two hearted man
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Guck nicht so ernst

Manchmal sind es Kleinigkeiten, die uns mehr treffen und verletzten als große Dinge. Nebenbei gesagt, nicht einmal böse gemeint. Und doch zielen sie ohne zu wissen genau mitten auf den wunden Punkt ...


Es ist einige Wochen her, dass ich mit meinem Kumpel telefonierte. Eine Freundin von ihm war anwesend, und wir hatten die Lautsprecher an. An diesem Tag hatte ich einen fiesen Durchhänger und meinte "sorry, bin heute nicht so gut drauf". Sie meinte im Hintergrund lachend "ach, Du bist doch nie gut drauf". 

Sie hatte mich nur drei vier Mal kurz gesehen. Und scheinbar habe ich bei ihr diesen Eindruck erweckt. Und, wie gesagt, sie hatte es wohl nicht einmal böse gemeint, es war eher flachsig dahergesagt. 

Aber seitdem gärt das in mir, und es hat mich sehr verletzt. Habe dann vor ein paar Tagen mit meinem Kumpel darüber geredet. Er konnte das verneinen und meinte nur "sie kennt Dich nicht, sie sieht nur, was jetzt ist".

Heute im Fitness-Studio eine Frau (die mich natürlich als weiblich las *seufz*), wir kamen ins Gespräch, Smalltalk (da hab ich immer mein Smilie-Gesicht, sonst konzentriere ich mich eben auf die Übungen). Sie meinte dann auch "das freut mich, denn ich habe mich schon oft gefragt, wie Sie aussehen, wenn sie mal lächeln". AAARGH, muss mensch immer lächeln? 

Ich hoffe, dass man das als Mann nicht mehr zu mir sagen wird. Von Frauen wird das oft erwartet, Männer dürfen auch ernst gucken. Vielleicht, mit besserem Passing, werden Menschen sich nicht mehr an meinem ernsten Gesicht stören sondern es vielleicht sogar geheimnisvoll oder seriös finden. 

Jedenfalls, mir zu sagen, ich sei so ernst - das ist so, als würde man eine dicke Person anstarren und sagen "boah, ist der fett". Ja, 100 Kilo sind fett. Aber wer so urteilt, der sieht nicht, dass dieser Mensch mit viel Arbeit und Disziplin bereits 100 Kilo abgenommen hat. Und statt "wow, hast Du aber abgenommen" oder "klasse, Du schaffst es" oder "ich freu mich für Dich" hört dieser Mensch immer wieder "Du bist fett". 

So fühle ich mich manchmal. Ich war früher depressiv, bekam auch Medikamente dagegen. Habe kaum etwas unternommen, war wenig unter Menschen. Sah kein Ziel im Leben, flüchtete mich in fiktive Welten, in die Musik, in meine Gedankenwelt, meine Tagträume. Der Alltag war eine Belastung. Und ja, ich habe viel gejammert. 

Bin damit aufgewachsen. In meiner Familie wurde nur gejammert. Über die Politik, das Wetter, die Nachbarn, die Arbeit, die Krankheit, den Körper, die anderen und überhaupt. Wenn etwas nicht klappte, hieß es "brauchst es nicht probieren, ein Mädchen kann das eh nicht" oder "da haben wir in der Familie kein Händchen dafür" oder "das hast Du von Deiner Mutter, das sind die Gene" oder "bringt doch nichts". 

So etwas wie Ansporn, Motivation, Ermunterung, das habe ich nicht erhalten. Ich bin aufgewachsen damit, dass ich eine Menge konnte, aber den Rest brauchte ich gar nicht zu probieren. Und das, was scheiße lief, war eben scheiße, und darüber hat man gejammert, laut und hörbar. Über Erfolge freute man sich nicht, denn Bescheidenheit ist eine Zier. Ergo ein Leben in Mismut, Frustration und Negativität. mmmh, jammi!

Auch meine Depression wurde nicht als solche erkannt, Unterstützung bekam ich nicht, sondern es wurde gejammert "ach, jetzt wirst Du auch noch krank, nein, das kann nicht sein, reiß Dich zusammen, das bildest Du Dir ein, mach mich nicht traurig". Also habe ich das verheimlicht (und weiter brav mitgejammert bei allem, was es eben zu jammern gab, die Depression als solche aber in mich reingefressen, bis ich kurz davor war komplett aufzugeben). 

