two hearted man
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Ausgewählter Beitrag

Die Zeit dazwischen - Soziales Nirvana

Mann? Frau? Die Menschen haben typische "Signale", anhand derer sie den Gegenüber abchecken.

Ich bin ein Mann: kurze Haare. Eher männliche Gesichtszüge. Männliche Klamotten. Männlicher Duktus, männliche Gestik (hoffe ich mal).

Ich bin eine Frau: weibliche Stimme. Kein Bart. Kein Adamsapfel. Brüste. Kurven, Kurven, Kurven (wenn ich die falschen Klamotten trage).

Je nachdem, wie der andere mich kontaktiert (Telefonisch null Chance, flüchtig gesehen ganz gut), werde ich vom Gegenüber anders wahrgenommen. Wenn ich im Supermarkt einkaufe oder dem Busfahrer meine Karte zeige, ist das ziemlich egal. Die Leute nehmen mich wahr, ordnen mich ein, und es gibt auch keinen Grund für mich, etwas zu bestätigen oder dementieren. 

Dann gibt es Orte, an denen wird es kritisch. Damentoilette trotz männlichen Auftretens? Herrentoilette trotz Brüsten? Umkleide? 

Ich bin sehr dankbar, dass bei mir im Studio alles klappt in der Umkleide. Bisher ist noch nichts passiert, und warum sollte es auch? Aber das ändert nichts daran, dass ich manchmal unsicher bin. Denn ich stelle einen markanten Widerspruch für die Menschen dort dar. Wenn ich in die Umkleide gehe, gebe ich mich als Mann zu erkennen. In der Herrenumkleide wird normalerweise nicht geguckt (wo Frauen eher gucken "was hat die für Klamotten, was ist das für eine" kümmern sich Männer an solchen Orten um ihr eigenes Zeug), und meinen Binder bekommt keiner zu sehen, weil ich das Shirt anlasse.

Wenn ich dann allerdings trainieren gehe, falle ich vermutlich sofort als Frau auf. Denn klar, Training bedeutet körperliche Anspannung, bedeutet trotz Schlabberlook, dass der Körper sichtbar ist. Wer neben mir oder mir gegenüber trainiert, sieht meine Brüste. Den knallengen Binder beim Training kann ich vergessen, trage nur einen leichten Binder, also wölbt sich mehr als für einen Mann üblich. Dann sind die Leute vermutlich erstmal irritiert, dann checken sie den Bart, das Gesicht, den Hals, und dann sehen sie eine Frau.

Solange mich keiner anspricht, ist mir das ziemlich schnuppe. Sollen sie doch denken, was sie wollen. Und wenn mich einer anspricht auch kein Problem, ich bleibe freundlich. Schwierig wird es nur bei nonverbaler Kommunikation, die ich nicht einordnen kann. Und so etwas passiert mir häufiger. Auch fällt es mir schwer, Menschen anzusprechen, wenn ich nicht weiß, wie sie mich wahrnehmen. Ein paar Beispiele:

Wenn man häufiger trainiert, begegnet man immer wieder den gleichen Leuten. Klar, sie haben einen ähnlichen Tagesablauf und einen ähnlichen Trainingsryhthmus. Da ist eine junge Frau, die mir schon mehrfach auffiel, sehr sympathisch. Sie hat mich noch nie in der Umkleide gesehen - weiß sie, dass ich in die Herrenumkleide gehe? Lächelt sie mich an, weil sie mich für eine Frau hält und Frauen untereinander eben nett sind? Hält sie mich für einen Kerl und flirtet? Oder ist das reine Höflichkeit, weil wir halt uns manchmal dort über den Weg laufen? Ich lächle einfach nett zurück. Auch, wenn ich nicht weiß, ob mein Lächeln nickend, neutral höflich, mit Augenzwinkern sein sollte. Schätze, es sieht etwas unbeholfen aus ... 

Dito ein Mann. Der hat mich schon hier und da in der Umkleide gesehen, glaube ich. Aber er hat auch schon neben mir trainiert. Auch, als ich mit den Trainern gesprochen habe und er vermutlich sogar meine Stimme gehört hat. Letztes Mal hat er mir häufig zugenickt und gelächelt. Mit einem Unterton, den ich nicht deuten konnte, das schien kein normales "och, hallo, so sieht man sich wieder". Hm, er weiß, dass ich in der Herrenumkleide bin. Er realisiert meinen Frauenkörper. Er lächelt mir mit irgendeinem Unterton zu. Heißt es "ey, Kumpel, finde es cool, dass Du so mutig bist und diesen Weg gehst" oder doch eher "hey, ich steh auf süße Jungs wie Dich" oder mehr "warum auch immer Du auf der falschen Umkleide bist, hast ´nen sexy Körper, Mädel" oder eher "völlig egal, wer oder was Du bist, hi und hallo, siehst nett aus". 

