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Erste Schritte - Selbsthilfegruppe

Vor einigen Wochen habe ich eine Selbsthilfegruppe besucht.



Selbsthilfegruppen sind nicht so mein Ding. Klar, ich bin trans, hab viele Fragen und suche Gleichgesinnte. Aber es ist nicht DAS Thema, über das ich mit fremden Leuten nonstop reden will. Und meine sonstigen Hobbies und Interessen pflege ich lieber mit meinen anderen Kumpels. SHGs haben für mich was von Kleintierzüchterverein. Was nicht abwertend gemeint sein soll, ich halte solche Gruppen für verdammt wichtig, aber ist halt nicht meine Welt. 

Trotzdem, um Kontakte zu knüpfen, Infos zu kriegen ist es hilfreich. Zum absoluten Einstieg fand ich es wichtig, nicht nur im Netz abzuhängen, sondern auch mal rauszugehen. Hatte ziemlich Angst wegen Outing. Bin dann aber trotzdem hin. Bekam etwas Paniki, als ich jmd sah, der mich an einen Kunden erinnerte, aber zum Glück war er es doch nicht.

Kam zeitig an, fand das Gebäude nicht. Eine Gruppe TF kam auf mich zu, eine von ihnen direkt "ui, Du gehörst wohl zu uns, komm einfach mit". Mir rutschte raus "dachte ich mir, danke, ich komm mit". Glaube, mit dem "dachte ich mir" hab ich sie verletzt, sie wirkte etwas pikiert, weil es ja quasi das Passing als Frau ankratzte. Andererseits, sie hatte mich ja auch sofort als zugehörig angesprochen (sie hätte auch sagen können "Du siehst aus, als wenn Du was suchst. Willst Du vielleicht zur Gruppe XY, die hier gleich stattfindet?". Naja, nicht so viel grübeln, kann es eh nicht mehr rückgängig machen ...

Eigentlich wollte ich jemanden treffen, aber sie kam leider zu spät, sodass ich dann erst einmal völlig fremd zwischen den ganzen Leuten stand. 

Fing ein paar Gespräche mit anderen TM an. Aber: immer, wenn jemand kam, den mein Gesprächspartner kannte, zack, drehte er sich mitten im Satz weg und ich war Luft. Ist mir bei drei Leuten passiert, war mir danach echt zu blöd, habe dann keinen mehr angesprochen. Möchte mich nicht aufdrängen, falls die Leute lieber unter sich bleiben wollen. 

Zum Treffen an diesem Tag war ein Arzt geladen, der geschlechtsangleichende OPs (gaOP) durchführt. Von Frau zu Mann erzählte er recht viel, ausführlich. Von Frau zu Mann war er kurz angebunden und hat nicht einmal bis zum Ende erzählt, mir fehlte da einiges. Dazu kommt, dass ich mich nicht wirklich für dumm halte, der Arzt mir aber dieses Gefühl gab. Er warf mit Fremdworten, Fachbegriffen und medizinischen Details um sich, als hätte er Fachpublikum da sitzen. Für manche T*, die sich schon jahrelang damit befassen, mag das okay sein, aber für einen Einsteiger wie mich war das Overflow. Wer die OP schon hat, braucht den Vortrag doch nicht mehr, sollte er sich nicht eher an Leute richten, die sich dafür interessieren und sich informieren wollen?

Mit anderen Worten: ich verstand zwar kein Wort, sah aber eine knappe Stunde lang Bilder von blutigen, zerschnittenen Geschlechtsteilen, vernarbter Haut und übelsten Wunden. Sah, wie toll das von Mann zu Frau aussah am Ende. Sah, wie metzgerhaft zerschnitten das von Frau zu Mann aussah (wie gesagt, er hatte den Vortrag meiner Ansicht nach nicht beendet. Bzw, falls das das Ende war, omG). 

Die anderen Anwesenden waren nicht unsympathisch. Allerdings, wie gesagt, ich hatte das Gefühl, sie wollten unter sich bleiben. Bin eigentlich jemand, der leicht Kontakte knüpft (bin zwar Einzelgänger und introvertiert, aber Zugang zu Menschen gelingt mir idR sehr schnell, Smalltalk und Anbandeln gelingt mir immer prima), aber an diesem Tag wollte man mir irgendwie keine Chance geben.