Mein Exmann schlug in die gleiche Kerbe, auch er hat gejammert. ZB dass er keinen Job findet (kein Wunder, wenn man sich nicht bewirbt). Dass so wenig los ist (logisch, wenn man nur daheim hockt). Dass er keine Freunde hat (wie auch, wenn man nicht rausgeht). Dass es keine guten Filme gibt (klar, wenn man jeden Film verurteilt, ohne ihn jemals angesehen zu haben und immer nur die gleichen 10 DVDs anguckt). Dass er so dick ist (viel Essen, wenig Bewegung, oh Wunder). Dass er kein Geld hat (siehe Job). 

Irgendwann hatte ich genug davon. Mir kam der Gedanke, dass mein Leben nur dann besser werden kann, wenn ich es selbst in die Hand nehme. Wenn ich statt zu jammern etwas ändere. 

Aber so etwas geht nicht über Nacht. Das Hirn prägt sich Verhaltensmuster und Denkweisen ein, das ist nachgewiesen. Auch neigt das Hirn dazu, sich eher negative Erfahrungen einzuprägen als positive (aber ich will hier jetzt gar nicht auf Neurologie und Biologie eingehen, auch wenn es höchst faszinierend ist. Wen es interessiert: Google).

Immer wieder Stolpersteine, und ich wurde zurückgeworfen. Und ja, ich habe gejammert. Und hatte das Gefühl, dass es sinnlos ist. Ich musste mich sehr anstrengen, auch mal den Blick auf positive Dinge zu werfen. Wohlwissend, dass die Situation die gleiche ist, lediglich meine Einstellung eine andere. Wohlwissend, dass ich mir da etwas einrede und anfangs nur so tue als ob. Es fühlte sich bescheuert an, wenn ich mich schlecht fühlte, dann trotzdem lächelnd sagte "aber es hat auch was Gutes". Fühlte sich an wie Selbstbetrug. Aber ab da ging es im Leben tatsächlich aufwärts. Ab da habe ich Dinge erreicht, die ich früher nicht für möglich gehalten hätte. Ab da hatte ich mein Leben auf einmal selbst in der Hand. 

Aus dem anfänglichen "sich etwas einreden" und dem "so tun als ob" wurde irgendwann im Laufe der Jahre tatsächlich ein "ich empfinde es so". Inzwischen sehe ich nicht mehr Hindernisse, Störfaktoren, Probleme, Ängste und Misserfolge. Inzwischen sehe ich Lösungen, Möglichkeiten, Herausforderungen, Vorteile und Erfolge. Ohne darüber nachzudenken, ohne mir es einzureden. 

Trotzdem ist mein Hirn eben anders programmiert. Ich bin kein Naturschlanker mit 55 Kilo, aber ich habe immerhin schon 100 Kilo abgenommen und arbeite fleißig weiter. Manchmal ziehen Regenwolken über mein Gemüt, und nicht selten fange ich an zu jammern. ABER ich habe gelernt sehr schnell wieder aufzustehen, zu lachen, das nächste Mal besser aufzupassen und das Jammern rasch wieder einzustellen.

Ja, ich bin ein bisschen stolz auf mich selbst, das gebe ich zu. Weil es nicht leicht war. Und weil ich hart dafür gearbeitet habe, endlich positiv zu denken und das Jammern durch Lächeln zu ersetzen. 

Wobei, mir wurde auch schon das Gegenteil vorgeworfen, meist auf Arbeit (das war ein Hort des Negativen *grusel*): ich würde Probleme ignorieren und alles immer nur schönreden. Ich würde die Realität nicht erkennen, weil ich immer so tue, als ob alles toll sei. Ooooh nein, ganz sicher nicht. Glaubt mir, ich sehe den Dreck, den Müll, das Leid, den Schmerz. Aber ihn nur anzusehen und darüber zu reden ändert nichts. Deswegen rede ich gar nicht groß darüber sondern lasse ihn liegen (wenn ich ihn nicht ändern kann) oder krempel die Ärmel hoch und räume ihn weg. 

Ich werde niemals ein strahlender Sonnenschein sein. Und mein Gesicht, meine Augen sind ernst. Trotzdem denke und lebe ich positiv, blicke voraus, freue mich auf die Zukunft, arbeite hart für meine Erfolge und bin ein dankbarer Mensch. Und manchmal jammere ich auch, aber danach packe ich an und tu etwas dagegen!

2heartedman 18.08.2016, 16.56

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