two hearted man
Interne Seiten
RSS 2.0 RDF 1.0 Atom 0.3
2024
<<< März >>>
Mo Di Mi Do Fr Sa So
    010203
04050607080910
11121314151617
18192021222324
25262728293031
Statistik
Einträge ges.: 1238
ø pro Tag: 0,4
Kommentare: 263
ø pro Eintrag: 0,2
Online seit dem: 05.12.2014
in Tagen: 3401

Ausgewählter Beitrag

Anhörung bei Gericht

Heute war ich bei Gericht geladen. Aufgeregt war ich nicht, warum auch? Der Richter würde kurz mit mir sprechen, sich ein Bild von mir machen. Dann würden wir das klären wegen der Zahlungsmodalität, und er würde meine Gutachter festlegen.


Klar, Gericht ist für die meisten Leut erst einmal etwas Besonderes. Wer kennt das schon von innen? Ich kenne es seit meiner Kindheit, war ´ne dreckige Scheidung bei meinen Eltern und eine 16 Jahre andauernde Verhandlung ums Sorgerecht mit vielen Gerichtsterminen. Später dann habe ich als Jugendlicher oft öffentliche Gerichtsverhandlungen besucht, ich fand unser Rechtssystem schon immer spannend. Und beruflich hatte ich auch immer wieder mit Gerichten, Anwälten und den Justizbehörden zu tun. Mein persönliches Fazit aus 38 Jahren Erfahrung: "Richter sind auch nur Menschen" ;-)

Was zieht man an? Hm, ultraschick wollte ich nicht sein, ich will mich nicht verstellen. Schlumpi geht auch nicht, ich will ja meinen Respekt vor dem Richter zeigen und ihm zeigen, dass es mir auch ein ernstes Thema ist. Also eine ordentliche schwarze Jeans und ein graues Businesshemd, denke das war okay. 

Die Eingangskontrolle war wirklich heftig, alle Achtung. Das andere Gerichtsgebäude, in welchem die großen Strafsachen verhandelt werden, schleust die Leute ziemlich schnell durch, hier wurde bei mir aber wirklich ALLES durchleuchtet, sogar in meinen Terminkalender hat sie geguckt, meine Unterlagen auseinandergenommen, jeden Zentimeter meiner Tasche befühlt. Entweder, die Leute am Personenstandsgericht sind gefährdeter. Oder dort ist so wenig los, dass sie mehr Zeit für Kontrollen haben ;-)

Da ich zeitig vor Ort war, musste ich etwas warten. Dann war es soweit, er rief mich in sein Zimmer. Kein normaler Gerichtssaal, sondern ein Büro. Mit großem runden Tisch und einigen Stühlen. Wir setzten uns. 

Ein älterer Herr, sehr nett, recht sympathisch und patent wirkte er. Hat ein, zwei Fachbegriffe anders verwendet als in der Community, aber ich sagte nichts dazu, er ist schließlich Jurist, kein Kämpfer für die Geschlechterbewegung. Aber man merkte, dass er Respekt zeigt und das Thema vernünftig angeht, das war sehr angenehm. 

Er ging mit mir kurz den Lebenslauf durch. Dann hatte er eine Frage bezüglich meines Berufes, weil es da etwas gibt, was ihn schon immer mal interessierte. Obwohl der Lebenslauf wie auch das Thema viel Raum für Indiskretion bieten, stellte er keine übergriffigen Fragen, blieb höflich, manche Themen hat er geschickt umgangen. Sehr respektvoll und freundlich.

Dann schlug er zwei Gutachter vor. Beide kannte ich, mit beiden hatte ich schon einmal gesprochen in anderer Sache, und bei einem lehnte ich vehement ab, beim anderen bat ich freundlich um jmd anderen. Ich hatte zwei Wunschgutachter, die dann tatsächlich bewilligt wurden. Das freut mich sehr, ist nicht selbstverständlich.

Dann kurz den Ablauf besprochen: Die Gutachter werden vom Gericht bestimmt und informiert. Ich bekomme ein Schreiben des Gerichtes, wo dies bestätigt wird. Dann rufe ich bei den Gutachtern an und bitte um einen Termin (kann auch warten, bis ich geladen werde, aber das dauert etwas länger). Ich nehme die Termine wahr, rede mit den beiden. Sie fertigen ihr Gutachten, schicken es ans Gericht, und wenn alles passt, wird beschlossen, dass ich also tatsächlich nicht an Wahnvorstellungen leide sondern im Vollbesitz meiner männlichen Kräfte einen neuen Namen beantragt habe. 

