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Gutachtergespräch Nummer Eins

Letzten Freitag hatte ich mein erstes Gespräch bei einer Gutachterin. Es geht um die Namensänderung, das Gericht will zwei Gutachten dafür (Thema für sich, ich sag mal nix *oooommmmm*). Ich hatte recht flink einen Termin bekommen, dafür war ich sehr dankbar. Aufgeregt war ich gar nicht. Weil, mal ehrlich, mir ist bewusst, dass man Transidentität nicht wie Blutdruck oder Beinbruch messen oder sehen kann. Und Männlichkeit kann man nicht an Spielzeugeisenbahnen und Mutproben messen. Also muss sie sich rein darauf verlassen, dass ich sage "ich bin ein Mann". Und die Leute, die das Gespräch mit mir führen, sind auch nur Menschen. Alles ganz entspannt ...


Sie begrüßte mich direkt mit "Herr Nachname", was ich sehr sympathisch fand. Viele lassen den Namen weg, ist auch okay. Aber gleich als Herr angesprochen zu werden zeigt mir, dass sie das respektiert. Ich hatte ihr nicht erst beweisen müssen, dass ich ein Mann bin, sondern sie hat es sofort anerkannt. Das gibt ein gutes Gefühl vor dem Gespräch, weil ich weiß, dass ich mich nicht beweisen muss.

Wäre auch nicht mein Ding gewesen. Habe locker geredet. Über Kindheit, Männlichkeitsbild, Entwicklung, Beruf, Beziehung. Ohne mich zu verstellen. Sie hat hier und da Fragen gestellt, ansonsten habe ich einiges erzählt. Und auch klargemacht, dass mein Bild von Männlichkeit nicht dem Klischee entspricht, ich müsse stark, haarig, machomäßig sein, Hose und kurze Haare und wasweißich. Sondern dass ich nicht ausschließe, mir eines Tages lange Haare wachsen zu lassen oder als Goth auch mal ´nen Herrenrock zu tragen oder mir die Nägel zu lackieren. Mein Vorbild kein Macho und Actionheld damals, sondern ein Feingeist mit Sinn für Poesie, Sprache und filigrane Technik. Und ich hatte nicht das Gefühl, dass sie ein Problem damit hat (Hätte sie eines gehabt, hätte ich den Teufel getan, mich zu verbiegen und ihr etwas anderes zu erzählen! Lieber hätte ich vor Gericht darum gekämpft, dass der Richter das trotzdem zu akzeptieren hat). 

Sie stellte keine intimen Fragen zur Sexualität oder meinem Körper. Das freut mich, denn selbst wenn ich offen mit so etwas umgehe, gehört das meiner Ansicht nach nicht in dieses Gutachten (weil das mit Geschlechtsempfinden meiner Ansicht nach nichts zu tun hat. Ich empfinde mich als transIDENT, nicht als transSEXUELL). Trotzdem höre ich immer wieder, dass es Gutachter oder Therapeuten gibt, die diese Themen einbeziehen und da klare Vorstellungen haben, wie ein Mann sein müsse. Nö, auf sowas reagiere ich allergisch, zum Glück war sie da sehr aufgeschlossen und hatte andere Schwerpunkte. 

Zum Abschluss noch ein kleiner Test. Ein paar Seiten mit Ja / Nein - Fragen. Ich hasse dieses entweder-oder sowieso, weil alles weit komplexer ist. Und ein Persönlichkeitstest auf dieser Basis, das gefällt mir gleich doppelt nicht, weil je nach Interpretation man dies oder jenes hineinlesen kann. Also habe ich bei einigen *hüstel* Fragen mit ihr diskutiert bzw ihr erklärt, wie ich das sehe. Und auch, warum ich mich weigere, bei manchen Fragen überhaupt irgend etwas anzukreuzen. 

