two hearted man
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Danke an meine Freunde - War ne harte Zeit mit mir

Möchte an dieser Stelle ein Danke loswerden. 
An alle, die mich während der Transition ertragen haben! ;-)


Ich empfinde mich nun als angekommen. Klar werde ich mich weiterhin verändern. Neues erleben. Auch im Kontext auf meinen Transweg. Trotzdem habe ich das, was ich erreichen wollte, erreicht. Und kann für mich sagen "war gut, bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis". Vielleicht wird irgend etwas passieren, dass ich sogar später sagen werde "JETZT bin ich angekommen - davor dachte ich nur, dass ich es wäre, aber etwas fehlte noch". Kann ich nicht wissen. Ich gehe beim Schreiben hier jetzt einfach von diesem Moment aus, in dem ich hier sitze und was ich gerade fühle. 

Der Weg dahin war stellenweise ganz schön schwierig. Für mich, aber auch für Außenstehende. 

Mir war damals bewusst, dass dem so ist, trotzdem wollte ich es nicht wahrhaben: dass die innere Wahrnehmung nicht dem entspricht, was andere Menschen sehen. Ich sehe mir die Fotos an aus der Zeit des Outings und auch zu Beginn von Testo. Und sosehr ich im Spiegel verzweifelt versuchte einen Mann zu sehen und oft auch sah - ist mir rückblickend klar, warum Fremde das nicht sehen konnten. 

Mein Begehren, männlich aufzutreten, männlich wahrgenommen zu werden, war manchmal ziemlich anstrengend. Das ständige Hinterfragen, Reflektieren. Auf Freunde zugehen, um Rückmeldung bitten. Bei Fremden angepisst reagieren, sobald sie misgendern. "Kann ich das anziehen? Passen die Haare so? Wie steht mir das? Soll ich mich so oder so bewegen? Kann man das so machen? Wie findest Du das?" - verständlich, falls ich mein Umfeld damit zu Tode genervt habe! 

Manchmal habe ich meinen Frust, meine Unsicherheit geschluckt, in mich hineingefressen und dann im falschen Moment alles rausgelassen, sodass jemand völlig Unbeteiligtse das leider abbekommen hat. Manchmal habe ich auch direkt reagiert, und das war auch nicht immer die feine Art. Mein Tonfall war stellenweise schon sehr ruppig, gereizt, unnachgiebig, wütend und teils auch trotzig. Aber es ist einfach eine beschissene Situation, und ich wusste mir oft nicht anders zu helfen. An manchen Tagen war ich einfach komplett überfordert. 

Es ist verdammt schwer, im Alltag als Mann zu bestehen, wenn man nicht als solcher wahrgenommen wird. Es ist schwer, den Blicken fremder Menschen standzuhalten. Es ist schwer, sich übergriffigen Fragen zu stellen (oder diese zu ignorieren). Es ist schwer, vor die Tür zu gehen, wenn man sich am liebsten vor der Welt verstecken möchte. Es ist schwer, sich selbst leiden zu können, wenn man gerade völlig am Rad dreht. 

Und, ganz ehrlich: ich habe nicht nur Freunde, Bekannte, Kollegen, Fremde genervt. Sondern vermutlich am meisten mich selbst. Weil ich ja gesehen habe, was ich da abziehe, wie ich mich benehme. Weil ich wusste, dass ich so gar nicht reagieren möchte. Ich fand mich selbst verdammt anstrengend. Ich mag es gar nicht, die Kontrolle zu verlieren, und doch habe ich mich wohl sehr oft im Ton vergriffen. Pubertät eben. Nur, dass ich als Erwachsener wusste, dass das Pubertät ist (körperliche Veränderung, Identitätsfindung und Neuorientierung) - was es nicht besser machte, sondern umso mehr frustrierte ("ich weiß was das ist, also müsste ich gefälligst damit umgehen können statt all diesem Mist so hilflos ausgeliefert zu sein").

Neben der Transition hatte ich von Anfang 2016 bis Ende 2018 zudem noch mit vielen anderen Problemen zu kämpfen. Es waren drei verdammt anstrengende Jahre! 

- habe meinen Vater verloren
- habe meinen Opa verloren
- habe den Kontakt zu meiner Mutter verloren
- habe meinen Traumjob (inclusive Absicherung bis zur Rente) verloren
- habe eine neue Arbeit angetreten
- habe einen Motorradunfall erlebt
- habe zwei Operationen durchführen lassen
- eine OP auf unbekannt verschoben (Nerven lagen wochenlang blank)
- Schilddrüsen wurde eingestellt
- Hormonchaos durch falsche Dosierung
- wurde vom Partner verlassen
- habe erstmals im Leben ein halbes Jahr alleine gewohnt
- neue Partnerin zog bei mir ein (Umstellung Alltag ua)
- dazu: Selbstfindung, mehrere Nebenjobs, berufliche Selbständigkeit meines Partners
 
Ja, ich war auf dem Weg zu mir selbst und fühlte mich immer besser. Es wurde immer stimmiger, ich kam besser mit mir klar. Ich habe mich so gut gefühlt wie noch nie im Leben, weil ich spürte, dass ich endlich ich selbst werde. Weil Handeln und Fühlen immer besser zusammen passten. Endlich war ich glücklich!

Trotzdem haben mein Alltag und die Hormone (Wechseljahresbeschwerden, Panikanfälle, Depressionen, Rückenschmerzen usw) dazu geführt, dass ich oft völlig unpassend reagiert habe. Egal, wie glücklich ich in dem Moment war, dieses Glücksgefühl war im Alltag meist überdeckt von irgendwelchen Problemen: 

Wenn man zum zehnten Mal misgendert oder blöd angesprochen wird, dann kann schon mal ein böser Spruch rausrutschen - weil ich mich "dank" Hitzewallungen und Rückenschmerzen gerade eh nicht unter Kontrolle hatte, und weil ich seit Wochen durch die Umstellung nicht einmal den Druck durch Weinen lösen konnte (inzwischen kann ich wieder weinen, das tut gut). Da hat sich vor allem körperlich so extrem viel angestaut, dass es bei all den oben genannten sozialen beruflichen psychischen Problemen einfach zuviel wurde. Manchmal bin ich wirklich am Zahnfleisch gekrochen. Und es gab auch ein paar einzelne Sitzungen, wo ich beim Therapeuten so halb zusammengebrochen bin. Situationen, wo ich zu Hause einfach nur noch rumgeschrien habe oder am liebsten verzweifelt geheult hätte (wenn ich gekonnt hätte). Und in denen ich lieben Menschen ziemlich unschöne Dinge an den Kopf geworfen habe. 

Jup, war verdammt anstrengend mit mir. Und auch, wenn ich mich immer besser leiden konnte - gab es viele Momente, in denen ich mich einfach nicht mehr ausstehen konnte. Pubertät eben. Scheiß Zeit. Aber notwendig. Ich bin dankbar, dass so viele Menschen das mit mir zusammen durchgestanden haben, zu mir gehalten haben und bei mir geblieben sind. 

Und jetzt gehts vorwärts. Diesmal mit weniger Ballast ;-)

2heartedman 05.07.2019, 13.57

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