Ich kriege dann den Schrieb, dass alles okay ist. Warte auf die Rechtskräftigkeit, oder ich rufe an und sage "ist okay, ich stimme zu". Dann kriege ich noch einen Brief, diesmal mit dem endgültigen Beschluss. Damit beantrage ich auf dem Amt eine neue Geburtsurkunde (das Standesamt wird vom Gericht vorab informiert), mit dieser kann ich den neuen Ausweis beantragen. Und was ich sonst noch so alles will. 

Ein paar Fragen hatte ich noch: wie ist das jetzt mit der Angabe im Feld "frühere Namen"? Er meinte, das könne er mir so nicht konkret beantworten, da das einer der Bereiche sei, die juristisch nicht exakt geklärt seien. Aber dort, wo es darauf ankommt, sollte man es schon angeben (nicht einfach nach vollzogener Namensänderung vor dem Gläubiger untertauchen), ansonsten gehen die normalen Privatverträge kaum etwas mein früherer Name an (Sportstudio, Telefonanbieter, usw). 

Freut mich, denn spätestens durch die damalige Scheidung von meinem Exmann wird es schwierig, ich  müsste den alten weiblichen Namen angeben, der männliche Vorname plus Scheidungsname hat ja niemals existiert. 

Dann wurde die Zahlung geklärt. Ich habe Antrag gestellt auf Verfahrenskostenhilfe. Normalerweise muss man einen Betrag im Voraus überweisen, bevor die Gutachter beauftragt werden. Ich kann das nun zum Glück in Raten machen, das zieht sich zwar etwas, ist aber doch noch besser als der komplette Betrag am Stück. 

Danach ergaben sich noch ein paar interessante Themen, etwa bezüglich der juristischen Spitzfindigkeiten, die sich aus dem TSG ergeben (das völlig veraltet ist, bei dem manches gestrichen wurde der Menschenunwürdigkeit wegen, das aber seitdem auch nicht erneuert wurde, sodass es einige ungeklärten Probleme gibt), aber auch über die Datensammelwut der Onlinedienste, den Überwachungsstaat und Zukunftsvisionen damals / heute. 

Dann war der Termin auch schon vorbei. Lief wie erwartet glatt, und jetzt bin ich wieder zu Hause. Ich bin gespannt, wann ich den Brief erhalte wegen der Gutachter. Bin gespannt auf die Gespräche, wie lange es dauert und wie das alles weitergeht. 

Ich sehe es schon kommen: bei meinem bisherigen Glück wird es völlig reiblungslos ablaufen binnen weniger Wochen, und wenn ich den Ausweis neu beantrage, sehe ich noch immer aus wie eine Frau. Wird ´n super Passfoto, weibliches Gesicht mit männlichem Namen *seufz*. Ob man dann, wenn man das Foto ändern möchte, irgendwann später einfach so noch einmal neu beantragen darf? Muss ich mich erkundigen. Ansonsten verliere ich ihn irgendwo auf einem Konzert in der Menschenmasse *hüstel* (hab ich das jetzt geschrieben? Sorry, ich werde natürlich gut darauf aufpassen!)

Interessant: ich bin gerade überhaupt nicht aufgeregt. Warum auch? 
Ich freu mich einfach :-)

2heartedman 03.05.2016, 15.14

Kommentare hinzufügen

Die Kommentare werden redaktionell verwaltet und erscheinen erst nach Freischalten durch den Bloginhaber.



Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Björn

Freut mich, dass der Termin bei dir so entspannt lief. War bei mir ähnlich.

Soweit ich weiß, kann man einen Ausweis einfach erneuern lassen, ohne Angabe von Gründen. Ich hab das einige Zeit vor der VÄ gemacht, weil ich auf meinem alten Foto extrem weiblich aussah, das entsprach nicht mehr der Realität und war mir unangenehm. Ich wurde zwar komisch angeschaut (vermutlich konnte der Beamte nicht verstehen, warum eine Frau ein hässliches Foto statt eines schönen im Ausweis haben will), aber rein rechtlich war es kein Problem.

vom 03.05.2016, 17.12
Antwort von 2heartedman:

Sehr schön, dann muss ich ihn nicht verlieren ;-) 
Aber ich hatte auch sowas in Erinnerung, dass man einfach neu beantragen kann ... schön, wenn das geht ... ist wohl am ehesten eine Sache des Geldes (aber das ist es mir dann wert) ... 

ich denke, bei mir läuft alles recht entspannt. Was zum Teil daran liegt, dass
1) ich mir Zeit lasse und alle Schritte der Reihenfolge nach mache, ohne zu überstürzen oder vorzeitig zu beantragen (viele, die Probleme haben, beantragen in anderer Reihenfolge, außer der Reihe oder vor der Zeit)
2) ich gelassen an die Sache rangehe, statt mir im Voraus alle Probleme zu visualisieren

hoffen wir, dass das Glück mir gewogen bleibt :-)