Während der Transition habe ich oft sehnsüchtig in die Schaufenster geblickt. Es gibt hier in der Stadt viele türkischen und deutschen Barbierläden. Nur Männer schneiden die Frisuren und Bärte, nur Männer sitzen im Laden. Bartpflege, Rasur, Haarschnitt, Beratung und so weiter. Ein Traum! 

Ein Barbier ist etwas so Ultramännliches, dass ich schon manchmal sehnsüchtig an der Scheibe pappte und mir die Nase dran plattgedrückt habe. 

Ich bekam die Chance, meinem Friseur treu zu bleiben und dennoch einen Laden aufzusuchen: Ich begleitete einen Kunden, der sich selbst oft unsicher ist und zum Artikulieren seiner Wünsche manchmal Hilfe benötigt. Also sind wir gemeinsam zum türkischen Barbier. 

Meine Aufgabe bestand eigentlich nur darin, dort zu sitzen und auf ihn zu warten. Und dazusein, falls er mich braucht. Aber es war schon toll. Als Mann zwischen zig Männern und männlichen Teens. Überall Vollbärte, Schnurrbärte, Männergespräche. Keiner guckte mich blöd an, jeder nahm mich wahr, als den, der ich bin.

Als mein Kunde gefragt wurde, was er möchte, wusste er es nicht so recht, "einfach nur kurz" genügte dem Friseur nicht. Also deutete der Friseur auf mich und meinte "klassisch, so wie bei ihm?", und der Kunde strahlte. "Ja, so wie bei ihm". 

Jajaja, total banal. Ich saß in nem Laden zwischen Männern und wurde als Mann anerkannt. Nix dabei, schließlich sehe ich ja schon länger aus wie ein Mann. Es ist schwer in Worte zu fassen, was da in dem Moment emotional alles dahinterstand. Es ist einfach ein Gefühl, das von Jugend an aufgestaut wurde. Eine Sehnsucht, die an die zwei Jahrzehnte brannte. Es sind traurige Momente, die irgendwann einfach losgelassen werden dürfen. Es ist eine Freude über das, was nie war und endlich ist. Es ist das Ankommen im Hier und Jetzt. Es ist eine Freude, die man in dem Moment äußerlich nicht sah, aber innerlich wurde gewaltig Party gefeiert. Es ist ein "alles richtig gemacht" und "keine Sekunde bereut" und " die beste Entscheidung meines Lebens" - Moment.