Es gibt eine Szene, die mir aus Schultagen noch durch den Kopf geistert. Irgendwie faszinierend, was man vergisst und woran man sich erinnert. Das ist eine Szene, die ich lieber vergessen würde, vermutlich ist das der Grund, warum ich sie nicht vergessen kann. Wer weiß, vielleicht hilft das Tippen und Teilen ja, es hinter mir zu lassen ;-)

Als Teen war ich in Punkto Klamotten recht orientierungslos. Das war das Alter, wo die Mädels alle anfingen, sich zu schminken, enge Tops zu tragen und sich richtig rauszuputzen. Wollte ich nicht, aber für Jungenklamotten wurde ich ausgelacht, und ich hatte eh nur Second Hand Zeug daheim, nichts selbst gekauftes, also nicht mal wirklich die Wahl, was ich gerne getragen hätte. 

Meine Großeltern waren sehr schlicht, meine Oma hatte sich nie geschminkt oder herausgeputzt, sie konnte mir das auch nicht zeigen. Und das, was sie mir anziehen wollte, war zu altmodisch (selbst in meiner Kindheit waren Wollstrumpfhosen und Faltenröcke bereits ultra out). Von dieser Seite hatte ich also keine Anleitung, was man als junges Mädchen trägt oder nicht. 

Weil ich von den Klassenkameradinnen oft ausgelacht wurde, bin ich einmal in den Laden und habe mir eine Kette gekauft. Gefiel mir einigermaßen, war nicht so tussig. War billiger Modeschmuck von irgendsoeiner Firmenkette a la Bijou Brigitte oder etwas in der Art, kein Silber, Gold und Co, sondern schwarze und bunte Steinchen in Schwarz, Rot und Blau. 

Die trug ich dann stolz in der Schule, wollte irgendwie dazugehören und zeigen "hey, ich kann das auch". Aber niemand sagte etwas, niemand reagierte. Und in der großen Pause, als ich auf dem Schulhof stand, brüllte irgendeiner etwas aus dem Fenster. Wer das war, konnte ich nicht sehen auf die Entfernung, aber jeder konnte es hören, und es wurde ziemlich fies über meine billige Kette "aus dem Kaugummiautomaten" gelästert und dass ich damit ja richtig scheiße aussähe. 

Da stand ich also beim Würstchenmann (in der Pause kam immer ein Würstchenmann, der aus seinem Kofferraum Currywurst, Leberkäse, Knacker und Co verkaufte), wollte meine Bestellung aufgeben, und auf einmal das! Ich war wie vom Blitz getroffen, wusste gar nicht, was ich sagen sollte. Am liebsten wäre ich im Boden versunken ... 

Der Würstchenmann, bei dem ich täglich einkaufte und mit dem ich mich gut verstand, brüllte irgendwas zurück, verteidigte mich, und die Person am Fenster zog sich zurück. 

Ich kann nicht beschreiben, wie demütigend die ganze Szene in diesem Moment war! Dass jemand mich über den ganzen Schulhof hin bloßstellte. Dass ich mich nicht selbst verteidigen konnte. Dass ein fremder Mensch mich über den ganzen Schulhof hin verteidigte. Dass ich so doof gewesen war, eine solch hässliche Kette zu kaufen und mir einzubilden, die sähe hübsch aus oder ich könnte damit so tun, als würde ich dazugehören. Ich habe die Kette nie wieder getragen, und auch  meine Versuche, dazuzugehören, wurde von da an immer weniger ...