Eine Frage war zB politischer Natur (Einstellung bzgl Themen der dritten Welt). Wie soll ICH als LAIE das beurteilen ohne Hintergründe zu kennen? Wie soll ich es beurteilen, wenn es heißt "die Menschen der dritten Welt", wenn ich diese nicht persönlich kenne und zudem jeder Mensch individuell ist und ich keinen Bock habe, ein ganzes Volk über einen Kamm zu scheren? Wie soll ich das beurteilen, wenn ich nicht weiß, wie es dazu kam, dass es so ist, und was man dagegen tun kann, um es zu ändern, und wenn alles, was ich weiß, ein paar Zeitungsartikeln, Zeitschriftenreportagen und TV-Dokus entstammt? Sie wollte partout nicht glauben, dass ich keine Meinung zu dem Thema habe. Aber ich wie gesagt: ich weigere mich, eine eindeutige Position zu beziehen zu einem Thema, von dem ich so viel Ahnung habe wie ein Regenwurm von der Mondfahrt! Zumal ich nicht wirklich verstehe, warum meine Einstellung zu Themen der dritten Welt etwas aussagen über meine Trans*identität *grummel*. 

Und da gab es noch ein paar andere Fragen, wo ich wirklich nicht einsah, Dinge zu kategorisieren. Ich hasse Pauschalisierungen (und zwar ganz pauschal, jawoll). Wenn ein Fragebogen die Tendenz von 1-5 abfragt, lasse ich noch mit mir reden, dann kann ich nämlich auch mal die neutrale Mitte ankreuzen (falls ein Thema mich null tangiert oder ich die Frage nicht verstehe oder tatsächlich keine Meinung habe oder sowohl pro als auch contra gleichermaßen anerkenne) oder sagen "eher so, aber nicht ganz". Aber ja nein, das ist lächerlich. Das ist kein psychologischer Test in meinen Augen, sondern einfach nur irgendwas, damit man am Ende in der Hand hat, auch wenn die Auswertung völliger Mumpitz ist ... 

Am Ende meinte sie sinngemäß, dass das auch mal eine neue Erfahrung für sie gewesen sei. Dass jemand Probleme bei ein paar Fragen hat okay, aber nicht, dass jemand sich so viele Gedanken macht statt einfach nur intuitiv anzukreuzen. 

Sie nannte es pedantisch, ich nenne es eher differenziert (und ja, diese Korrektur diesbezüglich von mir gerade war pedantisch *lol*). Egal, dann steht halt vielleicht im Gutachten, dass ich nicht mal Fünfe gerade sein lassen kann. Na und? Dazu stehe ich. Ich habe Meinungen, und ich kann Entscheidungen treffen. Und zwar dann, wenn es darauf ankommt und wo es sinnvoll ist, und nicht bei irgendwelchen albernen Psychotests.

Bin wirklich dankbar, dass mein Therapeut keine Gutachten schreibt. Ich glaube, käme er mir mit solchen blöden Fragebögen, dann wäre es möglich, dass ich im nächsten Gespräch ihm gegenüber deutlich verschlossener wäre, weil ich keine Lust habe auf sowas. Und ich habe auch keine Lust, bloß um irgendeine Bescheinigung zu bekommen, irgendwelche sinnlosen Sachen auszufüllen, nur damit die was vorliegen haben der Form halber. Das überzeugt mich nicht!

Also, Kurzfassung des Gesprächs: lief super, sie ist sympathisch, und ich habe ein gutes Gefühl. Und ich denke, dass ich auch klarmachen konnte, worum es mir geht und wie ich mich empfinde. Und bei den Tests war ich wohl arg störrisch ... 

Ich hoffe ja inständig, dass der zweite Gutachter keine dummen Tests macht. Allerdings ist er Psychiater, und das wird wohl deutlich testlastiger ausfallen, sodass ich nicht nur einen sondern vermutlich sogar mehrere Tests machen muss. Ohweh! Na, egal, abwarten. Vielleicht wird das ja auch für ihn eine neue Erfahrung ;-)

2heartedman 30.05.2016, 13.43

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Sonja

Haha, finde ich gut, dass du das thematisiert hast!
Ich beantworte solche Fragen auch nicht und hab auch schon lustige Situationen damit erlebt.
Was wollen die auch damit auswerten? Gibt es dazu sowas wie eine männliche und eine weiblichenStellungnahme? Blödsinn...

vom 30.05.2016, 17.09
Antwort von 2heartedman:

Danke für die Rückmeldung :-)

Kam mir schon blöd vor, dass ich da so pingelig war und das thematisierte bei ihr, aber ich konnte nicht anders. Hab aber außer von Dir auch schon anderweitig einige Rückmeldung bekommen, dass man das ebenso sieht. Beruhigt mich irgendwie, ...