Einfach zurücklächeln. Aber das sagt sich so leicht. Lächeln impliziert ja mehr, vor allem, wenn der Blick einen Subtext enthält, den ich nicht deuten kann. Welchen Subtext soll ich da nur zurückschicken? Herrjeh, kompliziert!

Oder letztens sah ich einen jungen Mann. Er sah so aus, wie ich gerne aussehen würde. Also bezogen auf die Muskulatur. Kein Poser, kein Bodybuilder, aber gut trainiert und gesund, fit. Gefiel mir. Ich habe jetzt schon häufiger gehört, dass das in meinem Studio angeblich nicht möglich sei, da kochen die Gemüter in den Foren immer wieder hoch. Werde mir mein eigenes Bild machen müssen im Laufe der Zeit. Gerne hätte ich ihn angesprochen und gefragt, wie lange er schon in dem Studio trainiert, ob er nebenbei anderen Sport macht und ob seine Muskulatur nur von diesem Training kommt oder auch anders gewachsen ist. Ich gebe zu, es war mir peinlich ihn anzusprechen. Hatte Angst, dass er glaubt, ich wolle als Frau mit ihm flirten (und da wäre sowas wie "ey, toller Körper, was trainierst Du so" irgendwie ziemlich dämlich gewesen).

Solche Situationen erlebe ich, seit ich als Mann in die Öffentlichkeit gehe, häufiger. Denn manchmal ist da eben doch noch ein sichtbarer Widerspruch. Ich hoffe, dass diese Zeit bald vorbei ist. Im Zweifelsfalle: freundlich bleiben, höflich sein, niemandem etwas Böses unterstellen und ganz natürlich, selbstbewusst auf die Leute zugehen. Trotzdem ist das oft leichter gesagt als getan. Manchmal fühle ich mich schon ein bisschen wie ein Freak, auch wenn ich es mir nicht anmerken lasse ... 

Ich bin dankbar, dass ich als Transmann bald ein gutes Passing haben werde. Okay, die Brüste wird man bis zur Mastek im Studio noch sehen, aber wenn Stimme und Bart männlich sind, werden die Leute sich das im Kopf schon zurechtbiegen. Aber bis dahin muss ich halt sehen, wie ich reagiere und versuchen, mögliche von mir interpretierte Untertitel einfach im Kopfkino auszuschalten ;-)

2heartedman 13.02.2016, 17.30

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Sonja

Vielleicht machst du dir auch einfach zu viele Gedanken darum, wie du rüberkommst. Ich bin sehr schlecht darin, bei einigen Menschen (Studio, Supermarkt,...) das Geschlecht zu erkennen. Es gibt viele "neutrale Menschen", hab ich festgestellt. Aber mir ist das auch ziemlich egal, mir ist wichtig, wie mein Gegenüber als Persönlichkeit auftritt.
Aber deine Schilderungen finde ich interessant! Über sowas denke ich kaum nach und bin dankbar für Denkanstöße ;-)
LG
Sonja

vom 14.02.2016, 11.11
Antwort von 2heartedman:

Ja, das sind eindeutig zu viele Gedanken. Die hatte ich auch früher schon. Habe ich bei anderen Trans*personen auch schon oft erlebt. Cis-Menschen machen sich einfach keine Gedanken darüber im Alltag, weil das für sie nie ein Thema ist. 

Wenn man selbst falsch wahrgenommen wird oder versuchen möchte soundso aufzutreten, dann beobachtet man sehr viel mehr, hinterfragt mehr. Führt zu Sachen wie "wie tragen Männer / Frauen ihre Einkaufstaschen, wie klingt ein Mann / eine Frau auf der Toilette, wie sehen Männer / Frauen beim Joggen aus, wie halten Männer / Frauen ihren Kopf beim Reden". Das sind Dinge, da käme niemand jemals auf die Idee sowas zu hinterfragen (außer wenn er / sie eben nicht auffallen möchte) ... 

Und gerade, weil ich momentan Ärger vermeiden will, bin ich natürlich besonders aufmerksam ... was dazu führt, dass ich womöglich unsicher wirke auf andere. Deswegen: ruhig bleiben, entspannt bleiben, einfach mein Ding durchziehen ... 

(sagt der Verstand. Trotzdem rotieren die Gedanken oft. Muss mich dann selbst immer ermahnen *ggg*. Und, wenn ich den Typen auf seine Muskeln und sein Training angesprochen hätte, hätte der vermutlich trotzdem doof geguckt *lol*)