körper gut durchblutet, sodass die Narbe schön rot leuchtet. Aber inzwischen ist sie trotzdem etwas verblasst, und das schummrige Licht überall tat sein Übriges, dass sie scheinbar nicht sofort ins Gesicht sprang. 

Im Dampfbad ist es so dunstig, da sieht man nichts. Da sieht man auch den Schritt nicht (außer jemand präsentiert sich demonstrativ). Ich setzte mich breitbeinig auf die Steinbank, Hände lässig zwischen den Beinen hängend. Hatten andere Männer auch. Gut, die spielten dann ein bisschen Billard, ich dagegen schützte meinen Schritt vor Blicken, aber nach außen wirkte es wohl genauso. Praktisch ;-)

Als es im Dampfbad dann körperlich wurde, war ich erst einmal etwas befangen. Lag weniger am Berühren und dem Sexwunsch des Gegenüber, vielmehr daran, dass ich die ungeschriebenen Regeln in der Sauna nicht kenne. Wie weit darf ich jemanden gehen lassen, wenn es mir gefällt aber ich nicht weiter gehen will? Wie signalisiere ich ein Nein oder Stop? Gibt es auch Leute, die ungefragt übergriffig werden? Dass mir wirklich "etwas passiert", davor hatte ich keine Angst. Wir waren zu zweit, und ich kannte ja auch den aufsichthabenden Mann. Außerdem sind schwule Männer keine Tiere, sondern auch sie haben Respekt und Anstand, dämliche Klischees und Vorurteile hin oder her! Idioten gibt es überall, aber die können mir im Bus genauso begegnen wie hier in der Sauna. 

Ich pfiff auf mögliche ungeschriebene Regeln. Respekt, höflicher Umgang, Kommunikation. Damit kommt man überall gut an, egal wo. Und das hat auch funktioniert. Ich gab teils verbal, teils nonverbal freundlich aber bestimmt meine Nicht-Absicht zu erkennen. Das wurde stets höflich angenommen, meine Grenzen wurden gewahrt. Ein paar Beispiele:

Mein Kumpel und ich hatten uns zu Beginn, weil alles frei war, an zwei verschiedene Seiten der Wand gesetzt, also mit viel Abstand zwischen uns. Einige Male setzte oder stellte sich jemand neben ihn oder mich. Einer war sehr direkt, griff mir sofort zwischen die Beine, ich schob die Hand freundlich aber bestimmt weg. Er probierte es noch einmal, beim zweiten Mal hatte er es dann verstanden. Die Sauna war sehr voll, ich hatte dann doch Angst, dass er ins Nichts greift, irritiert ist und irgendeinen blöden Spruch raushaut vor den anderen. Das wollte ich mir lieber ersparen. 

Ein anderer kam mir vorsichtig und sanft nah. Seine Berührungen waren sehr angenehm, und er war auch nicht aufdringlich, berührte nur Arme, Schulter, Oberkörper, ohne zudringlich zu werden. Ich gebe zu, das konnte ich gut genießen, es fühlte sich sehr schön an. Aber auch ohne viel Sauna-Erfahrung war mir klar, dass das Ziel dann doch vermutlich Sex gewesen wäre. Also flüsterte ich ihm zu, dass ich das sehr schön finde, dass ich ihm dafür danke, aber dass ich nicht an mehr interessiert bin. Er nickte freundlich, und statt sofort abzulassen, hat er noch kurz weitergestreichelt. Das empfand ich als sehr respektvoll und freundlich, dadurch fühlte ich mich nicht auf irgend etwas reduziert sondern angenommen trotz meiner Zurückhaltung. 

Meine Ablehnung sexueller Kontakte führte auch nicht dazu, dass die Leute mich einfach ignorierten, sondern man kam trotzdem ins Gespräch, und es war insgesamt ein sehr unterhaltsamer, gesprächiger Abend. Ich freute mich, dass ich also auch ohne Reduktion auf Sex und Genitalien als Mann angenommen und einbezogen wurde. Und in den Gesprächen (ungeoutet, zumindest fragte keiner oder ging darauf ein) gaben die Männer zu verstehen, dass es für sie vielfältige Spielarten gab, und bei sehr vielen hätte ich locker auch ohne Operation einen aktiven Part einnehmen können. Theoretisch wusste ich das schon lange. Aber es tat unglaublich gut, das so auch zu erleben und vermittelt zu bekommen. 

Später in der Dusche musste ich das Handtuch abnehmen. Mitten im Getümmel wollten wir beide das nicht. Also warteten wir, bis es etwas ruhiger war. Kurz das Handtuch beiseite legen, ab unter die Dusche, hin zur Wand drehen, und dann flott zurück. Ich hoffe, dass ich eines Tages soweit bin, dass mir das völlig egal ist und ich da völlig ungeniert stehe, ohne meine Bewegungen möglichst bedeckt zu koordinieren. Aber mich selbt anzunehmen ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen geht. Ich übe mich in Nachsicht mit mir selbst, versuche mir keinen Druck zu machen und gebe mir die Zeit, die ich dafür brauche. 

