Manchmal wirken die in den Workshops erarbeiten Dinge erst im Nachhinein. Während der zwei Stunden dachte ich mir nur "boah, ey, schon so oft gemacht, was soll mir das bringen". Doch im Nachhinein, nachdem sich all die Eindrücke gesetzt haben, wirkt doch so manches nach ...

Jemand legte sich auf ein Plakat, und wir zeichneten die Umrisse nach. Boah, sowas kenne ich schon, hab selbst schon zig Workshops gemacht, wo man irgendwas einzeichnen muss. Dinge, die man männlich findet. Körperstellen, wo man sich verletzt hat, wo man operiert wurde, wo man von anderen verletzt wurde. Punkte, mit denen man etwas verbindet. Nicht schon wieeeeeder, ich war recht genervt (konnten die Moderatoren nix dafür, aber der Metzger kann irgendwann keine Wurst mehr sehen, und ich reagiere eben einfach allergisch auf Gruppenarbeit mit bunten Eddings und FlipCharts und Moderationskärtchen). 

In diesem Fall galt es einzuzeichnen: 

Blau - was einem am eigenen Körper gefällt

Grün - Was man mit der Transition verbindet

Rot - Was man sexuell erregend findet 

Ja, es ging in diesem Workshop auch um Sex und Bedürfnisse. Schließlich ist das bei unserem Thema etwas, womit viele zu kämpfen haben, nachdem sie ihre Identität neu definieren, sich selbst finden müssen, mitten in der Pubertät stecken und der Körper etwas anderes zeigt als das Hirn. Aber um sich dieser Dinge bewusst zu werden, muss man erst einmal wissen, wo man selbst steht, dafür sollte dieses Plakat dienen. 

Während des Workshops hat mich das alles sehr genervt. Aber im Nachhinein habe ich viele Gedanken mitnehmen können, die mich längere Zeit beschäftigten. Die ich hier natürlich nicht alle wiedergeben werde. Aber einen Teil davon werde ich gerne teilen:

Ich hatte ein massives Problem bei Blau. Nicht, weil es nichts gibt, das ich mag. Sondern weil "mögen" recht weit gefasst ist. Früher mochte ich mein Dekolletee, weil es das einzig Weibliche an mir war, auch wenn ich es nicht zur Schau trug, aber wenigstens bekam ich ab und zu Komplimente. Inzwischen mag ich es gar nicht mehr, erstens sieht es "dank" Testo nicht mehr gut aus, und zweitens ist es nicht männlich. Oder meine Füße, die mag ich schon, aber ich zeige sie nicht rum oder bin nicht stolz drauf, und ich guck sie nicht ständig an. Ich bin dankbar für meine unpicklige Haut, aber jetzt ist Haut nichts, das mir an mir selbst irgendwie gefällt. Meine Haare fühlen sich weich und seidig an, aber ich mag sie nicht, weil sie so schlecht frisierbar sind und ich ständig für meine Nichtfrisur gerügt wurde. Was mir gefällt und nicht gefällt hat sich in den letzten Jahren zigfach verändert, je nachdem, in welcher Phase meines Lebens ich darauf blickte. 

Ich mag zum Beispiel, dass langsam meine Äderchen hervortreten oder die Haut plüschiger wird, aber ich mag deswegen meine Arme nicht unbedingt, weil sie noch immer zu weiblich aussehen. Es ist ein Prozess, und ich kann mich da schwer festlegen. 

Viele der Leute, die da etwas eingezeichnet haben, waren schon etwas weiter in ihrer Transition. Ich hoffe und denke, dass ich das eines Tages auch sagen kann. Dass ich selbst nicht wusste, was ich einzeichnen soll, bedeutet nicht, dass ich meinen Körper widerlich finde oder abstoßend, oder dass ich nicht stolz darauf wäre. Aber ich kann momentan einfach nichts damit anfangen. Damals zu weiblich. Heute nicht Fisch nicht Fleisch. Ich fühle mich unangenehm mittendrin. Und bin stolz über jede kleine Veränderung. Aber das ist dann weniger ein Körperteil an sich, sondern eher der Prozess, und den kann ich schlecht einzeichnen ... 

Aber ich stelle fest, dass es nach und nach immer mehr gibt, was mir an mir gefällt. Ich freue mich über jedes neue Haar, jede kleine Ader, über die winzigen zarten Flaumstoppelchen im Gesicht, über die wachsenden Muskeln. NOCH bin ich davon entfernt zu sagen "ich mag meinen Körper", aber ich bin auf dem Weg ... 

Und damit das so ist, betreibe ich eben recht intensiv Sport, informiere mich von Ernährung über Pflege, tue mir immer wieder gerne etwas Gutes. Nicht mehr lange ... bald werde ich das ganze Plakat nur noch blau malen ;-)