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Erinnerungen und Gedanken beim Sortieren meiner Unterlagen

Kürzlich habe ich meinen Trans-Ordner sortiert. Dabei kamen viele Erinnerungen und Gefühle hoch ...

Mir war klar, dass man in der Klinik beim Vorgespräch (mehr dazu in einem anderen Beitrag) haufenweise Unterlagen benötigt. Untersuchungen, Namensänderung, Indikation, Krankenkasse oder was auch immer. Ich habe einen dicken Ordner nur mit Transitions-Unterlagen, und den nahm ich mit (zur Sicherheit, bevor sich die OP wegen fehlender Unterlagen verzögern würde. Und weil ich keine Lust hatte, alles rauszusortieren und später wieder korrekt einzuordnen, zuviel Aufwand). 

Damals hatte ich alles chronologisch durcheinander. Also in der Reihenfolge, wie die Unterlagen bei mir ankamen. War sinnvoll, weil ich noch mittendrin steckte und das aktuelle Zeug vorne war. Hatte ja schließlich den Überblick, da aktuell. Und ich konnte auch noch nicht absehen, welche Sortierung irgendwann mal sinnvoll wäre (jaja, ich bin jemand, der es gerne alles ordentlich und genau hat LOL).

Inzwischen bin ich soweit durch mit dem Papierkram. Die Transition läuft körperlich und psychisch weiter, aber das ganze blöde Gerenne und den ständigen Briefwechsel habe ich endlich hinter mir lassen können. Nur noch extrem selten muss ich irgend etwas abheften. Nun suchte ich die Kostenübernahme, und natürlich musste ich dafür die kompletten Unterlagen durchwühlen. Also habe ich beschlossen, das jetzt thematisch zu ordnen. 

Hat ganz schön lange gedauert. Aber jetzt ist es wenigstens übersichtlich geordnet in Behördenkram, Krankenkassengedöns, medizinische Experimente, Psychozeugs und sonstigen Schrieb. Während ich dasaß und das alles Häufchen für Häufchen schlichtete, ging mir ziemlich viel durch den Kopf. Sah wieder, wie ich beim Gutachter hockte und ihm all meine intimen Gedanken erzählte. Fühlte wieder die Verzweiflung, als die Kasse mir die Ablehnung schickte. Hörte mich wieder zig Telefonate mit dem Anwalt führen und sah mich anschließend vor Gericht sitzen. Erinnerte mich plötzlich wieder, was für Unterlagen ich alle beantragen musste nach der Namensänderung und welchen Dokumenten ich alles hinterherrennen musste, bis ich alles zusammengetragen hatte an Zeugnissen, Bestätigungen, Urkunden. Hatte damals lange beim Richter gesessen und mit ihm über alles mögliche diskutiert, war ein spannender Termin. Ach ja, und die schräge Einrichtung der Praxis der Gutachterin, das war witzig. Die langen Wege zu den verschiedenen Vorgesprächen. Nur, damit der gewählte Arzt mir mangels Klinikplatz plötzlich unerwartet absagte. Ich wäre fast durchgedreht, als die Mastek immer wieder verlegt und ich immer wieder vertröstet wurde und ich mir letztendlich eine neue Klinik für die Operation suchte (bzw ich sagte "alles egal, ich kann nicht mehr, ich nehm die erstbeste", weil mir einfach die Kraft fehlte weiterzukämpfen). 

Da saß ich also. Und brauchte zum Sortieren vermutlich sehr viel länger als nötig. Oh mann, so zurückblickend stelle ich fest, dass das ein ganz schön langer und aufwändiger Weg war. Als ich mittendrin steckte, hatte ich gar keine Zeit zum Nachdenken oder Verschnaufen. Ich bin einen Schritt nach dem anderen gegangen. Welche Wahl hätte ich sonst auch gehabt? 

Und jetzt stehe ich hier. Habe meine Mastektomie seit eineinhalb Jahren durch. Mein Name ist überall geändert, und mein Deadname ist nur noch zufällig hier und da in irgendwelchen Spam-Mails oder auf sinnloser Werbung im Briefkasten zu finden. Die Raten für die ollen Gutachten sind endlich abbezahlt. Die Krankenkasse musste sich vor dem Gericht beugen. Meinem Therapeuten bin ich dankbar, dass er mich noch immer begleitet. Die Stimmtherapie hilft mir, auch ohne markanten Stimmbruch immer männlicher zu klingen. 

Wenn ich durch bin mit der nächsten OP, dann ist wieder ein Schritt geschafft. Ob es der letzte Schritt ist, weiß ich nicht. Keine Ahnung, wie mein Körper sich verändert und welche Probleme möglicherweise noch auftauchen. Welche Gesetze noch folgen werden und es mir erschweren oder erleichtern. Welche Fortschritte die Medizin macht. Oder wie auch ich mich verändere und meine Einstellung möglicherweise anpasse. Aber der Löwenanteil ist geschafft. Und ich kann ganz schön stolz sein, was ich alles bewältigt habe. Wäre mir vorher klar gewesen, wieviel Aufwand auf mich zukommt, welche Ängste ich ausstehe und mit wieviel Gegenwind ich zu rechnen hätte - keine Ahnung, ob ich den Weg dann gegangen wäre. Ich glaube, ich wäre verzweifelt vor diesem Berg stehengeblieben und wäre nie losgelaufen ... 

2heartedman 23.01.2019, 15.59

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