Vielleicht hat es jemand gesehen. Aber darauf angesprochen hat mich niemand, gestarrt hat auch keiner. Soweit ich von verschiedenen Seiten gehört habe, gibt es in der Region ein paar nicht operierte Transmänner, die offen saunieren (gay wie auch gemischt). Gut möglich, dass ich gar nicht so exotisch bin, wie ich mich fühlte. Falls dem so ist: vielen Dank allen, die so offen und natürlich mit ihrem Körper umgehen, die ihn so entspannt zeigen und damit klarstellen, dass wir ganz normal dazugehören. 

Was ich sehr genossen habe, war das Zusehen. Es steckt ein nicht gerade kleiner Voyeur in mir. Aber das beziehe ich nicht auf das Sexuelle, sondern ... hm, wie kann ich das erklären. Ich habe es sehr genossen. Es hat mich nicht erregt, es hat mir einfach gefallen. Das war kein billiges Hochglanzporno, das war Realität. Und besonders zwei ältere Herren gefielen mir sehr gut: Sie lachten, wenn etwas schiefging, und man hörte ihrer Stimme die Freude und Erregung an, nicht dieses gekünstelte Rumgestöhne aus den Filmen. 

"Da waren zwei Typen, und die hatten öffentlich Sex vor Zuschauern" - das klingt pervers. Aber so fühlte es sich nicht an, sondern einfach locker, entspannt, positiv. Ich fand es wunderschön, wie diese beiden Männer den Akt genossen, wie sie sich gehenließen, wie sie so völlig unbefangen und direkt miteinander agierten. Das waren zwei Menschen, die ganz im Moment sich selbst und ihren Partner erlebten und Freude daran hatten, diesen Moment mit anderen zu teilen. Die sahen nicht perfekt aus, und es lief nicht alles reibungslos. Das war inspirierend, das tat gut. Es zeigte, worauf es wirklich ankommt, nämlich nicht auf Perfektion, Aussehen oder sonstiges Getue. Sondern darum, sich fallenzulassen und Freude daran zu haben. 

Auch fand ich es angenehm, wie direkt und unkompliziert das ablief. Klar, das ist nicht für jeden Ort geeignet, Sauna ist ein Safe Space und speziell hierfür gedacht. Trotzdem: ich finde es schade, dass Sex überall plakativ beworben wird (Werbung, Filme, Songtexte), die Gesellschaft an sich aber doch recht verkrampft und prüde ist in vielen Punkten. Immer dieses ganze Chi-Chi drumrum, statt einfach direkt zu sagen, was man will oder nicht. Ich finde, schwule Männer haben es in dieser Hinsicht einfach leichter, und ich mag diese unkomplizierte, direkte Art. 

So, Themensprung. Schwierig mit den Überleitungen, weil ich hier ja keine Handlung erzähle oder ein Thema bearbeite, sondern verschiedene Gedanken wiedergebe. Also, weiter im Text:

Man sieht, wohin der Gegenüber im Gespräch blickt. Selbst, wenn jemand nicht gafft, gibt es doch diesen einen Moment, wo der Blick wandert und dann an der Narbe hängenbleibt. Das kenne ich aus Zeiten der Uneindeutigkeit (mit Abscannen nach Bart, Brüsten etc). Das sah ich auch damals im Schwimmbad das erlebte ich sehr massiv damals in der gemischten Sauna kurz nach der OP. Das ist kein Gaffen, das ist auch nicht unhöflich, das ist erstmal menschlich. Und das hat auch erst einmal nichts mit Outing zu tun, denn eine Narbe ist erst einmal nur eine Narbe und nicht sofort ein Umhängeschild "Transmann". Sie fällt auf, und der Blick wandert. 

Was ich spannend fand: hier hat niemand seinen Blick zur Narbe wandern lassen. Ist sie tatsächlich inzwischen sosehr verblasst, dass sie nicht mehr auffällt? Ist das Thema trans dort so allgegenwärtig, dass das niemanden interessiert? Oder ist das schummrige Licht perfekt zum Tarnen? Nur der Typ am Eingang, den ich kannte, ließ den Blick mal ganz kurz wandern. Aber er starrte nicht, fragte nicht, nahm einfach zur Kenntnis. Vielleicht wird er mich nächstes Mal darauf ansprechen, wenn wir uns wiedersehen (wenn er sich Worte zurechtgelegt hat. Oder wenn der Kumpel nicht dabei ist, der ja die gleichen Narben hatte und vor dem er unsicher war wie er reagieren würde). 

