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Ausgewählter Beitrag

Der Mensch wird am Du zum Ich

Das Thema wurde hier und da im Blog bereits angerissen, ich möchte es gerne einmal konkretisieren. Weil ich es unglaublich wichtig finde für die jungen Männer und Frauen, die erst am Anfang ihres Weges stehen.

Warum habe ich selbst erst so spät entschieden, den Transweg zu gehen? Gewusst habe ich es als Kind bereits, ja. Aber ich hatte keinen Namen dafür, also spürte ich zwar, dass ich ein Junge war, dass mein Körper ein Fake war. Das heißt aber nicht, dass ich damals hätte sagen können "ich bin transident". Sondern ich konnte zu mir selbst sagen "Du bist krank, denn Du tickst nicht richtig, sowas gibt es nicht". Also schwieg ich und versuchte brav meine Rolle als Mädchen zu erfüllen. Woran habe ich es eines Tages dann doch erkannt?


Eines Tages kam das Internet, und natürlich las ich viel von und über Trans. Trotzdem war ich nicht so weit zu sagen "ich auch". Ich las Bücher über Transfrauen, die mich sehr bewegten. Ich weinte, fühlte mich verbunden. Aber es waren Transfrauen, und die haben teils ganz andere Probleme, einfach weil ein "Mann" in Röcken anders aussieht als eine "Frau" in Jeans. 

Überall nur Transfrauen. Natürlich kam mir in den Sinn, dass ich ein Transmann bin. Und ich "wusste" es auch. Aber ich habe keinen gesehen, nirgends davon gelesen. Es schien einfach nicht zu existieren. Ich wusste es, und zugleich glaubte ich, dass es nicht sein kann, denn sonst müsste man doch davon hören? Es war eine Art Schlafzustand. Um daraus aufzuwachen fehlte die Erkenntnis "es gibt andere wie mich". 

Es gibt Transfrauen, darüber schreibt man. Es gibt sicher auch Transmänner, aber warum schreibt man nicht davon? Bilde ich mir das nur ein? Wünsche ich mir das nur? Wenn man nicht darüber spricht, kann es das nicht geben. Verquere Logik eines traurigen Jungen, der sich nicht verstanden fühlt und der von Kind an lernte, die Schuld stets bei sich zu suchen.

Ich las das Buch von Balian Buschbaum, sog es in mich auf. Irgendwie erhoffte ich mir eine Art "Erkenntnis" oder "Erleuchtung", hoffte auf das Gefühl der Verbundenheit mit ihm, wünschte mir einen "Bruder im Geiste". Aber was ich las, stimmte mich traurig. Seine Gefühle stimmten mit meinen überhaupt nicht überein. Sein Lebenslauf war so völlig anders als meiner. Das, was er als Kriterien benennt, kann ich so überhaupt nicht nachempfinden. Seine plakative Männlichkeit war mir unangenehm, sehe ich mich doch gerne als GenderBender. Und ganz besonders schreckte seine mantraartige Betonung der Heterosexualität mich ab. Er betonte dies sosehr, dass ich das Gefühl bekam, schwule Transmänner seien entweder abartig oder nicht existent.

Und wenn ich mal Transmänner real oder im Web sah, fühlte ich mich oft "wie ein Fremder unter Fremden". Tunnel, Baggy-Jeans, Käppis, ultrakurze Haare, einer ultramännlicher als der andere. Aber ich bin keiner von "diesen" Männern. Sondern ich bin ganz "normal", will gar nicht auffallen, muss keinem was beweisen. Dachte, wenn ich scheinbar so wenig danach strebe, männlich zu sein, scheine ich wohl auch keiner zu sein. Es gab also Vorbilder, aber ich entdeckte dabei wenig Vielfalt, eher Stereotype.

