two hearted man
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Erschöpfung nach dem Marathon

Auch, wenn ich nach außen hin anders auftrete - innerlich bin ich ziemlich unsicher. Suche die Schuld oft bei mir. Erfolge werden kleingeredet, Mißerfolge aufgebauscht. Da hört man dann die Stimmen der Kindheit. Die Oma mit dem weinerlichen "warum tust Du mir das an", den schimpfenden Lehrer, den Hölle predigenden Pfarrer, den keifenden Stiefvater, die hönisch lachenden Klassenkameraden.


Je lauter diese Stimmen in mir werden, desto mehr bin ich bestrebt, nach außen hin allen zu beweisen, was ich kann, wer ich bin und was ich geleistet habe. Das wirkt dann auf andere wieder überheblich, und schwupps beginnt der Teufelskreis von vorne, sobald neue kritische Stimmen hinzukommen und meine Arroganz kritisieren.

Es mag Menschen geben, die frei davon sind. Aber ich glaube, sehr viele Menschen kennen diese inneren kritischen Stimmen und reagieren dann entweder mit Selbstzerfleischung oder übertriebenem Geltungsdrang nach außen. 

Inzwischen habe ich gelernt, einigermaßen damit umzugehen. Ja, ich höre diese Kritik noch in mir, aber ich weiß, woher sie kommt. Es wird immer Menschen geben, die mit mir unzufrieden sind und mäkeln. Allen kann ich es nicht recht machen, und ich gehe inzwischen meinen eigenen Weg. Am Ende meines Lebens bringt es mir wenig, wenn mein alter Lehrer oder mein verstorbener Großvater oder irgendein Pfarrer aus der Kindheit zufrieden mit mir war. Am Ende des Lebens muss ICH zufrieden sein mit dem, was ich gelebt habe! 

Und deswegen schreibe ich jetzt mal ganz offen, warum ich aktuell ziemlich stolz auf mich bin. Nicht im überheblichen Sinne, sondern einfach happy, was ich geleistet habe. "Eigenlob stinkt" - ach, pfeif drauf!

Ich gehe meinen Weg, komme meinen Zielen Tag für Tag näher, mein Schritt ist gerade und aufrecht. Obwohl momentan von allen Seiten Schwierigkeiten angerollt kommen. Ich klettere über Felsen, springe über Hindernisse. Mein Weg führt momentan nicht auf geradem Asphalt von A nach B, sondern überall gibt es Nebenschauplätze:

- mein Transweg kostet Zeit und Kraft. Ich lese viel, tausche mich aus. Habe Termine beim Therapeuten. Informiere mich auf verschiedenen Kanälen über Risiken, Möglichkeiten. Manche Nachrichten bauen mich auf, geben mir Kraft, aber manche Erfahrungen sind schmerzhaft, und einige Aussichten machen mir Angst. Auch die Outings sind eine ständige emotionale Achterbahn. Es ist ein Durcheinander in einem Dschungel voller Gesetze, Möglichkeiten und Entscheidungen. Und damit einhergehend die Frage nach "wer war ich, wer bin ich, was erwarte ich vom Leben, wie soll es weitergehen". Existenzielle Fragen ...

- mein Mann hat derzeit seine eigenen Probleme auf Arbeit, in der Familie und gesundheitlich. "Der Teufel macht immer auf den größten Haufen". Ich möchte für ihn da sein. Und natürlich bekomme ich es mit, wenn etwas schieflief. Es mögen seine Probleme sein, aber ich bin davon auch betroffen, und das zur Zeit nicht wenig (genauer gesagt: mehr als je zuvor in den letzten 6,5 Jahren). 

- meine Familie ist momentan ganz schön schwierig. Ich werde das hier nicht ausbreiten, aber es brodelt an allen Ecken. Manches betrifft mich direkt, von anderem erlange ich lediglich Kenntnis. Doch auch die Kenntnis an sich ist zum Teil belastend, denn es sind Menschen, die ich liebe. Da wird telefoniert, man trifft sich beim Besuch, das ist alles sehr aufwühlend, und es ist in vielen Punkten unklar, wie es weitergehen wird. Ob die Familie zerbricht, ob sie zusammenhält. Die Dynamik untereinander jedenfalls ist momentan ganz schön spannend (Euphemismus rulez).

- der Job ist eine Belastung. Eigentlich hätte ich ihn schon lange kündigen müssen, aber die Vernunft sagt mir, dass ich noch durchhalten muss. Der tägliche Gang zur Arbeit ist hart, und alles in mir schreit danach niemals wieder einen Fuß hier rein zu setzen. Die Veränderungen, die der Job an mir gemacht hat, sind nicht gut, ich wurde zu einem Menschen, der ich nicht sein wollte. Tat Dinge, die ich nie tun wollte. Musste Meinungen vertreten, die nicht meine waren und begann sie als eigene Meinung anzunehmen. Ich hoffe, nach der Kündigung wieder zurück zu kommen zu meinen Prinzipien, zu meinen Wurzeln. Aktuell aber zieht das, was ich auf Arbeit tun muss, mir an manchen Tagen soviel Kraft ab, dass ich zum Feierabend erschöpft ins Bett falle und einfach nicht mehr kann.  Es gibt auch gute Seiten an diesem Job, aber die machen den Abschied nicht leichter und fügen dem Widerwillen etwas Wehmut bei.