Nagut, noch eine zweite Ausnahme: wir waren im Gespräch mit einem anderen jungen Mann. Sehr freundlich, wirkte gutmütig und offen. Wir unterhielten uns einige Zeit. Und irgendwann fiel es ihm dann auf, und er fuhr mit dem Finger darüber. Meinte, das sei ja eine ziemlich große Narbe. Unfall? Krank? Ich zögerte. Habe ja einige blöden Sprüche parat, falls mich jemals einer schräg von der Seite anquatscht. Aber das hätte ich ihm gegenüber unfair gefunden, denn er wirkte mitfühlend besorgt. Ich hatte keine Lust, es so offensichtlich auszusprechen. Aber anlügen wollte ich ihn auch nicht. Zögerte etwas, überlegte hin und her. Dann sagte ich "vorgeburtlicher Chromsomenschaden".

Ist nicht gelogen, sondern so empfinde ich tatsächlich: ich sehe mich als Mann, der einen Chromosomenschaden hat, dessentwegen er seinen Körper eben nicht korrekt entwickeln konnte (nur mein Hirn tickt so, wie es soll, aber das sieht leider keiner). Der Mann guckte etwas irritiert, nickte dann (ob er wirklich verstand, weiß ich nicht). Aber er fragte nicht weiter, und wir unterhielten uns dann noch etwas in eine andere Richtung. 

Insgesamt tat mir dieser Saunabesuch sehr, sehr gut. Klar muss Bestätigung und Selbstbewusstsein von innen kommen. Aber deswegen ist es trotzdem Balsam, wenn es von außen zugeführt wird. Ich wurde sehr oft angesprochen, berührt, angemacht. Den Männern schien gefallen zu haben, was sie sahen. Und uns beiden wurden einige Male gesagt, dass wir auch locker in die andere Sauna könnten (die mit den jungen Kerlen und gutaussehenden Posern). Ich wollte nicht. Aber hätte ich gewollt - hätte ich an diesem Abend ziemlich oft die Möglichkeit gehabt, mich auch ohne Aufbau prächtig zu amüsieren und mit verschiedenen Männern zu vergnügen, die deutliches Interesse an mir hatten. (Und während ich das tippe, habe ich ein mega breites Grinsen im Gesicht und strahle wie ein Atomreaktor)

Und ja, Persönlichkeit ist wichtiger als Äußerlichkeiten. Es ist trotzdem schön, wenn ich auch positive Bemerkungen für meinen Körper bekomme. Ich sehe das nicht als Reduktion oder Objektifizierung, sondern es ist einfach ein tolles Kompliment. Ich pflege meinen Körper, achte auf Sport und Ernährung, und seit der Transition werden Körper und Seele immer mehr eins. Es ist ein tolles Gefühl, die Bestätigung für diese Einheit zu bekommen. 

Die Bestätigung und den Selbstwert von innen konnte ich aber auch mehr als genug füttern: es waren unterschiedlichste Körper anzutreffen. Große, kleine, dicke, dünne, trainierte, untrainierte, muskulöse, sehnige, alte, junge. Jeder ist anders, und jedem gefällt etwas anderes. Das ist natürlich, und das ist okay. Wirklich "perfekte" Körper habe ich nicht gesehen (obwohl ein paar wirklich tolle Bodies dabei waren). 

Aber selbst diejenigen, die sehr gut aussahen - nö, das wäre nichts für mich gewesen (im Sinne von "so will ich aussehen"). Egal, mit wem ich mich verglich - am Ende war ich durch und durch zufrieden. Mein Körper ist nicht perfekt. Aber mir gefallen meine Proportionen, ich mag meine Narbe, mir gefällt meine Haut, ich mag mein Haar, meine Füße (die besonders), meine Hände. Wenn ich die anderen nackten Männer sehe, und wenn ich mich daneben stellte, dann bin ich genau richtig. Das bin ich, und so muss ich sein. Und DAS ist ein unbeschreiblich gutes Gefühl!

Alles in allem war ich sehr zufrieden danach. Ich hatte viele Bedenken und Ängste, die ich aber überwunden habe. Dafür bekam ich dann sehr viel Bestätigung, schöne Momente, tolle Komplimente. Und ich konnte ein Stückchen mehr zu mir selbst finden. 

Ob und wie oft ich zukünftig in die Gay-Sauna gehen werde, weiß ich nicht. Ich sauniere normalerweise lieber zur Entspannung, und das ist dort eher nicht möglich. Trotzdem kann es gut sein, dass ich wieder diese zwanglose Atmosphäre erleben möchte. So ganz ist die Angst noch nicht weg, denn es war ja nur eine Momentaufnahme und könnte nächstes Mal ganz anders aussehen. Aber es hat mir sehr viel Mut gemacht. Ich werde dranbleiben :-)

2heartedman 08.03.2019, 12.07

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