Dadurch hatte ich keine Gelegenheit, die Leute kennenzulernen. Konnte nur dastehen und beobachten. Und ich fühlte mich fremd. Stand zwischen den anderen. Überall Baggyhosen, riesige Tunnel im Ohr, Undercut, Baseballkäppis, junge Leute, jeder total cool, und ich fragte mich, ob ich auf Außenstehende auch so wirke mit meinen Hoodies und den kurzen Haaren. Hatte gehofft, jemanden zu treffen, wo ich mich vielleicht verbunden fühle und es freundschaftlich funkt. Statt dessen kam ich mir vor wie ein Eindringling in einer fremden Welt ...

Auf der Fahrt nach Hause alleine unter meinem geschützten Motorradhelm fing ich an zu heulen, sah fast die Straße nicht mehr. Und daheim weitergeheult. So einsam und hoffnungslos wie an diesem Tag hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Wortlos kam ich heim, legte mich ins Bett und zog nur noch die Decke über den Kopf ... mein Mann wollte wissen, was los ist, aber ich konnte nicht darüber reden. 

Hatte gehofft, dass meine Angst vor der gaOP etwas sinkt, wenn ich mich informiere. Das Gegenteil war der Fall. In mir ist etwas zerbrochen. Mir wurde klar, dass ich niemals echt sein werde. Das ist ein Schmerz, den ich nicht beschreiben kann und der so tief sitzt, dass ich ihn im Alltag normalerweise verdränge. 

Mein Bedarf an Selbsthilfegruppen ist momentan gedeckt ...

2heartedman 13.12.2014, 17.58

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von tabakbart

die Vorträge der Ärzte zu den OPs sind gruselig am Anfang, aber wenn dir klar geworden ist, dass du nie wie ein cisgender sein wirst, hast du das wichtigste kapiert. mach was aus der info. du bist trans! du wirst einen weg finden, als trans glücklich zu werden

vom 13.12.2014, 20.33
Antwort von 2heartedman:

ja, das wurde mir an diesem Tag bewusst. Und mir war klar, dass der Tag mit dieser Erkenntnis kommen würde. Hatte aber irgendwie gehofft, dass es schonender ablaufen würde :(

Aber der Doc war da, wie ich finde, schon arg unsensibel, und mich ärgerte auch, dass der FtM so nebenbei mal kurz abhandelte statt wirklich zu erklären. Vielleicht wäre mein Schock nicht so groß gewesen, wenn er den Vortrag vernünftig abgeschlossen hätte. Aber während er über FtM sprach, stellte eine der Frauen immer wieder Fragen über die Methode MtF, und er ging dann ständig auf deren Fragen ein und ließ das FtM unfertig so liegen und sprach dann wieder nur über MtF. Das fand ich unprofessionell vom Arzt, er hätte ja sagen können "das besprechen wir im Anschluss", ...

so aber war es eben total unfertig, dadurch wirkte das auf mich schlimmer, als wenn er dann ein fertiges Ergebnis gezeigt hätte, vielleicht mit Narben und Blut, aber wenigstens ansehnlich und normal ... statt ein blutiges Stück Irgendwas, mit dem ich dann konfrontiert war, ohne die "Auflösung" des Horrorfilmes zu sehen ... 

*seufz* wie Du sagst: ich  muss mich damit abfinden ... 
und ich bin dankbar, dass ich überhaupt die Möglichkeit habe zu wählen. Damals MUSSTE man ja diesen Weg gehen, weil sonst das Transsein infrage gestellt wurde. Heute habe ich auch das Recht zu wählen, welche Schritte der Trasition ich gehen will und welche nicht ... 

Als ich auf dem Stammtisch war, wusste ich noch nichts von anderen Möglichkeiten. Inzwischen weiß ich, dass es da schöne Lösungen gibt, die zwar nicht real sind aber doch zu genügend Selbstbewusstsein beitragen und gut aussehen und sogar funktionieren ...