- einige meiner Freunde u Familienmitglieder hatten in den letzten Monaten Probleme. Ich habe versucht da zu sein, teils telefonisch, teils vor Ort. Auch das kostet Zeit und Anstrengung. Die ich gerne investiert habe, die aber natürlich auch Zeit und Kraft kostet, die ich an manchen Tagen kaum habe.

- durch den ganzen Wirbel ließ es sich nicht vermeiden, dass auch die Colitis wieder "Hallo" sagte. Hat sich nicht drastisch ausgewirkt. Allerdings gab es doch ein paar Arzttermine, musste ich mehrere Wochen Medikamente nehmen, inclusive der bangen Frage "was, wenn es diesmal schlimmer wird". Konnte ich grad wirklich nicht brauchen. Aber, logisch, der Körper reagiert immer dann, wenn eh grad schon alles zuviel wird. Ist halt seine Art von Notbremse. 

- Unsere Zukunftspläne nehmen immer mehr Gestalt an. Wenn mein Mann die Umschulung beendet hat und ich ohne Job dastehe, gibt es viele Möglichkeiten. Es gibt nicht nur einen Plan A, das Alphabet hat viele Buchstaben. Wir überlegen gemeinsam, welche Träumerei realistisch ist und welche nicht. Wir rechnen mit verschiedenen Finanzplänen, wieviel Geld wir benötigen, wieviel wir auftreiben können. Wir erstellen bereits ein Konzept und stellen Berechnungen auf. Mein Mann kann das, der berechnet die Abschläge, nötigen Einnahmen und Ausgaben und Steuern mitsamt Puffer, dass sich mir alles dreht, wow! Immer wieder wälzen wir das Internet nach Möglichkeiten, lesen Fachbücher, tauschen uns aus. Verbringen sehr viel Freizeit mit der Fort- und Weiterbildung. Es macht Spaß, aber es ist trotzdem die Zeit unseres Feierabends. Manchmal ist kaum noch Zeit zum Regenerieren. Klar, man kann nicht alles planen, manches ergibt sich. Aber wir wollen vorbereitet sein!

- die Müdigkeit, die uns beide befallen hat, haben wir eigentlich darauf geschoben, dass so viel los ist. Wie sich jetzt herausstellte, lag es ja vielmehr an unseren Blutwerten, die wir jetzt wieder ins Gleichgewicht bringen werden. Aber das hat ganz schön an uns gezehrt! Ständige Müdigkeit und Konzentrationsprobleme führen dazu, dass man gereizt ist, sich angiftet, dass man unzufrieden wird, Dinge gehen schief, die Stimme wird lauter, der Tonfall aggressiver. Wir mussten uns manchmal ganz schön zusammenreißen: wenn zwei gereizte Menschen unterschiedlicher Meinung sind, braucht es ´ne Menge Selbstbeherrschung, um diesen Konflikt friedlich zu lösen ;-)

Oder, kurz zusammengefasst: unser beider Leben befindet sich im Umbruch. Wir stehen gerade direkt an der Schwelle zwischen dem alten und dem neuen Leben. Und weil wir nicht in einer luftleeren Blase leben, gibt es auch noch viel Drumrum. 

Vor einigen Wochen habe ich mich gewundert, warum ich so müde bin und warum ich mich so oft leer fühle, warum ich so oft traurig bin und so wenig Kraft habe. Aber als ich mir dann zufällig in einem Brief an eine Freundin bewusst machte, was eigentlich alles los ist, wurde mir klar, dass das völlig normal ist. Und dass ich vor allem das Recht habe, auch mal eine Pause zu machen. Ich bin keine Maschine! Ich bin ein Mensch. Und momentan leiste ich verdammt viel. Und wenn man bedenkt, dass der körperliche Faktor der Mangelversorgung dazukam, dann ist es umso erstaunlicher, wie ich trotzdem jeden Tag aufs Neue immer wieder das erfüllt habe, was zu erledigen war ... 

Ich stand Anfang des Jahres kurz vor einer Depression. Kenne die Anzeichen, aber früher konnte ich nichts dagegen tun, und einige Jahre musste ich sogar Medikamente nehmen. Dieses Mal habe ich die Anzeichen erkannt und es geschafft, dagegen anzugehen. Aktiv zu bleiben, etwas zu unternehmen, mich Freunden anzuvertrauen und immer wieder aufzustehen, mich quasi am Schopf selbst aus dem Sumpf zu ziehen. So ganz weg ist das Problem noch nicht, ein paar Anzeichen sind immer noch vorhanden. Aber das ist mir sch***egal, ich kämpfe weiter! Ich habe endlich ein Ziel vor Augen, für das es sich lohnt. Wäre doch gelacht, wenn ich JETZT aufgebe! 

Aber am Montag werde ich trotzdem mal die Kollegin wegen Urlaub ansprechen. Die nächsten ein, zwei Wochen brauch ich mal für mich. Für ´nen Saunabesuch (bevor ich Testo starte, sollte ich das auskosten). Für  ausgiebige Touren auf der Landstraße. Für ein gutes Buch oder zwei oder mehr. Für MICH :-)

2heartedman 18.07.2015, 13.05

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