Meine Zuneigung zu Männern hielt mich ebenfalls lange davon ab, mich selbst als transident zu identifizieren. Im Nachhinein lache ich darüber. Es gibt schwule Bio-Menschen, warum soll es keine schwulen Transmenschen geben? Ich fasse mir an den Kopf, wie ich so blind sein konnte! Ich hatte die Hoffnung einfach eines Tages aufgegeben. Irgendwann in der Jugend wurde mir klar, dass ich dazu verdammt war, als Frau zu leben.

Martin Buber sagte "DER MENSCH WIRD AM DU ZUM ICH". Dieser Satz ist so wahr! Erst, wenn man einen menschlichen Spiegel vor sich hat, wird es möglich, das eigene Handeln, Denken, Fühlen zu reflektieren. Mag das Eremitendasein und die Einsamkeit zur Erleuchtung führen, doch für manche Prozesse benötigt es den Gegenüber. 

In einer queeren Community habe ich mich in eine Gruppe von T-Boys "geschlichen". Dachte, dass ich zwar kein Transmann bin, aber dass ich mich als Mann fühle und gerne dazugehören würde. Und traf auf diese Weise erstmals andere Transmänner. Und dann erkannte ich, dass manche von ihnen schwul sind, andere heterosexuell. Und dass einige sich für Testosteron und Operationen entschieden, andere dagegen weiterhin das versteckte Leben als Frau führen wollten. 

Ich wollte anfangs auch versteckt als Frau leben. Bis der Druck irgendwann so groß wurde, dass ich immer mehr suchte, immer mehr im Internet unterwegs war. Ich schrieb Emails an bloggende Transfrauen, suchte auf dem CSD Kontakt zu einer Transgruppe, suchte nach Internetseiten über Transmänner. Bis es dann irgendwann klick machte. 

Diese Vorbilder waren für mich ein absolut notwendiger Schritt, um mich nicht nur selbst als Mann zu definieren, sondern um diesen Schritt endlich auch öffentlich zu gehen. Ohne einige Vorbilder wäre ich wohl den Rest meines Lebens als unglückliche "Frau" durchs Leben gewandert, stets im Wissen um meine unterdrückte Seele. 

Ein fettes DANKE all den Bloggern und Youtubern, die ihre Erfahrungen mit uns teilen! 

2heartedman 28.06.2015, 11.40

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Kampfkeks

Ach, Salamanderchen, was du zu B.B. schreibst, geht mir runter wie Öl. Alles waren so begeistert von ihm und wie toll er aussieht. Ich habe sein Buch gleich weiter verschenkt, weil es mir damit wie dir ging. Und dieses Gefühl, unter Männern nicht dazuzupassen, das hatte ich auch. Inzwischen habe ich mich weitgehend von der Mitwelt isoliert. Ist ja im Alter nichts Ungewöhnliches - man wird einfach müde.
Auch dein Werdegang als TM ist meinem so ähnlich - aber darüber habe ich ja schon auf deine Threads im Form geschrieben.
Schön, dass ich deinen Blog entdeckt habe.

Alles Liebe
der Forums-Keks

vom 02.07.2015, 08.31
Antwort von 2heartedman:

Ja, der Balian polarisiert. Das ist okay. Er behauptet ja auch nirgendwo, dass alle so sein müssen wie er, aber das Gefühl entsteht, solange man noch "schläft" (ich nenne es mal so) ... es gibt viele wie ihn, und ich bin sicher, sein Buch ist für viele eine Offenbarung. Aber ich hoffe, dass eines Tages noch mehr TM an die Öffentlichkeit gehen ... 

wer weiß, vielleicht werde auch ich an die Öffentlichkeit gehen, Pläne und Ideen gibt es bereits ... einfach als Kontrapunkt, genauso wie Niko ... jemand, der schon älter ist, andere Erfahrungen gemacht hat ... der andere Vorbilder suchte und ein anderes Leben führte ... 

(ich mag Öffentlichkeit absolut nicht. Aber wenn alle sagen "es sollte jemand tun" passiert nix, außer dass alle hoffen, dass jmd anderes es tut *seufz* ... abwarten, noch bin ich nicht so weit)

freu mich jedenfalls, dass Du hier liest :-)