two hearted man
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Alltagstest

Eigentlich dachte ich, dass Alltagstest ziemlich bescheiden ist. Weil man künstlich in eine Situation gebracht wird, die völlig unrealistisch ist. Etwa wenn man aussieht wie eine Frau und der Gesellschaft nahelegen muss, dass man in Wirklichkeit ein Mann ist. Deswegen war ich ziemlich abgeneigt. Und extrem dankbar, dass mein Therapeut nicht auf diesem Ding herumgeritten ist. Hätte er diesen von mir ausdrücklich verlangt, hätte ich mir vermutlich einen anderen Therapeuten gesucht. 

Seit meinem Entschluss für diesen Weg sind etwa 10 Monate vergangen, ich bin schon 6 Monate in Therapie. Und ich stelle fest: ich bin mittendrin im Alltagstest!


Mein Äußeres gleicht einer Frau, also gehe ich auf die Damentoilette. Und ich muss auch nicht jede Dame auf der Post, jede Verkäuferin an der Kasse und jeden Busfahrer darauf hinweisen, dass er das "junge Frau" bitte durch "junger Herr" ersetzen möge. Das war es, was ich mir anfangs vorgestellt hatte und warum ich es ziemlich lächerlich fand. Und wenn die Zimmer für die Tour im Sommer verteilt werden, komme ich gut damit klar, bei den Frauen zu sein. Das hat für mich nichts mit Männlichkeit zu tun. Männlichkeit ist kein Hotelzimmer und keine Toilette, sondern ein Gefühl. 

In der Praxis stelle ich nämlich fest, dass es schon sehr viele Situationen gibt, in denen ich männlich unterwegs bin und die Reaktionen meines Umfeldes austeste. Ich lerne Situationen neu zu erleben. Prüfe für mich "wie fühlt es sich an". Wie fühlt es sich an, wenn sich mein Mann in trauter Zweisamkeit an mich kuschelt und meinen Männernamen haucht? Mich nicht als Frau berührt sondern als Mann. Wie fühlt es sich an, beim Klamottenkauf nicht aus Glitzertönen sondern aus männlich gedeckten Farben zu wählen? Wie geht es mir, wenn Kumpel und Freunde nur noch männliche Pronomen verwenden? Wie geht es mir, wenn ich im Beisein von anderen nicht mehr die weibliche Körpersprache simulieren muss sondern einfach ich selbst sein darf? Wie fühlt es sich an, wenn ich statt Slips nun Shorts trage (das ist tatsächlich ein Unterschied, egal ob es jemand sieht, aber in mir drin löst es sehr viel aus)?

Vieles ist nur in mir drin. Ein Beispiel für innen und außen: heute Abend findet ein Treffen statt, die Arbeitskollegin meines Mannes feiert Geburtstag. Da er auf Arbeit nicht als schwul geoutet ist, werdeich ihm keinen Strich durch die Rechnung machen und dort als Frau auftauchen. Mehr oder weniger. Ich darf auch männlich auftreten, denn das ist okay, das tat ich ja schon mein Leben lang, burschikose Frau. Solange ich die richtigen Pronomen verwende und mich nicht verplappere.

Der Unterschied zwischen einem Abend mit Kumpels und dem heutigen Abend ist also rein innerlich. Damit, dass ich gelegentlich überlegen muss, welche Worte ich verwende, wie ich auf sozial erwartete Situationen reagiere. Ich fühle mich in einer solchen Situation nicht wirklich frei. Obwohl ein Außenstehender vermutlich keinen Unterschied merkt. Aber für mich wird der heutige Abend ein sehr guter Alltagstest sein, wenn auch anders rum: inzwischen bin ich privat immer Mann. Wie fühlt es sich nun an, heute Abend wieder burschikose Frau zu sein?

Aber ich kenne die Antwort schon vorab: schrecklich! 

Ich habe mich so schnell daran gewöhnt, als Mann wahrgenommen zu werden, und ich genieße meine neue Männlichkeit. Möchte sie nie wieder hergeben. Seit ich mich zu diesem Schritt entschieden habe, habe ich nicht einmal gezweifelt, ob es falsch sein könnte. Im Gegenteil: es war die beste Entscheidung, die ich jemals getroffen habe. Mein Herz tanzt, und mein Körper ist endlich frei ... 

2heartedman 30.05.2015, 13.33

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von tabakbart

Viel Spaß dabei. Ich hätte gern gelesen, wie es gelaufen ist. Und nur am Rande ein Gedanke aus eigener Erfahrung: mein Partner hatte sich schon überall als schwul geoutet, aber jetzt stellt er selbst fest, dass er eben doch nichts mit Männern anfangen kann... jetzt, wo der weibliche Körper mehr und mehr verschwindet. Ich wünsch euch Glück!

vom 13.06.2015, 08.12
Antwort von 2heartedman:

Wie es an dem Abend der Geburtstagsfeier lief, habe ich in einem anderen Beitrag später noch geschildert. Leider nicht so schön :(

Dass mit Deinem Mann ist schade ... ich hoffe, dass Ihr da einen Weg finden werdet!

Bei uns mache ich mir da keine Gedanken, denn es ist nicht die Vermutung sondern die Erfahrung, die sagt, dass er auch auf Männer steht ;-)